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VwGH vom 16.01.1990, 88/08/0110

VwGH vom 16.01.1990, 88/08/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte

Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Sauberer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 123.215/4-7/87, betreffend Versicherungspflicht in der Unfallversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer als Pächter bzw. Mitpächter des Eigenjagdgebietes S, gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 BSVG in der Unfallversicherung pflichtversichert sei und für die Zeit vom bis monatlich S 74,-- und in der Zeit ab monatlich S 77,-- zu entrichten habe.

In dem dagegen eingebrachten Einspruch gab der Beschwerdeführer an, daß er seit Jahren Jagdleiter der Jagdgesellschaft E sei. Diese Jagdgesellschaft habe drei Jagdgebiete gepachtet, und zwar die Genossenschaftsjagd E, die S und die W. Hinsichtlich der gemeinsamen Bewirtschaftung aller drei Jagdgebiete zusammen zeichne der Beschwerdeführer selbst als Obmann. Alle drei Jagdgebiete stellten einen einzigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 5 Landarbeitsgesetz dar. Hinsichtlich der Feststellung der Unfallversicherung nach § 3 BSVG sei ein einziger Jagdbetrieb in die Pflichtversicherung der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen. Der Beschwerdeführer bezahle bereits Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung für die Jagdgebiete der Genossenschaftsjagd E und der W.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom wurde dem Einspruch Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, daß als Betrieb jede Arbeitsstätte gelte, die eine organisatorische Einheit bilde, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolge, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht bestehe. Im vorliegenden Fall sei also zu prüfen, ob die S mit der Genossenschaftsjagd E und der W eine organisatorische Einheit bilde. Entscheidend sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Jagd von einem Wirtschaftsführer im Auftrag des Jagdberechtigten geleitet werde. Die Genossenschaftsjagd E, die W und die S bildeten ein einheitliches geschlossenes Jagdgebiet. Futtermittel würden gemeinsam eingekauft und das Wildbret würde gemeinsam verwertet. Es bestehe auch gemeinsame Kassa- und Buchführung sowie eine gemeinsame Wildfütterung. Der Beschwerdeführer sei zwar nicht Alleinpächter, aber Jagdleiter in allen drei Jagdgebieten.

Gegen diesen Bescheid brachte die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern Berufung ein. Im wesentlichen wurde vorgebracht, ein Vertrag nach außen hin, wonach die Jagdgesellschaft S und die Jagdgesellschaft E und W ihre zur Verfügung stehenden Gebiete in eine einzige Gesellschaft einbrächten, sodaß rechtlich ein Betrieb geschaffen werden könne, sei bisher weder behauptet noch nachgewiesen worden. Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe es unterlassen, den Rechtsgrund zu ermitteln, warum beide Gesellschaften für sämtliche Jagdgebiete nach außen hin auf gemeinsame Rechnung und Gefahr hafteten.

Mit Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, der Landeshauptmann von Oberösterreich habe aufgrund des vom Beschwerdeführer erhobenen Einspruchs gegen den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern diesen Bescheid behoben, es jedoch unterlassen, eine entsprechende Entscheidung über die Frage der Versicherungspflicht bzw. die Beitragspflicht in den Spruch des Bescheides aufzunehmen. Da in den Spruch des Bescheides eine Entscheidung über die Frage der Versicherungspflicht aufzunehmen gewesen wäre und die Begründung nicht zur Ergänzung des Spruches herangezogen werden könne, sei der angefochtene Bescheid aufzuheben gewesen. Für das weitere Verfahren sei zu erwähnen, daß die Berufungsbehörde angesichts der von ihr eingeholten Jagdpachtverträge für die Reviere "E", "W" und "S" die in der Begründung des aufgehobenen Bescheides vertretene Ansicht, der Beschwerdeführer übe die Jagdrechte in diesem Revier im Rahmen eines einheitlichen Betriebes aus, nicht zu teilen vermöge. Aus diesen Verträgen gehe nämlich hervor, daß das Jagdrecht im Revier "S" nicht von denselben Personen wie das Jagdrecht in den Revieren "E und "W" gepachtet worden sei. Aufgrund dieses Umstandes sei die Berufungsbehörde - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, nach dem Außenverhältnis zu beurteilen sei - der Ansicht, daß die Annahme eines einheitlichen Betriebes nicht berechtigt sei.

In der Folge erging der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , mit dem dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom Folge gegeben und festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer als Mitpächter (Jagdleiter) des Eigenjagdgebietes S, keiner gesonderten Versicherungspflicht in der Unfallversicherung gemäß § 3 BSVG unterliege und daher auch nicht verpflichtet sei, die für die Zeit ab vorgeschriebenen Unfallversicherungsbeiträge zu zahlen.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern Berufung, der mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom Folge gegeben wurde. Es wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer in der Zeit seit dem auf Grund seiner Beteiligung an der Führung des Jagdbetriebes im Jagdgebiet "S" neben einer auf Grund des Jagdbetriebes in anderen Jagdgebieten bestehenden Versicherungspflicht gesondert der Versicherungspflicht in der Unfallversicherung gemäß § 3 Abs. 1 BSVG unterliege. Nach Ansicht der belangten Behörde liege ein einheitlicher Betrieb nur dann vor, wenn aus der Betriebsführung nach dem Außenverhältnis jeweils dieselbe Person oder dieselben Personen berechtigt und verpflichtet würden. Da die Jagdrechte im Revier "S" neben dem Beschwerdeführer von anderen Personen als die Jagdrechte in den Revieren "E" und "W" gepachtet worden seien, aus der Führung des Jagdbetriebes im Revier "S" daher neben dem Beschwerdeführer andere Personen berechtigt und verpflichtet würden als aus der Führung des Jagdgebietes in den Revieren "E" und "W", liege schon aus diesem Grund kein einheitlicher Betrieb vor. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer auf Grund seiner Beteiligung am Jagdbetrieb im Jagdbetrieb "S" gesondert der Versicherungspflicht unterliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm jedoch, ebenso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzustellen, daß der Verwaltungsgerichtshof in einhelliger Rechtsprechung erkannt hat, daß die Berufungsbehörde - und damit auch der Verwaltungsgerichtshof - nicht an die nicht die Aufhebung des Bescheides tragenden Teile der Begründung eines Bescheides gebunden ist (vgl. u.a. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 10.796/A). Die Ausführungen im Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom zum Vorliegen eines einheitlichen Betriebes gehören nicht zu dem die Aufhebung tragenden Teil der Begründung, da der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom deshalb behoben wurde, weil in diesem Bescheid eine Entscheidung über die Frage der Versicherungspflicht bzw. der Beitragspflicht nicht in den Spruch aufgenommen worden war. Eine Bindung an die im Bescheid der belangten Behörde vom geäußerte Rechtsansicht zum Vorliegen eines einheitlichen Betriebes ist daher nicht gegeben.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, daß der Beschwerdeführer grundsätzlich der Unfallversicherungspflicht nach § 3 Abs. 2 BSVG unterliegt. Strittig ist aber, ob eine einheitliche Betriebsführung vorliegt und daher keine mehrfache, sondern nur eine einzige Unfallversicherungspflicht besteht.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer und J seien Pächter der Genossenschaftsjagd E und der W der Österreichischen Bundesforste. Der Beschwerdeführer sei außerdem gemeinsam mit R und H Pächter der S. Der Beschwerdeführer, J, R und H hätten sich zur "Jagdgesellschaft" E zusammengeschlossen und hafteten gemeinsam für Verbindlichkeiten, Jagdschäden etc. Die Verpächter der genannten Jagdgebiete hätten bestätigt, daß die Jagdgesellschaft E mit ihrem Obmann (dem Beschwerdeführer) schon seit 1976 für alle Verbindlichkeiten, Verpflichtungen und allfällige Schäden hafte. Die Genossenschaftsjagd E, die W und die S bildeten ein einheitliches geschlossenes Jagdgebiet. Die Futtermittel würden gemeinsam eingekauft. Das Wildbret würde gemeinsam verwertet. Es bestünde auch eine gemeinsame Kassa- und Buchführung sowie eine gemeinsame Wildfütterung. Die Jagdgesellschaft E sei vom zuständigen Finanzamt unter einer einzigen Steuernummer erfaßt. Der Beschwerdeführer sei der Jagdleiter in allen drei Jagdgebieten.

Dieser Sachverhalt wurde in der Berufung der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt der Bauern nur insofern bestritten, als nach der Überzeugung der Anstalt die Gesellschafter des Jagdgebietes S nicht für die "Geschäftigkeit" der Jagdgesellschaft E hafteten und umgekehrt. Ein Vertrag nach außen hin, mit dem diese Berechtigung und Verpflichtung übertragen worden sei, sei nämlich bisher weder behauptet noch nachgewiesen worden.

Zu dieser Frage führte die belangte Behörde aus, das Verfahren und insbesondere das Vorbringen des Beschwerdeführers habe keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die Pächter die ihnen aus den Pachtverträgen erwachsenen Rechte und Pflichten auf andere Personen übertragen hätten, wozu im übrigen nach den Pachtverträgen die Zustimmung der Verpächter erforderlich gewesen sei.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes trifft diese Feststellung aber nicht zu. Vielmehr hat der Beschwerdeführer ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Jagdbetrieb von allen Jagdberechtigten in allen drei Jagdgebieten gemeinsam ausgeübt und auch das gemeinsam erlegte Wild aus einer Jagdkasse verwertet werde. Überdies legte er im Verfahren vor dem Landeshauptmann eine Niederschrift, aufgenommen im Gemeindeamt E am , vor, wonach der Beschwerdeführer, J, R, und H übereinstimmend erklärten, "daß auf Grund mündlich getroffener Vereinbarung die 'Jagdgesellschaft E', die Revierteile S, W und die Genossenschaftsjagd E gemeinsam bejagt und bewirtschaftet werden und auch gemeinsam gehaftet wird. Diese Vereinbarung gilt bereits seit und hat sich seit dem Neuabschluß des Gesellschaftsvertrages vom keine Änderung ergeben".

Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers und dieser vorgelegten Niederschrift bestand für die belangte Behörde sehr wohl ein Anhaltspunkt für die Übertragung der aus den Pachtverträgen erwachsenen Rechte und Pflichten durch die Pächter.

Die belangte Behörde hätte sich mit diesem Vorbringen und der Niederschrift auseinandersetzen müssen. Sie hätte vor dem Hintergrund der ab anzuwendenden jagdrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 30 OÖ Jagdgesetz) prüfen müssen, ob es sich bei der laut Niederschrift vom getroffenen mündlichen Vereinbarung um eine zulässige und wirksame Gestaltungsform gehandelt hat, auf deren Grundlage allen Jagdausübungsberechtigten gemeinsam Berechtigungen und Verpflichtungen zukamen und eine organisatorische Einheit des Jagdbetriebes dieser Jagdgesellschaften begründet wurde.

Da die belangte Behörde diese erforderliche Auseinandersetzung unterlassen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.