VwGH vom 05.08.1992, 88/13/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom , Zl. GA 5-2127/85, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Nachforderung von Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1.1.#978 bis zuzüglich Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzeugt und handelt mit Fleischereimaschinen. Er beschäftigt seinen Bruder als Dienstnehmer (Maschinenkonstrukteur) in seinem Betrieb.
Für die Zeit vom bis fand beim Beschwerdeführer eine Lohnsteuerprüfung statt. Der Prüfer beurteilte einen als "Forschungsaufwand" bezeichneten Betrag von S 242.000,-- als Lohn des Bruders des Beschwerdeführers und ermittelte für diesen Betrag eine Lohnsteuer von S 136.286,--, einen Dienstgeberbeitrag von S 12.350,-- sowie einen Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag von S 247,--.
Das Finanzamt erließ einen Haftungs- und Zahlungsbescheid, mit dem unter anderem diese Beträge zuzüglich Säumniszuschlag dem Beschwerdeführer vorgeschrieben wurden.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Bei dem genannten Betrag handle es sich nicht um Arbeitslohn, sondern um durchlaufende Posten. Der Bruder des Beschwerdeführers habe damit Gegenstände für die Forschungstätigkeit im Rahmen des Betriebes des Beschwerdeführers angeschafft. Zum Beweis für dieses Vorbringen wurden zahlreiche, zum Teil allerdings kaum lesbare Kopien von Rechnungen vorgelegt.
Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung in anderen, nicht mehr strittigen Punkten statt, wies sie jedoch insoweit ab, als es den "Forschungsaufwand" nicht als durchlaufenden Posten, sondern als Lohn des Bruders des Beschwerdeführers beurteilte. Die als Verwendungsnachweis vorgelegten Rechnungskopien lauteten größtenteils auf den Beschwerdeführer bzw. auf eine GmbH, die den Betrieb des Beschwerdeführers nach den Beschwerdeausführungen als Rechtsvorgänger geführt hatte, und seien zumeist mit Belegnummern der jeweiligen Firmenbuchhaltung versehen. Als Zahlungsnachweis für den Bruder des Beschwerdeführers seien sie aus diesem Grund nicht geeignet.
Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Daß auf den Rechnungskopien sein Name bzw. die Firma der Vorgänger-GmbH aufscheine, sei darauf zurückzuführen, daß diese Bezeichnungen bei den Lieferanten gespeichert seien. Die Belegnummern hätten mit den jeweiligen Buchhaltungen nichts zu tun. Der Bruder des Beschwerdeführers lasse lediglich alle eingehenden Rechnungen laufend nummerieren. Im übrigen werde dessen Einvernahme beantragt.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid im strittigen Punkt keine Folge. Der Beschwerdeführer habe keinen Nachweis dafür erbracht, daß es sich bei dem als "Forschungsaufwand" bezeichneten Betrag um einen durchlaufenden Posten und nicht um Lohn seines Bruders handle.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 Z. 3 EStG 1972 gehören durchlaufende Gelder nicht zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit. Der Gesetzgeber definiert den Begriff "durchlaufende Gelder" als Beträge, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, um sie für ihn auszugeben. Die belangte Behörde sieht es nicht als erwiesen an, daß der als "Forschungsaufwand" bezeichnete Betrag von S 242.000,-- vom Bruder des Beschwerdeführers für diesen ausgegeben wurde. Sie begründet ihre Entscheidung ausschließlich damit, daß die vorgelegten Rechnungskopien zum größten Teil auf den Beschwerdeführer bzw. die "Firma H" und nicht auf den Bruder des Beschwerdeführers lauteten. Diese Feststellung gibt aber für sich allein keinen Aufschluß darüber, ob der Beschwerdeführer seinem Bruder Geldbeträge gegeben hat, um sie für ihn auszugeben, und ob diese Beträge daher als durchlaufende Gelder im Sinne des § 26 Z. 3 EStG 1972 anzusehen waren oder nicht. Es kann nämlich nicht als ungewöhnlich bezeichnet werden, daß ein Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber beauftragt wird, Geldbeträge für ihn auszugeben, etwa um für den Betrieb benötigte Wirtschaftsgüter anzuschaffen, die entsprechenden Rechnungen nicht auf seinen eigenen Namen, sondern auf den Namen seines Arbeitgebers ausstellen läßt.
Außerdem verkennt die belangte Behörde, daß sie gemäß § 115 BAO verpflichtet ist, den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Diese amtswegige Ermittlungspflicht erschöpft sich keinesfalls darin, festzustellen, daß der Abgabepflichtige den von ihm behaupteten Sachverhalt nicht nachzuweisen vermochte. Vielmehr ist der Abgabenbehörde die gesamte Sachverhaltsermittlung einschließlich Beweisführung auferlegt (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, S 268). Im Beschwerdefall war es mangels anderer ausreichender Beweismittel jedenfalls geboten, den Bruder des Beschwerdeführers als Zeugen darüber einzuvernehmen, ob er den Betrag von S 242.000,-- für seinen Bruder als Arbeitgeber ausgegeben hat und ob sich die vom Beschwerdeführer vorgelegten Rechnungskopien auf diese Ausgaben beziehen.
Außerdem wäre es der belangten Behörde möglich und zumutbar gewesen, Prüfungen in Richtung einer allfälligen Doppelverrechnung der belegten Ausgaben zu veranlassen und sich nicht bloß der Vermutung des Finanzamtes anzuschließen, eine Doppelverrechnung könne nicht ausgeschlossen werden. Eine weitere Möglichkeit, den Sachverhalt aufzuhellen, hätte darin bestanden, Feststellungen über die Tätigkeit und tatsächliche Entlohnung des Bruders zu treffen und solcherart die Angemessenheit der Entlohnung zu überprüfen. Eine unangemessen niedrige Entlohnung wäre Indiz dafür gewesen, den Betrag von S 242.000,-- als zusätzlichen Arbeitslohn anzusehen, sofern nicht durchlaufende Posten eindeutig erwiesen wären.
Die belangte Behörde hat keine der aufgezeigten Möglichkeiten ergriffen, um ihrer Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung nachzukommen. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.