VwGH vom 15.07.1998, 97/13/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der D Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Günter Schandor, Rechtsanwalt in Wien XII, Wilhelmstraße 54, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl RV/007-06/11/97, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin schloß am mit einer in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Verlagsgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand insbesondere die Herausgabe einer Tageszeitung war, im Rahmen eines Finanzierungskonzeptes folgende Vereinbarung:
"1. Die ... (Beschwerdeführerin) beteiligt sich im Rahmen einer atypischen stillen Gesellschaft an der (Verlagsgesellschaft).
2. Das einzubringende Beteiligungskapital beträgt mindestens öS 10 Millionen und ist gemäß einem noch auszuhandelnden Zahlungsplan in den nächsten 12 Monaten fällig.
3. Die Gesellschafter der ... (Verlagsgesellschaft) werden alles in ihrem Ermessen Stehende dazu tun, daß weitere Großinvestoren als Beteiligungspartner in die ...
(Verlagsgesellschaft) eintreten.
4. Zur Bekräftigung dieser Vereinbarung übernimmt die ... (Beschwerdeführerin) oder ein von ihr namhaft gemachter Dritter eine sofortige Ausfallshaftung gegenüber den die ... (Verlagsgesellschaft) finanzierenden Instituten in Höhe von öS 1 Million."
Am wurde der Vertrag über die atypische stille Gesellschaft abgeschlossen, in dessen Rahmen sich die Beschwerdeführerin zu einer Einlage von S 10 Mio verpflichtete, die innerhalb von acht Tagen nach Zustandekommen des vorliegenden Vertrages einzuzahlen sei. In einer Fußnote wurde festgehalten, daß S 5 Mio (nämlich am ) bereits bezahlt worden seien, S 5 Mio seien binnen acht Tagen zu zahlen (tatsächlich erfolgte die Zahlung im Juli 1991). Da sich bis Mitte 1991 trotz intensiver Suche die zusätzlich erforderlichen Beteiligungsgelder nicht akquirieren ließen, wurde die Herausgabe der Tageszeitung im September 1991 eingestellt.
In ihrer Bilanz zum wies die Beschwerdeführerin eine Rückstellung für "kontrahierte Verluste" aus, wobei über Vorhalt des Finanzamtes bekanntgegeben wurde, daß die Bildung dieser Rückstellung bereits im Jahr 1990 geboten gewesen sei, da es noch vor dem verbindliche Zusagen der Beschwerdeführerin gegeben habe, das betreffende Beteiligungsengagement einzugehen und zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung (der Bilanz 1990) bereits klar gewesen sei, daß dieses Engagement eine Fehlinvestition gewesen sei. Es handle sich daher um eine Rückstellung für nicht nur drohende, sondern gewisse Verluste aus kontrahierten Geschäften.
Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde die Rückstellung nicht anerkannt. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Beschwerdeführerin am eine Vereinbarung über die (künftige) Beteiligung im Rahmen einer atypischen stillen Gesellschaft abgeschlossen habe. Die Vereinbarung von Dezember 1990 sei daher als Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB anzusehen. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, daß sie eine rechtsverbindliche Zusage auf Einbezahlung bis zu S 10 Mio unter dem Titel einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am gegeben habe und daher von einer eindeutigen Verbindlichkeit, die auch einklagbar sei, auszugehen sei, auch wenn die tatsächliche Beteiligung zum Bilanzstichtag noch nicht stattgefunden habe, sei daher verfehlt. Gegenstand der Vereinbarung vom Dezember 1990 sei nämlich lediglich die Verpflichtung zum Abschluß des künftigen Beteiligungsvertrages. Demnach könne lediglich der Abschlußanspruch gerichtlich durchgesetzt werden, aber nicht unmittelbar ein Anspruch auf Leistung von S 10 Mio. Damit sei aber die Verbindlichkeit entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Berufung zum Bilanzstichtag noch nicht entstanden, weshalb auch die Bildung einer Rückstellung in Höhe von S 10 Mio zu diesem Zeitpunkt unzulässig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der Bildung einer Rückstellung handelt es sich um ein Gewinnkorrektivum, das steuerlich nur in der Höhe anzuerkennen ist, in der der Erfolg des betreffenden Wirtschaftsjahres voraussichtlich mit künftigen Ausgaben belastet wird. Voraussetzung für die Bildung einer steuerlich anzuerkennenden Rückstellung in der Bilanz ist stets, daß ein wirtschaftlich die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art ernsthaft droht, also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, oder daß der Aufwand schon sicher und nur der Höhe nach unbestimmt ist. Übersteigt am Bilanzstichtag der Wert der Leistungsverpflichtung aus einem Vertragsverhältnis den Wert der Gegenleistung, droht also aus dem Geschäft ein Verlust, so kann dieser im Wege einer Rückstellung jener Periode zugewiesen werden, in welcher sich die Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung einstellt. Für die Beurteilung, ob eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in der Bilanz anzusetzen ist, sind jene Verhältnisse maßgebend, die am Bilanzstichtag bestanden haben. Zu berücksichtigen sind auch Tatsachen, die objektiv bereits am Bilanzstichtag bestanden haben, dem Steuerpflichtigen jedoch erst zwischen dem Bilanzstichtag und der Bilanzerstellung bekannt geworden sind. Tatsachen, die erst nach dem Bilanzstichtag bekannt geworden sind, können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie am Bilanzstichtag schon bestanden haben. Der nachträgliche Eintritt von Umständen, die am Bilanzstichtag noch nicht vorhanden waren, bleibt bei der Bewertung am Bilanzstichtag außer Ansatz. Somit sind Ereignisse, die nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind und am Bilanzstichtag nicht vorhersehbar waren, nicht zu berücksichtigen (vgl das hg Erkenntnis vom , 93/14/0177, mwN).
Vor diesem Hintergrund ist es aber nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die Bildung der Rückstellung nicht anerkannt hat. Es mag zutreffen, daß zum Zeitpunkt der Erstellung der Bilanz zum bereits bekannt war, daß das im Jahr 1990 - wenn auch verbindlich - nur zugesagte, aber erst im Jahr 1991 eingegangene Beteiligungsengagement der Beschwerdeführerin im Ergebnis eine Fehlinvestition war. Die Beschwerdeführerin behauptet aber selbst nicht, daß sich bereits zum Anhaltspunkte dafür geboten hätten, daß dieses Engagement eine Fehlinvestition werden würde, oder auch nur Zweifel bestanden hätten, daß die im Rahmen des Finanzierungskonzeptes vorgesehenen Mittel nicht aufgebracht werden könnten. Vielmehr wird noch in der Beschwerde betont, daß sich erst Mitte 1991 trotz intensiver Suche die erforderlichen Beteiligungsgelder nicht hätten akquirieren lassen, weshalb letztlich die Tageszeitung im September 1991 hätte eingestellt werden müssen.
Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde mehrfach das Bestehen ihrer Verbindlichkeit auf Grund des Vertrages zum Bilanzstichtag betont, ist darauf hinzuweisen, daß sie damit nicht eine bereits am bestehende Unausgewogenheit zwischen
(zugesagter) Leistungsverpflichtung und korrespondierender (zugesagter) Gegenleistung und insoweit eine Rückstellung berücksichtigt sehen will, sondern einen Teil des zugesagten Geschäftes als solchen (nämlich ihre eigene Leistungsverpflichtung), ohne den diesem Teil zum Bilanzstichtag noch ungemindert gegenüberstehenden Teil des Geschäftes (die Gegenleistung) zu erfassen.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
W i e n , am
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