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VwGH vom 23.10.1995, 95/10/0081

VwGH vom 23.10.1995, 95/10/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der Gemeinde P, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom , Zl. IV-1837/215-1995, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (Verbundgesellschaft) und der Burgenländischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (BEWAG) gemäß den §§ 5 lit. e, 6 Abs. 5 und 6, 23 Abs. 2, 56 Abs. 1 und 3, 81 Abs. 2 und 5 des Burgenländischen Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes 1990, LGBl. Nr. 27/1991 idF LGBl. Nr. 1/1994 (NSchG) in Verbindung mit § 3 der Verordnung LGBl. Nr. 17/1968 und § 3 der Verordnung LGBl. Nr. 19/1972, die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Errichtung der 380-kV-Leitung Kainachtal - Südburgenland - Wien Südost, Teilstück Südburgenland - Wien Südost, im Trassenbereich des Landes Burgenland und die Mitführung einer 110-kV-Leitung auf dem Gestänge der 380-kV-Leitung bei plangemäßer Ausführung und unter Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Gemeinde P macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Unter dem Titel "Zulässigkeit der Beschwerde" wird dargelegt, die Parteistellung der Beschwerdeführerin ergebe sich aus § 52 NSchG. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, (erg.: nicht) entgegen den Vorschriften des NSchG sowie der Verordnung LGBl. Nr. 19/1972, die Errichtung einer Starkstromleitung im Gemeindegebiet und Landschaftsschutzgebiet dulden zu müssen, insbesondere im Recht, im Gemeindegebiet die Vielfalt, Eigenart, Schönheit und den Erholungswert, das ungestörte Wirkungsgefüge des Lebenshaushaltes der Natur und den Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürlichen Lebensräumen und Lebensgrundlagen geschützt zu wissen, sowie auf Anwendung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes BGBl. Nr. 697/1993 bzw. des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum BGBl. Nr. 909/1993, sowie im Recht auf Parteiengehör.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mit dem angefochtenen Bescheid erteilte Bewilligung beruht u.a. auf § 6 iVm § 5 lit. e NSchG.

Nach § 5 lit. e NSchG bedarf die Errichtung von Freileitungen im Grünland mit einer Nennspannung von mehr als 30 Kilovolt (kV) einer naturschutzbehördlichen Bewilligung.

Nach § 52 NSchG kommt in Verfahren nach § 5 lit. b bis g den Gemeinden, in deren Gebiet das Vorhaben vorgesehen ist, zum Schutze der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 die Stellung von Parteien zu (§ 8 AVG 1950). Dies gilt auch für solche Verfahren in Landschaftsschutzgebieten.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seiner ständigen Rechtsprechung zu Vorschriften, mit denen zum Schutz der öffentlichen Interessen die Parteistellung von Gemeinden in naturschutzbehördlichen Verwaltungsverfahren begründet wird, die Auffassung, daß der Gemeinde damit bloß die Stellung einer Legal- oder Formalpartei eingeräumt wird. Der Gemeinde fehlt jedoch, was die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung in Ansehung der für den Naturschutz relevanten materiell-rechtlichen Bestimmungen betrifft, ein subjektives Recht, dessen Verletzung sie vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen könnte (vgl. z. B. zu § 14a Nö NSchG die Erkenntnisse bzw. Beschlüsse vom , Zl. 86/10/0191, vom , Zl. 87/10/0011, vom , Zl. 87/10/0177, vom , Zl. 94/10/0170, und vom , Zl. 95/10/0064; zu § 27 Abs. 1 Vbg LSchG vgl. den Beschluß vom , Slg. 12621/A, und das Erkenntnis vom , Zl. 95/10/0071).

Das NSchG vermittelt der Beschwerdeführerin somit keine subjektiv-öffentlichen Rechte im Zusammenhang mit der Anwendung der materiell-rechtlichen Naturschutzvorschriften. Soweit die Beschwerde im oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt im Ergebnis ein Recht auf Unterbleiben der naturschutzbehördlichen Bewilligung aus Gründen des materiellen Rechts geltend macht, fehlt mangels Einräumung eines entsprechenden subjektiven Rechts die Rechtsverletzungsmöglichkeit und damit die Beschwerdeberechtigung. Es erübrigt sich somit eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen, soweit auf Fragen der Gesetzmäßigkeit der vorgenommenen Interessenabwägung Bezug genommen wird.

Aus dem Fehlen einer Rechtsverletzungsmöglichkeit im beschriebenen Umfang folgt jedoch im vorliegenden Fall nicht schon die Unzulässigkeit der Beschwerde; denn die Beschwerdeführerin macht auch geltend, in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt zu sein. Dieses Recht steht ihr zufolge ihrer Parteistellung im Verwaltungsverfahren zu; die Möglichkeit einer Verletzung dieses Rechtes erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 94/10/0170, und die dort zitierte Vorjudikatur).

In der Sache selbst läßt jedoch bereits das Vorbringen der Beschwerde erkennen, daß die geltend gemachte Rechtswidrigkeit zufolge Verletzung des Parteiengehörs nicht vorliegt.

Eine Verletzung des Parteiengehörs erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß ihr Erklärungen des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten nicht zur Stellungnahme übermittelt worden seien. Nach dem Inhalt dieser Erklärungen wäre "kein Transport von Energie vom slowakischen Kraftwerk Mochovce über die Leitung geplant". Wären diese Erklärungen der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt worden, hätte diese "selbstverständlich Beweise dafür angeboten, daß über die gegenständliche 380 kV-Leitung sehr wohl Stromimporte, die aus Atomkraftwerken, möglicherweise auch aus Mochovce, herrühren, abgewickelt werden".

Damit macht die Beschwerde keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.

Nach § 5 lit. e NSchG bedarf die Errichtung von Freileitungen im Grünland mit einer elektrischen Nennspannung von mehr als 30 Kilovolt (kV) einer naturschutzbehördlichen Bewilligung.

Eine Bewilligung ist nach § 6 Abs. 1 leg. cit. zu erteilen, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme einschließlich des Verwendungszweckes nicht


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a)
das Landschaftsbild nachteilig beeinflußt wird,
b)
das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachteilig beeinträchtigt wird oder dies zu erwarten ist oder
c) der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachteilig beeinträchtigt wird.
In den Abs. 2 und 3 der zuletzt zitierten Vorschrift werden die Begriffe der "nachteiligen Beeinträchtigung des Gefüges des Haushaltes der Natur" und der "nachteiligen Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes" definiert.
Nach § 6 Abs. 5 leg. cit. kann eine Bewilligung im Sinne des § 5 entgegen den Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 erteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen. Als öffentliche Interessen gelten insbesondere solche der Landesverteidigung, des Umweltschutzes, der Volkswirtschaft und des Fremdenverkehrs, der Bodenreform und der Landwirtschaft, des Schulwesens, der überörtlichen Raumplanung, des Verkehrswesens, der öffentlichen Sicherheit, der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln oder Energie, der Gesundheit, der Wissenschaft und Forschung, des Denkmalschutzes, der wasserwirtschaftlichen Gesamtplanung und des Bergbaues.
Unter dem - einer Bewilligung bedürfenden - "Vorhaben" im Sinne des § 6 Abs. 1 erster Satz ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf § 5 lit. e NSchG die "Errichtung einer Freileitung" zu verstehen. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 6 Abs. 5 NSchG, auf deren Grundlage der angefochtene Bescheid erging, hängt die Entscheidung somit von Art und Gewicht der von der Errichtung der Freileitung ("einschließlich des Verwendungszweckes"), d.h. von den zur Freileitung gehörenden Anlagen und deren Benutzung, ausgehenden nachteiligen Beeinflussung des Landschaftsbildes bzw. nachteiligen Beeinträchtigung des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum bzw. des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes einerseits und Art und Gewicht der öffentlichen Interessen an den beantragten Maßnahmen im Sinne des § 6 Abs. 5 NSchG (hier: das öffentliche Interesse an der Versorgung der Bevölkerung mit Energie) unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles ab. Mit dem Begriff des "betroffenen Lebensraumes" bzw. des "betroffenen Landschaftsraumes" bezieht sich das Gesetz im vorliegenden Zusammenhang auf jenen Bereich, in dem Auswirkungen des Vorhabens auf den Haushalt der Natur bzw. den Landschaftscharakter festzustellen sind (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 93/10/0187). Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß die von ihr geltend gemachte Verletzung des Parteiengehörs ein im erwähnten Zusammenhang relevantes Thema betroffen hätte; denn es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß Art und Gewicht der von der Freileitung und ihrer Benützung zum Energietransport ausgehenden nachteiligen Beeinflussung des Landschaftsbildes sowie der nachteiligen Beeinträchtigung des Gefüges des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum bzw. des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes in irgendeiner Weise von der "Herkunft" der elektrischen Energie abhängig wären, zu deren Transport die Freileitung dienen soll. Auch die Beschwerde legt nicht dar, in welchem Zusammenhang das von ihr angesprochene Thema mit den Entscheidungsgrundlagen im naturschutzbehördlichen Verfahren, die Gegebenheiten des Landschaftsbildes, des Naturhaushaltes und Landschaftscharakters in dem von Auswirkungen der zur Freileitung gehörenden Anlagen und ihrer Benutzung betroffenen Bereich einerseits und des Interesses der Bevölkerung an der Versorgung mit Energie andererseits umfassen, gestanden wäre.
Die Beschwerde macht somit keine relevante Verletzung des Parteiengehörs geltend, weil das von ihr genannte Thema nicht zum maßgeblichen von der belangten Behörde zu ermittelnden Sachverhalt gehörte.
Auch die Auffassung der Beschwerde, dem Antragsteller fehle die Antragslegitimation, trifft nicht zu. Die Beschwerde begründet diese Auffassung mit der Vorschrift des § 50 Abs. 2 NSchG. Danach sind in einem Antrag Art, Lage, Umfang und Verwendung des Vorhabens anzugeben. Das Eigentum am betroffenen Grundstück ist glaubhaft zu machen. Ist der Antragsteller nicht Grundeigentümer, ist die Zustimmung des Eigentümers zur beantragten Maßnahme schriftlich nachzuweisen, es sei denn, daß auf Grund anderer gesetzlicher Regelungen für die beantragte Maßnahme eine Enteignung oder eine Einräumung von Zwangsrechten möglich ist. Die Beschwerde vertritt unter Hinweis auf § 18 Bundesstarkstromwegegesetz die Auffassung, im Beschwerdefall sei die Erteilung oder Einräumung von Zwangsrechten nicht möglich, weil nach der zitierten Vorschrift "die Enteignung nur für bestehende elektrische Leitungsanlagen zulässig" sei.
Im Beschwerdefall kann auf sich beruhen, ob die in § 50 Abs. 2 NSchG normierten Voraussetzungen als Beleg des Ansuchens, materielle Bewilligungsvoraussetzung oder Zulässigkeitsvoraussetzung zu werten sind und die Beschwerdeführerin aus ihrer Rechtsposition als Formalpartei berechtigt ist, das Fehlen dieser Voraussetzungen geltend zu machen; denn es kann schon die oben dargelegte Auffassung der Beschwerde in der Frage der Einräumung von Zwangsrechten nicht geteilt werden.
Den Vorschriften des Starkstromwegegesetzes (StarkstromwG), BGBl. Nr. 70/1968, unterliegen nach dessen § 1 Abs. 1 elektrische Leitungsanlagen für Starkstrom, die sich - wie hier - auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken.
Nach § 11 Abs. 1 leg. cit. sind jedem, der eine elektrische Leitungsanlage betreiben will, von der Behörde auf Antrag an Grundstücken einschließlich der Privatgewässer, der öffentlichen Straßen und Wege sowie des sonstigen öffentlichen Gutes Leitungsrechte einzuräumen, wenn und soweit dies durch die Bewilligung der Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer elektrischen Leitungsanlage notwendig wird. Dem Antrag ist nach Abs. 2 lit. a nicht zu entsprechen, wenn der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert.
Nach § 18 ist von der Behörde über Antrag die Enteignung für elektrische Leitungsanlagen samt Zubehör einschließlich der Umspann-, Umform- und Schaltanlagen auszusprechen, wenn der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert, sodaß mit den Leitungsrechten nach § 11 ff das Auslangen nicht gefunden werden kann.
Schon aus der einfachen Wortinterpretation der zitierten Vorschriften folgt, daß für die beantragte Maßnahme - die Errichtung und den Betrieb einer elektrischen Leitungsanlage - die Enteignung oder Einräumung von Zwangsrechten im Sinne des § 50 Abs. 2 NSchG unter den in § 11 Abs. 1 bzw. § 18 StarkstromwG normierten Voraussetzungen möglich ist. Es kann nicht davon die Rede sein, daß die zitierten Vorschriften die Enteignung bzw. Einräumung von Leitungsrechten nur für "bestehende Anlagen" vorsähen; damit unterstellt die Beschwerde den Vorschriften einen Inhalt, der im Wortlaut keine Deckung findet und bei dem sie ihren Zweck völlig verfehlen würden.
§ 11 leg. cit. knüpft die Einräumung von Leitungsrechten durch die Behörde - und somit von Zwangsrechten im Sinne des § 50 Abs. 2 NSchG - an die Voraussetzung, daß dies durch die Bewilligung der Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer elektrischen Leitungsanlage notwendig wird. Wenn hingegen mit den Leitungsrechten nach § 11 leg. cit. nicht das Auslangen gefunden werden kann, weil der dauernde Bestand der elektrischen Leitungsanlage an einem bestimmten Ort aus zwingenden technischen Gründen oder mit Rücksicht auf die unverhältnismäßigen Kosten ihrer Verlegung die Enteignung erfordert, ist die Enteignung auszusprechen. Mit keiner anerkannten Auslegungsmethode kann diesen Vorschriften ein Sinngehalt entnommen werden, wonach die Einräumung von Zwangsrechten bzw. die Enteignung "nur für bestehende Anlagen" möglich wäre.
Die Beschwerde vertritt weiters die Auffassung, es hätte "das naturschutzbehördliche Verfahren unter Anwendung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, BGBl. Nr. 697/1993 (UVPG) in Form eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens und von der für die Genehmigung der 380 kV-Leitung zuständigen Behörde durchgeführt" werden müssen. Die in diese Richtung gehende Argumentation der Beschwerde ist wie folgt zusammenzufassen: Für die Republik Österreich sei mit dem Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum die Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) entstanden. Der österreichische Gesetzgeber sei seiner Verpflichtung zur Erlassung eines Ausführungsgesetzes durch die Erlassung des UVPG nachgekommen. Das Gesetz sei jedoch innerstaatlich insofern nicht in Kraft gesetzt worden, als die Vorschriften des zweiten Abschnittes nach § 46 Abs. 3 auf Vorhaben nicht anzuwenden seien, für die ein nach den Verwaltungsvorschriften erforderliches Genehmigungsverfahren bis zum eingeleitet worden ist. Dieser Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtung führe zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 UVP-RL müsse das UVPG so ausgelegt werden, daß dessen § 46 Abs. 3 "keine Relevanz zukommt". Dies habe zur Folge, daß das naturschutzbehördliche Verfahren unter Anwendung des UVPG in Form eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens von der für die Genehmigung der 380 kV-Leitung zuständigen Behörde durchgeführt werden müsse. Dies habe die Unzuständigkeit der belangten Behörde und eine Verletzung der Beschwerdeführerin in Mitwirkungsrechten, die ihr im Falle einer Umweltverträglichkeitsprüfung zugestanden wären, zur Folge. Hilfsweise wird die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin sei in ihrem Recht auf Durchführung eines Verfahrens nach der UVP-RL verletzt.
Im Beschwerdefall kann eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage unterbleiben, ob die der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall durch das NSchG vermittelte Parteistellung die Berechtigung umfaßt, als Rechtswidrigkeit der naturschutzbehördlichen Bewilligung geltend zu machen, es lägen die Voraussetzungen für ein Verfahren nach dem UVPG bzw. der unmittelbaren Wirkung der UVP-RL vor; denn der Verwaltungsgerichtshof teilt die soeben dargelegte Auffassung der Beschwerde nicht.
Die von der Beschwerde unterstellte unmittelbare Wirkung einer im Sinne des Art. 189 Abs. 3 EGV erlassenen Richtlinie setzt nach der Rechtsprechung des EuGH die fehlende oder mangelhafte Umsetzung der Richtlinie durch den Mitgliedstaat, die inhaltliche Unbedingtheit und die hinreichende Bestimmtheit der jeweils im konkreten Konfliktfall in Rede stehenden Regelung der Richtlinie voraus (vgl. z.B. die bei Fischer, Zur unmittelbaren Anwendung von EG-Richtlinien in der öffentlichen Verwaltung, NVwZ 1992, 635, 637 FN 30 bis 38, und Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, 2420, 2423 FN 50 bis 84 zitierte Rechtsprechung des EuGH).
Die inhaltliche Unbedingtheit fehlt, wenn der Eintritt der in einer Richtlinie festgelegten Rechtsfolgen im Ermessen der Mitgliedstaaten steht bzw. von deren gestalterischen Entscheidungen abhängt. Ein solcher Fall liegt hier im Hinblick auf Art. 2 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 der UVP-RL vor (vgl. Fischer, aaO, 637 FN 33; Jarass, aaO, 2423 FN 64).
Art. 4 UVP-RL legt in Verbindung mit den Anhängen I und II fest, welche Projekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind. Nach Art. 4 Abs. 1 werden Projekte der in Anhang 1 aufgeführten Klassen vorbehaltlich des Art. 2 Abs. 3 einer Prüfung gemäß den Art. 5 bis 10 unterzogen. Mit der soeben zitierten Vorschrift wird somit obligatorisch eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte, wie sie im Anhang 1 angeführt werden, angeordnet. Nach Art. 4 Abs. 2 werden Projekte der in Anhang II aufgezählten Klassen einer Prüfung gemäß den Art. 5 bis 10 unterzogen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten insbesondere bestimmte Arten von Projekten, die einer Prüfung zu unterziehen sind, bestimmen oder Kriterien und/oder Schwellenwerte aufstellen, an Hand derer bestimmt werden kann, welche von den Projekten der in Anhang II aufgezählten Klassen einer Prüfung gemäß den Art. 5 bis 10 unterzogen werden sollen. Bei den in Anhang II aufgezählten Projekten bleibt die Entscheidung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist, somit im Sinne des Art. 4 Abs. 2 UVP-RL den Mitgliedstaaten überlassen. Unter den in Anhang II, Projekte nach Art. 4 Abs. 2 aufgezählten Projekten findet sich unter Z. 3 lit. b zweiter Fall die "Beförderung elektrischer Energie über Freileitungen". Das gegenständliche Vorhaben zählt somit zu jenen, bei denen die Richtlinie es der Beurteilung der Mitgliedstaaten überläßt, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Für den vorliegenden Fall kommt somit eine unmittelbare Wirkung jener Vorschriften der Richtlinie, die eine Prüfung nach Art. 5 bis 10 (Umweltverträglichkeitsprüfung) anordnen, nicht in Betracht, weil keine inhaltlich unbedingte Regelung besteht, die dies für den vorliegenden Fall (Beförderung elektrischer Energie über Freileitungen) anordnete, ohne den Mitgliedstaaten einen Entscheidungsspielraum zu eröffnen.
Die in diesem Zusammenhang vorgetragene Argumentation der Beschwerde, im Hinblick auf die Aufnahme des Tatbestandes "Starkstromwege gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG mit einer Spannung über 10 kV" in Anhang 1 Z. 48 UVPG sei von der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung "wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern" (Art. 4 Abs. 2 UVP-RL) auszugehen, verkennt zum einen, daß es nicht vom Inhalt innerstaatlicher Vorschriften abhängt, ob eine bestimmte gemeinschaftsrechtliche Regelung als inhaltlich unbedingt anzusehen ist; denn es ist nicht das Gemeinschaftsrecht an Hand innerstaatlicher Vorschriften, sondern - gegebenenfalls - das innerstaatliche Recht gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Die Aufnahme bestimmter Starkstromwege in den Katalog des Anhanges 1 zum UVPG vermag somit nichts daran zu ändern, daß die UVP-RL es in Ansehung der "Beförderung elektrischer Energie über Freileitungen" durch die Aufzählung im Katalog der Anlage II (Art. 4 Abs. 2) den Mitgliedstaaten überläßt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzusehen. Zum anderen wird übersehen, daß im vorliegenden Fall die unmittelbare Wirkung der UVP-RL auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Umsetzungsverpflichtung nicht in Betracht kommt, weil die Richtlinie die Mitgliedstaaten betreffend die in ihrem Anhang II aufgezählten Projekte nicht zur obligatorischen Anordnung von Umweltverträglichkeitsprüfungen verpflichtet.
In Ansehung der im Anhang II aufgezählten Projekte kann somit umso weniger ein Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtung darin liegen, daß der innerstaatliche Gesetzgeber eines Mitgliedstaates - wie hier durch § 46 Abs. 3 UVPG - Vorhaben unter bestimmten, insbesondere auf den Zeitpunkt von Verfahrenshandlungen abstellenden, Gesichtspunkten von der verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung ausnimmt, wenn ihm durch die Richtlinie - wie im vorliegenden Fall - ein Entscheidungsspielraum in der Richtung eingeräumt ist, Projekte der im Beschwerdefall in Rede stehenden Art gänzlich von der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung auszunehmen.
Soweit sich die Beschwerde im soeben erörterten Zusammenhang auf das NuR 1995, 53 = RdU 1995, 26, beruft, verkennt sie, daß dem dort entschiedenen Fall ein in der Anlage I zur UVP-RL aufgezähltes - und somit dem Regime des Art. 4 Abs. 1 RL unterliegendes - Projekt zugrunde lag. In diesem Fall bestand - anders als im vorliegenden Fall - nach Lage des Gemeinschaftsrechtes kein Entscheidungsspielraum des Mitgliedstaates bei der Anordnung einer Umweltverträglichkeitsprüfung.
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter dem Gesichtspunkt, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, Normen des Gemeinschaftsrechtes, insbesondere Vorschriften der UVP-RL, unmittelbar anzuwenden, liegt somit nicht vor. Dem ist hinzuzufügen, daß für den Standpunkt der Beschwerde selbst dann nichts gewonnen wäre, wenn die Regelungen der Richtlinie betreffend die Umweltverträglichkeitsprüfung (Art. 5 bis 10) im Beschwerdefall unmittelbar anwendbar wären; denn die Richtlinie enthält keine Vorschrift, aus der sich ergäbe, daß der beschwerdeführenden Gemeinde in einem durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren Parteistellung im verfahrensrechtlichen Sinn zukäme oder eingeräumt werden müßte (vgl. auch den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 1956/94). Nach Art. 6 Abs. 1 erster Satz der Richtlinie haben die Staaten u.a. dafür Sorge zu tragen, daß die Behörden, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von dem Projekt berührt sein könnten, die Möglichkeit haben, ihre Stellungnahme zu dem Antrag auf Genehmigung abzugeben. Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich, daß die beschwerdeführende Gemeinde im Verfahren angehört wurde und zum Genehmigungsantrag Stellung nehmen konnte; dies wird in der Beschwerde auch nicht bestritten. Die von der belangten Behörde eingehaltene Vorgangsweise wäre insofern somit auch gemessen an Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie nicht zu beanstanden. Art. 6 Abs. 2 UVP-RL ist in Ansehung des dort verwendeten Begriffes "Öffentlichkeit" nicht in der Weise konkretisiert, daß die beschwerdeführende Gemeinde eine Verletzung der dort normierten Rechte der "Öffentlichkeit" auf Verfahrensbeteiligung mit Erfolg geltend machen könnte.
Ebensowenig kann der Auffassung der Beschwerde gefolgt werden, es läge ein Fall einer zwingenden Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne des UVPG vor, weil die Übergangsvorschrift des § 46 Abs. 3 UVPG im Hinblick auf entgegenstehende gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht anzuwenden wäre. Damit wird das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum innerstaatlichen Recht verkannt. Das der Beschwerde vorschwebende Ergebnis kann zunächst nicht im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation einer innerstaatlichen Norm, im vorliegenden Fall des § 46 Abs. 3 UVPG, gewonnen werden, weil im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation der Regelungsgehalt der innerstaatlichen Vorschrift nicht in sein Gegenteil verkehrt werden darf (vgl. das Slg. 1891, sowie Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, 211 ff).
Ebensowenig könnte sich im Wege eines - hier im übrigen nach dem Gesagten nicht gegebenen - Anwendungsvorranges von Gemeinschaftsrecht die der Beschwerde offenbar vorschwebende Konstellation ergeben, daß ein innerstaatliches Gesetz, das nach seinen Übergangsvorschriften für den konkreten Fall nicht anwendbar ist, im Wege des "Anwendungsvorranges" anwendbar wird. Unter dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes kann nur verstanden werden, daß unter den oben dargelegten Voraussetzungen dessen Regelungen selbst - ungeachtet allenfalls entgegenstehenden innerstaatlichen Rechts - anzuwenden sind, nicht aber, daß innerstaatliches Recht über seinen sachlichen oder zeitlichen Geltungsbereich hinaus anzuwenden wäre. Dies liefe auf eine Anwendung von innerstaatlichem Recht hinaus, das so nicht gesetzt wurde; ein solches Ergebnis kann auch im Falle des Anwendungsvorranges vom Gemeinschaftsrecht nicht gewonnen werden.
Es läßt somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt. Die Beschwerde war gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.