VwGH vom 31.03.1989, 88/08/0188
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig über die Beschwerde der Mag. pharm. H G in T, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in Wien I, Bräunerstraße 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , Zl. 562.082/3-VI/15-1988, betreffend Verlegung einer ärztlichen Hausapotheke in G (mitbeteiligte Partei: Dr. med. W J in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Kärnten das Ansuchen des Mitbeteiligten um Erteilung der Bewilligung zur Führung einer ärztlichen Hausapotheke in G, M-gasse 3, gemäß § 29 Abs. 1 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG), ab.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung.
1.2. Mit Bescheid vom gab der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst dieser Berufung Folge und erteilte dem Mitbeteiligten die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in G an der Ordinationsstätte M-gasse 3. Der Einspruch der Beschwerdeführerin wurde gemäß §§ 29 Abs. 2, 53 und 48 Abs. 2 ApG abgewiesen.
Die bisherige Ordinationsstätte und Stätte der ärztlichen Hausapotheke habe - der Begründung dieses Bescheides zufolge - auf Grund des rechtskräftigen Bescheides des Landeshauptmannes von Kärnten vom an der früheren Adresse G, K-gasse 1, bestanden. Der Mitbeteiligte habe in derselben Ortschaft, geringfügig von dieser Adresse entfernt, ein Haus gebaut und habe seine Ordination nunmehr dort. Aktenkundig sei, daß die Entfernung der vormaligen Ordinationsstätte zur derzeitigen Ordinationsstätte 357 m betrage. Die alte Ordination sei von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke der Beschwerdeführerin in T 4,781 km, die neue Ordination sei 4,712 km entfernt gewesen.
Ändere der Arzt seinen Berufssitz, so erlösche seine Hausapothekenbewilligung; die Möglichkeit einer Verlegung der ärztlichen Hausapotheke sehe das ApG nicht vor. Der Arzt müsse für seine neue Ordinationsstätte neuerdings um Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ansuchen.
Der Begriff "Nachfolger" im § 29 Abs. 2 ApG dürfe nicht im engsten grammatikalischen Sinn verstanden werden, sondern sei nach der logisch-systematischen, der Willens-, bzw. teleologischen Interpretation "nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang" auszulegen.
Sodann heißt es im angefochtenen Bescheid weiter:
"'Nachfolger' im Sinne des § 29 Abs. 2 ApG - jeder Begriff ist im Sinne des jeweiligen Gesetzes auszulegen - ist daher jeder, der die oben angeführten Kriterien für eine Nachfolge (Standortidentität, gleicher Patientenkreis, gleiche Kassenplanstelle) erfüllt, gleichgültig, ob es sich um einen neu zugezogenen Arzt handelt, oder um einen Arzt, der einen neuen Berufssitz gewählt hat. Beide streben die Nachfolge in eine - erloschene - ärztliche Hausapotheke an.
In Beachtung der allgemein gültigen Rechtsgrundsätze erscheint diese Auslegung der zitierten Gesetzesbestimmung die einzig sinnvolle.
Wenn schließlich eingewendet wird, daß eine solche 'gewaltsame' Umdeutung eines allgemein verständlichen Wortes der Umgangssprache - 'Nachfolger' - unzulässig sei, darf auf das wohl bekannteste Beispiel des Auseinanderklaffens der Umgangssprache und der juristischen Terminologie verwiesen werden, daß nämlich ein toter Hase eine 'bewegliche Sache' (im Rechtssinn) und ein lebender Hase eine 'unbewegliche Sache' (im Rechtssinn) ist."
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtbewilligung einer ärztlichen Hausapotheke des Mitbeteiligten sowie auf ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren verletzt.
Nach dem eindeutigen und klaren Wortlaut des § 29 Abs. 2 ApG könne als "Nachfolger" sowohl im Sinne des ApG als auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der eigentümlichen Bedeutung des Wortes in seinem Zusammenhang nur eine von der Person des ursprünglichen Bewilligungsinhabers verschiedene Person verstanden werden. Die belangte Behörde gehe daher zu Unrecht davon aus, daß eine Nachfolge gemäß § 29 Abs. 2 ApG bei gegebener Personenidentität bereits dann gegeben sei, wenn Standortidentität, Identität des Patientenkreises sowie der Kassenplanstelle gegeben seien.
Eine extensive Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 29 Abs. 2 ApG sei unzulässig.
Jede Verlegung des ärztlichen Berufssitzes habe das Erlöschen der für den früheren Berufssitz erteilten Hausapothekenbewilligung zur Folge; für den neuen Berufssitz sei um Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke anzusuchen; dabei müsse stets die Voraussetzung des § 29 Abs. 1 ApG geprüft werden; bei einer nicht mehr als 6 Straßenkilometer betragenden Entfernung von der öffentlichen Apotheke wäre die Hausapothekenbewilligung zu versagen gewesen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 29 Abs. 1 bis 4 ApG lautet:
"(1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.
(2) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist auf Antrag dem Nachfolger eines praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung zu erteilen, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometer beträgt.
(3) Verlegt ein praktischer Arzt seinen Berufssitz in eine andere Ortschaft, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.
(4) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet."
Artikel III Abs. 2 der Apothekengesetz-Novelle 1984, BGBl. Nr. 502/1984, lautet:
(2) Die beim Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes rechtskräftig erteilten Bewilligungen zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bleiben weiterhin aufrecht. Eine solche Bewilligung erlischt, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz dieses Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet, mit dem Zeitpunkt, in dem der Arzt die Bewilligung zurücklegt oder seine ärztliche Berufsausübung aufgibt."
2.2. § 29 Abs. 2 ApG, der von der Nachfolge des hausapothekenführenden Arztes handelt, trifft auf den vorliegenden Fall der Verlegung des Ordinationssitzes und der ärztlichen Hausapotheke durch ein und denselben Arzt nicht zu.
Die Bestimmung des § 29 Abs. 3 ApG, daß die Hausapothekenbewilligung bei Verlegung des Berufssitzes des Arztes (d.i. des Ordinationssitzes, der zugleich Betriebsstätte der Hausapotheke sein muß) in eine andere Ortschaft erlischt, ist nicht als überflüssige Erwähnung, sondern als normativ sinnvolle Gesetzesbestimmung zu deuten. Aus § 29 Abs. 3 ApG folgt daher e contrario, daß die Ärzte ihren Ordinationssitz und damit die Betriebsstätte ihrer Hausapotheke innerhalb derselben Ortschaft bewilligungsfrei verlegen können, soferne sie - und dies ergibt sich aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung mit § 29 Abs. 1 und 4 leg.cit. sowie Art. III Abs. 2 ApGNov 1984 - die für sie konkret in Betracht kommende Entfernung von 6 bzw. 4 Straßenkilometern von der nächsten öffentlichen Apotheke nicht unterschreiten. Die zuletzt gemachte Einschränkung stellt eine teleologische Reduktion des Ergebnisses des e-contrario-Schlusses aus § 29 Abs. 3 ApG dar, da anderenfalls die Entfernungsregel (6 Straßenkilometer oder 4 Straßenkilometer bei Übergangsfällen oder bei den Fällen des § 29 Abs. 4 ApG) durch jede Verlegung innerhalb der Ortschaft unterlaufen werden könnte.
Da die Entfernung der sich innerhalb der 4-bis-6 Straßenkilometer-Zone von der öffentlichen Apotheke der Beschwerdeführerin befindliche Hausapotheke auch nach der Verlegung mehr als 4 km von der öffentlichen Apotheke beträgt, war die bewilligungsfreie Verlegung zulässig. Durch die erfolgte Bewilligung ist jedenfalls die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt worden.
2.3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am