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VwGH vom 23.01.1996, 95/08/0206

VwGH vom 23.01.1996, 95/08/0206

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der R in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom , Zl. 120.724/2-6a/95, betreffend Versicherungspflicht in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wien V, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verfassungsgerichtshof "zur Überprüfung" abzutreten, wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin jedenfalls ab der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 Z. 6 GSVG unterliege. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin den Wiederbetrieb ihrer Gewerbeberechtigung ab dem im Spruch genannten Zeitpunkt angezeigt. Sie sei daher Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich. Aus diesem Grund unterliege sie ab dem Zeitpunkt der Anzeige des Wiederbetriebes der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG. Es sei rechtlich nicht von Bedeutung, aus welchen Beweggründen und zu welchem Zweck die Kammermitgliedschaft angestrebt werde, weil für den Eintritt der Pflichtversicherung ausschließlich der Bestand der Kammermitgliedschaft maßgeblich sei. Für das Vorliegen der Pflichtversicherung sei auch unerheblich, ob aus der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit Einkünfte erzielt würden bzw. wie hoch diese seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG sind aufgrund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 GSVG sind von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung Personen ausgenommen, die das Ruhen ihres Gewerbebetriebes bzw. ihrer Befugnis zur Ausübung der die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründenden Erwerbstätigkeit angezeigt haben, für die Dauer des Ruhens.

Nach § 6 Abs. 3 Z. 6 leg. cit. beginnt die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mit dem Tag nach Wegfall eines Ausnahmegrundes.

Gemäß § 3 Abs. 2 des Handelskammergesetzes, BGBl. Nr. 182/1946, sind Mitglieder jeder Kammer der gewerblichen Wirtschaft alle physischen und juristischen Personen sowie offenen Handelsgesellschaften (Kommanditgesellschaften), die zum selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs und des Fremdenverkehrs berechtigt sind.

Die Kammermitgliedschaft hängt demnach von der Berechtigung zum selbständigen Betrieb der eben genannten Unternehmungen, nicht aber von der Ausübung dieser Berechtigung selbst oder von der tatsächlichen Erfassung der Kammermitgliedschaft durch die Kammern ab (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0210, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Von der Beschwerdeführerin werden die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Es ist daher davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin eine Wiederbetriebsanzeige ihrer seit ruhend gewesenen Gewerbeberechtigung lautend auf Erzeugung kunstgewerblicher Gegenstände aus Gips, Holz, Stoff, Wolle, Metall, Federn, Trockenblumen, Glas, Steine, diverse Kunststoffe, Stroh, Ton und Naturblumen in einem näher bezeichneten Standort erstattet hat.

Der Bestand der Pflichtversicherung wird grundsätzlich an die Kammermitgliedschaft gebunden. Da die Kammermitgliedschaft ihrerseits wieder an die Berechtigung zur Ausübung der betreffenden selbständigen Erwerbstätigkeit geknüpft ist, hängt der Bestand der Pflichtversicherung letztlich von der Berechtigung zur Ausübung der entsprechenden selbständigen Erwerbstätigkeit ab. Als Mitglied der Wirtschaftskammer unterliegt die Beschwerdeführerin daher nach den genannten Bestimmungen der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG.

Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, daß sie wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe "vollsozialversichert" sei (gemeint: die entsprechenden Zeiten im Bereich der Pensionsversicherung gemäß § 227 Abs. 1 Z. 5 ASVG als Ersatzzeiten gelten), weshalb es nicht dem Gesetz entsprechen könne, daß sie daneben aufgrund ihrer Wiederbetriebsanzeige nochmals nach den Bestimmungen des GSVG Pensionsversicherungsbeiträge zu bezahlen habe, so ist ihr zu erwidern, daß nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes der Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe keinen Ausnahmegrund nach dem GSVG darstellt.

§ 1 GSVG setzt keine auf Gewinn oder auch nur Einnahmenerzielung gerichtete Tätigkeit voraus (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 81/08/0115). Ob die Beschwerdeführerin daher ihren Erwerb gar nicht aus ihrer Gewerbeberechtigung zieht, oder allfällige Einkünfte daraus unter der sogenannten Geringfügigkeitsgrenze liegen, ist daher für ihre Versicherungspflicht ohne Bedeutung.

Jede versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit führt nach der bestehenden Gesetzeslage grundsätzlich zu einer Versicherungs- und damit Beitragspflicht in jenem System, das aufgrund der einzelnen Tätigkeiten sachlich hiefür in Betracht kommt (vgl. dazu etwa die Ausführungen zu den §§ 2 und 4 GSVG bei Teschner-Widlar, Die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen).

Ob der Gesetzgeber beim Zusammentreffen zweier oder mehrerer versicherungspflichtiger Beschäftigungen eine Mehrfachversicherung vorsieht oder ob er nach dem Grundsatz der Subsidiarität bei Bestehen einer Pflichtversicherung in einem anderen Versicherungszweig die Ausnahme von der Pflichtversicherung normiert, liegt in seinem Ermessen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0174; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Mehrfachversicherung vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0155, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).

Die Pflichtversicherung tritt kraft Gesetzes mit der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes ein und begründet die Anwartschaft auf Versicherungsleistungen. Ob und in welchem Umfang tatsächlich Ansprüche auf Versicherungsleistungen entstehen, hat keinen Einfluß auf die Frage des Zustandekommens der Pflichtversicherung, sondern hängt vom Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalles und der Erfüllung allfälliger weiterer vom Gesetz normierter Leistungsvoraussetzungen ab (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 86/08/0153). Aus der sachlich abgegrenzten Riskengemeinschaft ergibt sich, daß in Kauf genommen werden muß, daß es in manchen Fällen trotz Bestehens der Versicherungspflicht zu keinem Rentenanfall kommt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0115, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Soweit die Beschwerdeführerin die Verfassungsmäßigkeit der "bezughabenden Bestimmungen" des GSVG sowie des Handelskammergesetzes in Zweifel zieht, ist zu sagen, daß gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG keine Bedenken bestehen. Die Anknüpfung an das Formalerfordernis der Kammermitgliedschaft bzw. der Gewerbeberechtigung erscheint sachlich gerechtfertigt und verstößt damit nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (vgl. schon OLG Wien vom , SV-Slg. 28.357). Inwieweit die Pflichtmitgliedschaft zur Handelskammer gegen das die körperliche Bewegungsfreiheit schützende Grundrecht auf persönliche Freiheit oder das Verbot von Zwangs- und Pflichtarbeit verstoßen soll, ist nicht ersichtlich.

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung nach dem GSVG bejaht hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen war.

Der Antrag, die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abzutreten, mußte mangels Rechtsgrundlage zurückgewiesen werden.

Wird die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne Einleitung des Vorverfahrens als unbegründet abgewiesen, dann erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag (hier zur Zl. AW 95/08/0048), dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.