VwGH vom 05.08.1993, 88/14/0060
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom , Zl. 287/3-3/86, betreffend Einkommensteuer 1981, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, Universalerbe nach seinem am verstorbenen Vater, schloß mit seiner Schwester ein Übereinkommen zur Abgeltung ihres Pflichtteilsanspruches ab, auf Grund dessen ihr - neben anderen Vermögenswerten - im Jahr 1981 eine Forstfläche aus dem vererbten Betriebsvermögen übereignet wurde.
Das Finanzamt wertete diesen Vorgang als Entnahme gemäß § 6 Z. 4 EStG 1972 und schätzte den "Entnahmegewinn" des Grundstückes mit S 3,200.000,--. Um diesen Betrag wurden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Beschwerdeführers im Einkommensteuerbescheid 1981 erhöht.
Anläßlich einer im Jahr 1986 durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1981 bis 1983 wurde der durch die Entnahme des betreffenden Waldgrundstückes realisierte Gewinn im wiederaufgenommenen Verfahren mit S 2,130.102,-- ermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Sowohl nach dem Erbschaftssteuergesetz als auch aus zivilrechtlichen Gründen sei die Hingabe einer Liegenschaft durch den Erben zur Abfindung eines Pflichtteilsanspruches ein Erwerb von Todes wegen. Daher erwerbe der Pflichtteilsberechtigte unmittelbar vom Erblasser und nicht vom Erben. Dieser Vorgang sei erbschaftssteuerpflichtig, im Rahmen der Einkommensteuer liege aber weder "Anschaffung" noch "Entnahme" noch "Veräußerung" der Liegenschaft durch den Erben vor. Ein Veräußerungs- oder Entnahmegewinn könne daher bei ihm nicht entstehen.
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Die Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen zähle einkommensteuerlich zum Bereich der Lebensführung. Werde daher ein Pflichtteilsberechtigter durch Betriebsvermögen abgefunden, so liege eine nicht betrieblich veranlaßte Aufwendung bzw. eine Privatentnahme vor. Für die Beurteilung maßgeblich sei nur das Einkommensteuergesetz. Bestimmungen in anderen Gesetzen, wie z. B. im Erbschaftssteuergesetz, seien in diesem Zusammenhang nicht beachtlich.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluß vom , B 1035/87-3, ablehnte. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzte der Beschwerdeführer seine an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde mit Schriftsatz vom und beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der angefochtene Bescheid unterstelle einen Entnahmegewinn, obwohl keine Entnahme im Rechtssinn vorliege. Außerdem sei nicht der Beschwerdeführer, sondern der Erblasser zu besteuern, und zwar nach seinen persönlichen Verhältnissen im Jahr seines Ablebens. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften liege daher darin, daß die Wertverhältnisse zum Todestag und die einkommensteuerlich relevanten Verhältnisse des Erblassers im Jahre seines Ablebens nicht erhoben worden seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zählt der Erwerb von Nachlaßvermögen durch den Erben zur einkommensteuerlich unbeachtlichen Privatsphäre des Erben, auch wenn das Nachlaßvermögen ganz oder zum Teil der Einkunftserzielung dient. Dementsprechend sind Pflichtteilsschulden des Erben jedenfalls außerbetriebliche Verbindlichkeiten; diese beruhen weder ursächlich noch unmittelbar auf Vorgängen, die den Betrieb betreffen, sondern auf dem außerhalb der betrieblichen Sphäre liegenden Erbfall (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/14/0093, und die dort zitierte Rechtsprechung).
Daraus resultiert, daß die Abfindung einer Pflichtteilsschuld aus dem (im Erbweg erworbenen) Betriebsvermögen als Entnahme zu qualifizieren ist. Im vorliegenden Fall bewirkte die Übergabe der Liegenschaft an die pflichtteilsberechtigte Schwester des Beschwerdeführers die Realisierung der stillen Reserven des im Betriebsvermögen des Beschwerdeführers befindlichen Grundstückes. Für die Bewertung maßgeblich ist der Teilwert im Entnahmezeitpunkt, also bei Übergabe des Grundstückes und nicht - wie der Beschwerdeführer meint - im Zeitpunkt des Todes des Erblassers.
Diese einkommensteuerliche Beurteilung ist unabhängig von der erbschaftssteuerlichen Vorgangsweise, weil Einkommensteuer und Erbschaftssteuer unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und infolge dessen unterschiedlich ausgestaltet sind.
Die Erbschaftssteuer knüpft an den Vermögenstransfer auf Grund einer Erbschaft an. Es soll der Bereicherungseffekt von unentgeltlichen Dispositionen der Steuer unterworfen werden.
Die Einkommensteuer hingegen verfolgt den Zweck der abschnittsweisen Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Im betrieblichen Bereich zählen Vermögenswertsteigerungen zum einkommensteuerbaren Bereich und unterliegen daher grundsätzlich der Einkommensteuer. Dem Realisationsprinzip entsprechend werden sie allerdings regelmäßig nicht laufend ermittelt und erfaßt, sondern erst im Zeitpunkt des Ausscheidens des betreffenden Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen.
Im gegenständlichen Fall sind die stillen Reserven (= Wertsteigerungen) zwar zu Lebzeiten des Erblassers entstanden; der Einkommensteuer zu unterziehen waren sie aber erst mit der Entnahme des Wirtschaftsgutes. Da dem Beschwerdeführer bereits mit dem Tod des Erblassers die entsprechenden Einkünfte und damit auch die damit zusammenhängenden Vermögenswerte zuzurechnen waren und die Entnahme des Grundstückes als einkommensteuerlicher Anknüpfungspunkt für die Besteuerung der stillen Reserven durch ihn und nicht durch den Erblasser erfolgt ist, liegt keine Rechtswidrigkeit vor, wenn die belangte Behörde die stillen Reserven beim Beschwerdeführer im Jahr 1981 besteuert hat. Daran ändert - wie bereits erwähnt - der Umstand nichts, daß die Befriedigung des Pflichtteilsanspruches durch den Beschwerdeführer nicht freiwillig, sondern in Erfüllung einer der Privatsphäre zuzurechnenden erbrechtlichen Verpflichtung erfolgte.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.