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VwGH vom 09.10.1991, 88/13/0121

VwGH vom 09.10.1991, 88/13/0121

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. NN in S, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VIII, vom , Zl. 6/4-3044/4/82, betreffend Einkommensteuer 1977 bis 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Einkommensteuer für die Jahre 1978 und 1979 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Architekt. Wohnsitz und Kanzlei befinden sich in S. An diesem Standort betreibt der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehegattin in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch einen Weinbaubetrieb (Beteiligungsverhältnis bis 1975 je 50 %; seit 1976 ist der Beschwerdeführer an der Gesellschaft mit 76 % und seine Ehegattin mit 24 % beteiligt).

In der Zeit von 1977 bis Mitte 1978 war der Beschwerdeführer zusätzlich als Mittelschullehrer an der HTL in K beschäftigt. Seit August 1978 ist er Stadtbaudirektor in B, wo er eine zweite Wohnung unterhält, die ihm von der Stadtgemeinde B für die Dauer des Dienstverhältnisses vermietet wurde.

Ab dem letztgenannten Zeitpunkt ruht seine Tätigkeit als Architekt. Für die Aufarbeitung der noch anhängigen Arbeiten wurde ein Substitut bestellt.

Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1977 bis 1979 wurden verschiedene als Betriebsausgaben und Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen des Beschwerdeführers nicht bzw. nur zum Teil als steuerliche Abzugsposten anerkannt. Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur mehr hinsichtlich der Berücksichtigung von drei Aufwandsgruppen, wobei der Beschwerdepunkt wie folgt formuliert wird:

"Der Beschwerdeführer fühlt sich durch die angefochtene Berufungsentscheidung insoweit in seinen Rechten verletzt, als ihm die Aufwendungen im Zusammenhang von Familienheimfahrten, Beschaffung von Fachliteratur und Aufwendungen für Studienreisen nicht als Betriebsausgaben und Werbungskosten als abzugsfähige Aufwendungen anerkannt wurden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird hier festgehalten, daß die gegenständliche Beschwerde sich nur in diesen drei Punkten gegen die Berufungsentscheidung der belangten Behörde richtet."

Beantragt wird die Aufhebung des im Instanzenzug ergangenen Bescheides betreffend Einkommensteuer 1977 bis 1979 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der für den selben Zeitraum ergangene Bescheid betreffend Umsatzsteuer ist im Hinblick auf den eideutig formulierten Beschwerdepunkt als nicht angefochten anzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. AUFWENDUNGEN IM ZUSAMMENHANG MIT FAMILIENHEIMFAHRTEN:

Der Beschwerdeführer hat als Aufwendungen für Familienheimfahrten Kraftfahrzeugkosten in Höhe der Kilometergelder als Betriebsausgaben geltend gemacht, und zwar für 1978 S. 11.860,20 und für das Jahr 1979 S 19.544,40.

Das Finanzamt hat einen Teil dieser Kosten als Werbungskosten bei den Einkünften des Beschwerdeführers aus nichtselbständiger Arbeit als Stadtbaudirektor berücksichtigt, und zwar für 1978 S 8.320,-- und für 1979 S 15.075,--. Die Aufwandskürzung wurde damit begründet, daß nur die Treibstoff- und (geschätzten) Servicekosten anerkannt werden könnten, weil den übrigen Kraftfahrzeugkosten bereits durch die Berücksichtigung des Kraftfahrzeugpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG 1972 Rechnung getragen worden sei.

Die belangte Behörde versagte den Aufwendungen für Familienheimfahrten zur Gänze die steuerliche Anerkennung, weil dem Beschwerdeführer durchaus eine Verlegung seines Hauptwohnsitzes von S nach B zuzumuten gewesen wäre. Der Weinbaubetrieb sei von der Ehegattin des Beschwerdeführers und einem seiner beiden Söhne bewirtschaftet worden; überdies seien die Einkünfte aus diesem Betrieb im Verhältnis zu den Einkünften des Beschwerdeführers als Stadtbaudirektor von derart untergeordneter Bedeutung, daß sie die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes in S und die steuerliche Berücksichtigung der dadurch verursachten Kosten nicht gerechtfertigt hätten. Weiters dürfe nicht übersehen werden, daß dem Beschwerdeführer in B von Beginn seines Dienstverhältnisses an eine "genügende Wohnung" zur Verfügung gestanden sei. Daß diese Wohnung vom Beschwerdeführer nur "auf Dienstzeit" benützt werden könne, sei unerheblich, weil es ihm auf Grund seiner Einkommensverhältnisse unschwer möglich gewesen wäre, eine passende Wohnung in B für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses zu beschaffen. Daß die Ehegattin des Beschwerdeführers in S verblieben sei, müsse als eine aus privaten Gründen getroffene Entscheidung gewertet werden.

Dem hält der Beschwerdeführer, wie schon im Verwaltungsverfahren, entgegen, daß eine Übersiedlung seiner Familie nach B wegen der Bewirtschaftung des Weinbaubetriebes in S nicht möglich gewesen sei. Außerdem habe seine Ehegattin in S die krebskranke Mutter des Beschwerdeführers betreuen müssen und sei die Wohnung in B (bestehend aus einem Wohnraum, einem Schlafraum, einem Arbeitszimmer und Nebenräumen) für eine vierköpfige Familie zu klein gewesen. Schließlich müsse Berücksichtigung finden, daß der Beschwerdeführer seine Berufsausübungsbefugnis als Architekt nur vorübergehend ruhend gemeldet habe. Es bestehe die Absicht, nach Beendigung der Tätigkeit als Stadtbaudirektor die freiberufliche Tätigkeit als Architekt im "S-Büro" wiederum aufzunehmen.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Zunächst ist festzustellen, daß sich die belangte Behörde mit der Pflegebedürftigkeit der Mutter des Beschwerdeführers und mit der beabsichtigten Wiederaufnahme seiner freiberuflichen Tätigkeit in S im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetz hat. Dies stellt einen Verfahrensmangel dar, der vom Gerichtshof aufzugreifen war, auch wenn er vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich als solcher geltend gemacht wurde. Beide Umstände stellen gewichtige Gründe dar, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers in S zumindest in den Streitjahren 1978 und 1979 sprechen. Der belangten Behörde kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn sie die aus einem Wohnzimmer, einem Schlafraum und einem Arbeitszimmer (dessen berufliche Notwendigkeit sie anerkannte) samt Nebenräumen bestehende Wohnung in B ohne nähere Begründung als "durchaus genügende" Familienwohnung bezeichnet. Die Beschaffung einer weiteren (größeren) Wohnung in B war dem Beschwerdeführer zumindest in den ersten beiden Jahren seiner dortigen nichtselbständigen Erwerbstätigkeit ebenfalls nicht ohne weiteres zumutbar, zumal die Beschaffung, Adaptierung und Einrichtung einer familiengerechten Wohnung erfahrungsgemäß meist einen längeren Zeitraum erfordert. Abgesehen davon sprechen aber auch die für spätere Jahre beabsichtigte Wiederaufnahme der freiberuflichen Architektentätigkeit durch den Beschwerdeführer und die Bewirtschaftung des Weinbaubetriebes in S durch seine Ehegattin und seinen Sohn gegen die Zumutbarkeit einer sofortigen Verlegung des Hauptwohnsitzes von S nach B. Wenn die belangte Behörde ausführt, sie könne keinen "ursächlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Beibehaltung des Wohnsitzes in S und der in B ausgeübten Tätigkeit" erkennen, so verkennt sie vom Grundsätzlichen her die rechtliche Argumentation, die für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für Familienheimfahrten maßgebend ist.

Die BEIBEHALTUNG des Familienwohnsitzes ist nämlich aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlaßt, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, daß derartige Aufwendungen solange als durch die Erwerbstätigkeit veranlaßt gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Das bedeutet aber nicht, daß zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen müßte. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben (dies insbesondere aus der Sicht einer SOFORTIGEN Wohnsitzverlegung), als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines Ehegatten. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nicht schlüssig begründet, warum sie die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe nicht als ausreichend angesehen hat, um die Unzumutbarkeit einer (sofortigen) Verlegung des Familienwohnsitzes nach B darzutun. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in diesem Punkt als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

2. AUFWENDUNGEN FÜR FACHLITERATUR:

Die belangte Behörde hat einen Teil der Aufwendungen für "Fachbücher", die der Beschwerdeführer als Betriebsausgaben geltend gemacht hat, nicht als solche anerkannt, weil es sich dabei ihrer Ansicht nach um allgemein interessierende Literatur handle. Betroffen waren insbesondere Bilderbände über frühchristlich-byzantinische Welt, Südtirol, Bergwelt, Dome, Klöster, Burgen, Versailles, Alhambra, Prag, Spanien, Portugal, Michelangelo, Welt des Islam, Byzanz, Antiquitäten, Knauers Kulturführer und ähnliche.

Der Beschwerdeführer hat die betriebliche Veranlassung für die Anschaffung dieser Werke damit begründet, daß es für ihn als Architekt und Sachverständiger von großer Wichtigkeit sei, seine Kenntnisse durch das Studium solcher Bücher zu erweitern.

Der Gerichtshof teilt jedoch die Auffassung der belangten Behörde, daß derartige Werke nicht nur von Fachleuten einschlägiger Wissensgebiete für ihre berufliche Weiterbildung, sondern von einer Vielzahl kulturell interessierter Personen erworben werden. Es handelt sich dabei um Werke, die der Allgemeinbildung zuzuordnen sind und deren Kosten nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter das Abzugsverbot des § 20 EStG 1972 fallen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 14/0022/81, und vom , Zl. 82/14/0297).

3. AUFWENDUNGEN FÜR STUDIENREISEN:

Die Aufwendungen für Studienreisen wurden von der Abgabenbehörde erster Instanz deswegen nicht als betrieblich veranlaßt angesehen, weil die Reisen weder lehrgangsmäßig organisiert waren noch einen ausschließlichen beruflichen Zweck erkennen ließen.

In der Berufung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, er habe die Reisen unternommen, um sich als Architekt und Sachverständiger für Denkmalschutz, Stadtbildpflege, Städtebau und Landesplanung fortzubilden. Den Großteil der Reisen habe er aus finanziellen Gründen und aus Gründen der Zeiteinteilung mit seinem eigenen PKW unternommen. Auf Befragen teilte der Beschwerdeführer weiters mit, daß ihm die von der Ingenieurkammer angebotenen jährlichen Studienreisen "zu teuer" gewesen seien, sodaß er sie "privat" in Begleitung seiner Ehegattin und in seiner Urlaubszeit durchgeführt habe.

Bezüglich der Studienreisen gelten die obigen Ausführungen zu den steuerlich nicht abzugsfähigen Aufwendungen für bestimmte Fachbücher und Bilderbände analog. Der Beschwerdeführer hat nichts vorgebracht, was seine Studienreisen, die der Besichtigung von Städten und Baulichkeiten dienten, von gleichartigen Reisen unterscheidet, die von vielen kulturell interessierten Personen regelmäßig unternommen werden und typischerweise dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen sind (vgl. das hg. Erkenntis vom , Zl. 1608/76). Weder der Besuch von Fachveranstaltungen noch die Besichtigung von Baulichkeiten, an denen üblicherweise kein allgemeines Interesse besteht, wurde behauptet. Der nicht näher konkretisierte Hinweis in der Beschwerde, dem Beschwerdeführer sei "die berufliche Fortbildung auf vielfachem Sachgebiet eben ein Bedürfnis ..., das ihm nicht abgesprochen werden kann", reicht nicht aus, um eine eindeutige berufliche Veranlassung seiner diversen Studienreisen darzutun.

Die belangte Behörde hat daher den damit verbundenen Aufwendungen zu Recht die steuerliche Abzugsfähigkeit versagt.

Aus den unter Punkt 1 angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid jedoch, soweit er mit Beschwerde bekämpft wurde und die Jahre 1978 und 1979 betrifft, als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Der Ersatz von Stempelgebühren war nur in jener Höhe zuzusprechen, in der Stempelgebühren für Schriftsätze und Beilagen, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten, zu entrichten waren.