VwGH vom 04.06.2003, 97/13/0195
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Karl Katary, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 124, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. GA 15 - 96/1216/04, betreffend Einkommensteuer 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit 1983 als selbständiger Handelsvertreter für die (deutschen) L-Werke tätig. Die L-Werke kündigten das zu Grunde liegende Vertragsverhältnis zum . Als Ausgleichsanspruch gemäß § 24 Handelsvertretergesetz - HVertrG 1993 - erhielt der Beschwerdeführer einen Betrag von 1,745.850 S. In Folge der Kündigung seines Handelsvertretervertrages stellte der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Handelsvertreter ein. In den Beilagen zu seiner Einkommensteuererklärung für 1994 listete er die erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf, wonach sich diese aus einem laufenden Gewinn, einem Übergangsgewinn und einem Veräußerungsgewinn zusammensetzten. Unter dem laufenden Gewinn setzte der Beschwerdeführer die erhaltene Ausgleichszahlung an und beantragte dafür die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 32 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Einkommensteuer 1994 für den Beschwerdeführer im Instanzenzug festgesetzt, ohne auf die in Rede stehende Ausgleichszahlung den ermäßigten Steuersatz nach § 37 EStG 1988 anzuwenden. Bei der Entschädigung, die einem Handelsvertreter gemäß § 25 Handelsvertretergesetz (gemeint: das im Beschwerdefall nicht mehr anzuwendende Handelsvertretergesetz BGBl. Nr. 348/1921) zusteht, handle es sich um die Abgeltung für die dem Geschäftsherrn auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile und damit um ein Entgelt für frühere Vermittlungsleistungen und nicht um eine Entschädigung für die Aufgabe der Tätigkeit. Habe ein Handelsvertreter seinem Geschäftsherrn durch seine Tätigkeit Vorteile verschafft und erhalte er dafür ein Entgelt, so handle es sich um eine Entlohnung für Leistungen, die mit seiner üblichen Tätigkeit als Vertreter verbunden seien, und es mache keinen Unterschied, ob die Entlohnung für bereits vermittelte Geschäfte oder für Vorteile gezahlt werde, die dem Geschäftsherrn erst in der Zukunft zum Nutzen gereichten. Es fehle im Beschwerdefall daher an der von der üblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers klar abgrenzbaren Sondertätigkeit. Unter § 32 EStG 1988 würden nur außergewöhnliche Vorteile fallen, die nicht im normalen Rahmen einer Tätigkeit anfielen. Bei der in Rede stehenden Ausgleichszahlung handle es sich um eine Einnahme aus der bisherigen Tätigkeit, an deren Wesen auch die Tatsache der Einmalzahlung und der Beendigung des Vertragsverhältnisses nichts ändere. Die Bestimmung des § 24 EStG 1988 wolle die im Zuge einer Betriebsaufgabe aufgedeckten stillen Reserven begünstigen und setze einen Gewinn voraus, welcher sich aus der Aufgabe des Betriebes ergebe. Die Ausgleichszahlung, in deren Folge der Betrieb dann eingestellt wurde, könne auch nicht unter diese Bestimmung eingereiht werden, weil es sich nicht um einen besonderen, sich aus der Betriebsaufgabe ergebenden Gewinn handle.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 24 Handelsvertretergesetz - HVertrG 1993 - lautet:
"§ 24. (1) Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührt dem Handelsvertreter ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit
1. er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat,
2. zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann, und
3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
(2) Der Ausgleichsanspruch besteht auch dann, wenn das Vertragsverhältnis durch Tod des Handelsvertreters endet und die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen vorliegen.
(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn
1. der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen seiner Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann, oder
2. der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat oder
3. der Handelsvertreter gemäß einer aus Anlass der Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffenen Vereinbarung mit dem Unternehmer, die Rechte und Pflichten, die er nach dem Vertrag hat, einem Dritten überbindet.
(4) Der Ausgleichsanspruch beträgt mangels einer für den Handelsvertreter günstigeren Vereinbarung höchstens eine Jahresvergütung, die aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre errechnet wird. Hat das Vertragsverhältnis weniger als fünf Jahre gedauert, so ist der Durchschnitt der gesamten Vertragsdauer maßgeblich.
(5) Der Handelsvertreter verliert den Ausgleichsanspruch, wenn er dem Unternehmer nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mitgeteilt hat, dass er seine Rechte geltend macht."
Strittig ist im Beschwerdefall die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des § 37 EStG 1988 auf die in Rede stehende Ausgleichszahlung.
Gemäß § 37 Abs. 1 Z 1 des EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, ermäßigt sich der Steuersatz für außerordentliche Einkünfte (Abs. 2) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittsteuersatzes. Außerordentliche Einkünfte nach § 37 Abs. 2 leg.cit. sind u.a.:
"1. Veräußerungsgewinne im Sinne des § 24, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen sind.
2. Entschädigungen im Sinne des § 32 Z 1, wenn überdies im Fall der lit. a oder b der Zeitraum, für den die Entschädigungen gewährt werden, mindestens sieben Jahre beträgt, sowie Rückzahlungen im Sinne des § 32 Z 3."
Der Beschwerdeführer trägt vor, während seiner Tätigkeit als Handelsvertreter sei ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut "Kundenstock" geschaffen worden, welches bei der Betriebsaufgabe veräußert worden sei. "Durch die Ablösezahlung" habe der Beschwerdeführer den Kundenstock an den bisherigen Geschäftsherrn übertragen und den gesamten Betrieb eingestellt. Der Kundenstock stelle die wesentliche Betriebsgrundlage dar, bei deren Veräußerung eine Betriebsaufgabe zu unterstellen sei. Die im Gesetz geforderten Voraussetzungen, insbesondere der "Siebenjahres-Zeitraum", seien erfüllt, weshalb ein Anwendungsfall des § 37 Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit § 24 EStG 1988 vorliege.
Nach § 24 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 sind Veräußerungsgewinne u.a. die bei der Aufgabe des Betriebes (Teilbetriebes) erzielten Gewinne. Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, dass er in Folge der Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Geschäftsherrn seinen Betrieb aufgegeben hat. Die Aufgabe des Betriebes setzt auf jeden Fall einen einheitlichen Vorgang voraus, durch den zumindest die wesentlichen Grundlagen des Betriebes an dritte Personen oder ins Privatvermögen des Betriebsinhabers übergehen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer III B, Tz 31 zu § 24, Seite 20/1).
Ein Handelsvertreter bewirkt durch seine Tätigkeit nicht den Aufbau eines eigenen Kundenstocks, sondern dieser entsteht beim Unternehmer. Die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer käme es zu einer Übertragung eines Kundenstockes, ist unzutreffend. Aus dem Wortlaut des § 24 HVertrG 1993 ergibt sich, dass der Ausgleichsanspruch nicht ein Entgelt für die Übertragung eines Kundenstocks des Handelsvertreters darstellt, sondern dass der Ausgleichsanspruch in erster Linie künftig entgehende Provisionen des Handelsvertreters abgelten soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0140, VwSlg. 7.243/F). Da es sich beim Ausgleichsanspruch gemäß § 24 HVertrG 1993 nicht um das Entgelt für einen Kundenstock oder ein anderes Wirtschaftsgut handelt, ist der dem Handelsvertreter in Erfüllung des Ausgleichsanspruchs zugekommene Betrag nicht als Erlös aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes anlässlich einer Betriebsaufgabe anzusehen.
Der Beschwerdeführer trägt weiters vor, mit der Bestimmung des § 24 Abs. 1 Z 3 HVertrG 1993, wonach die Ausgleichszahlung insbesondere die dem Handelsvertreter aus dem Geschäft mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen zu berücksichtigen habe, sei klargestellt, dass die Entschädigung, die der Beschwerdeführer erhalten habe, danach zu beurteilen sei und es sich um eine Entschädigung für künftig entgehende Provisionszahlungen handle. Daher sei die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 32 EStG 1988 gegeben.
Soweit der Beschwerdeführer den in Rede stehenden Ausgleichsanspruch damit gleichzeitig als Teil des durch die Betriebsaufgabe entstehenden Veräußerungsgewinnes und als Entschädigung für entgehende Einnahmen sieht, ist er darauf hinzuweisen, dass Entschädigungen im Sinne des § 32 leg. cit. Beträge zur Beseitigung einer bereits eingetretenen oder zur Verhinderung einer drohenden Vermögensminderung sind, nicht jedoch Beträge, die wie bei einer Betriebsveräußerung für eine erbrachte Leistung - die Übereignung der wesentlichen Betriebsgrundlagen - vereinnahmt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0269).
Mit dem Hinweis auf § 32 EStG 1988 übersieht der Beschwerdeführer, dass § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, als außerordentliche Einkünfte, für welche sich der Steuersatz ermäßigt, nur diejenigen Entschädigungen im Sinne des § 32 Z 1 leg.cit. sieht, für die im Fall der lit. a oder b der Zeitraum, für den die Entschädigungen gewährt werden, mindestens sieben Jahre beträgt. Dass es sich bei der in Rede stehenden Ausgleichszahlung um eine Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit handle (§ 32 Z 1 lit. b EStG 1988), behauptet auch der Beschwerdeführer nicht. Vielmehr geht er davon aus, dass es sich bei der in Rede stehenden Ausgleichszahlung um eine Entschädigung als Ersatz für entgehende Einnahmen (§ 32 Z 1 lit. a leg. cit.) handle.
Die Steuerermäßigung des § 37 Abs. 1 in den Fällen der außerordentlichen Einkünfte nach § 37 Abs. 2 Z 2 leg. cit. ist an die Bedingung gebunden, dass der Zeitraum, für den die Entschädigungen gewährt werden, mindestens sieben Jahre beträgt. Deshalb ist diese Begünstigung auf seltene Ausnahmefälle beschränkt (vgl. Doralt, EStG II6, Tz 90 zu § 37).
Die vom Beschwerdeführer als Entschädigung angesprochene Ausgleichszahlung stellt nicht eine Entschädigung als Ersatz für in einem verstrichenen Zeitraum entgangene Einnahmen dar, sondern einen Ausgleich für künftig für höchstens ein Jahr (§ 24 Abs. 4 HVertrG 1993) entgehende Provisionen des Handelsvertreters. Dafür, dass eine vertraglich zulässige günstigere Vereinbarung über eine Vergütung für einen die Siebenjahresfrist des § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 erreichenden Zeitraum vorgelegen wäre, bieten weder das Verwaltungsverfahren noch die Beschwerde einen Hinweis.
Die belangte Behörde durfte die Steuerermäßigung nach der vom Beschwerdeführer angesprochenen Bestimmung des § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 bereits deshalb verweigern, weil die vom Beschwerdeführer als Entschädigung im Sinne des § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 gesehene Ausgleichszahlung nicht für einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren gewährt wurde. Es braucht daher nicht näher geprüft zu werden, ob es sich bei dem in Rede stehenden Ausgleichsanspruch tatsächlich um eine Entschädigung im Sinne des § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 handelt.
Die Beschwerde erweist sich sohin insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am