VwGH vom 26.05.1992, 88/05/0211

VwGH vom 26.05.1992, 88/05/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und den Vizepräsidenten Dr. Jabloner sowie die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde 1. des J U und 2. der I U in K, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der nunmehr durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, vertretenen Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. I/6-WB-20/172.778/15-88, betreffend die Gewährung einer Wohnbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Der Erstbeschwerdeführer J U stellte - unter Verwendung eines Formulars - einen am protokollierten Antrag an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung auf Gewährung einer Wohnbeihilfe nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1984. Die Spalte "Einkommensnachweise" füllte er dahingehend aus, daß sein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1985 und jener der I U für das Jahr 1987 bereits bei der Behörde auflägen. Spätere Einkommensteuerbescheide wären nach einer Anmerkung des Erstbeschwerdeführers zum Zeitpunkt der Antragstellung an die belangte Behörde nicht vorgelegen. Beigelegt wurden dem Antrag die genannten Einkommensteuerbescheide. Der Bescheid für den Erstbeschwerdeführer weist ein zu versteuerndes Einkommen von S 205.005,-- und eine zu entrichtende Steuer von S 49.250,-- auf, jener der Zweitbeschwerdeführerin einen Minusbetrag von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von S 62.322,-- und eine Abgabenschuld von S 0,00.

Mit dem angefochtenen Bescheid gewährte die Niederösterreichische Landesregierung gemäß § 36 Abs. 1 des Wohnbauförderungsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 482, und der NÖ Wohnbeihilfenverordnung 1985, LGBl. 8303/3-0, für die Dauer eines Jahres vom bis eine Wohnbeihilfe in der Höhe von monatlich S 1.887,--.

Nach der Begründung dieses Bescheides errechnete sich die Wohnbeihilfe wie folgt:

1. a) Familiengröße 5 Personen

b) durchschnittl. Familieneinkommen der letzten

drei Monate S 12.980,--

2. Monatlicher Wohnungsaufwand für:

a) die tatsächliche Nutzfläche (130 m2) S 3.288.--

b) die angemessene Nutzfläche ( 90 m2) S 2.276,--

abzüglich zumutbaren Wohnungs-

aufwand (gemäß Tabelle 2) S 389,--

3. Wohnbeihilfe daher S 1.887,--

Mit Schreiben vom - also bereits nach Erlassung des angefochtenen Bescheides - wandten sich die Beschwerdeführer an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und verlangten eine Berichtigung des "Familieneinkommens und damit zusammenhängend Erhöhung der Wohnbeihilfe". Laut Aktenvermerk vom wurde die Rechtslage mit den Beschwerdeführern besprochen und seitens der belangten Behörde erklärt, daß kraft der gesetzlichen Bestimmungen das Minuseinkommen der Zweitbeschwerdeführerin keine Verminderung des der Wohnbeihilfenberechnung zugrunde gelegten Einkommens bewirken könne.

Gegen den Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine mangelhafte Begründung und die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und durch ihren Vertreter eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 36 Abs. 1 des gemäß Art. II Abs. 1 Z. 1 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 640/1987 als Landesgesetz geltenden Wohnbauförderungsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 482, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 340/1987, sieht insbesondere vor, daß das Land auf Antrag mit Bescheid Wohnbeihilfe zum Wohnungsaufwand für Eigenheime, für zum Eigentumserwerb bestimmte, in verdichteter Flachbauweise errichtete Wohnungen, für Eigentumswohnungen und für Wohnungen mit Kaufanwartschaft bis zum Ausmaß der Wohnbeihilfe gemäß § 32 gewähren kann. Als Wohnungsaufwand gelten nach allfälligen Rückzahlungsraten für gewährte Zuschüsse die für die Rückzahlung der zur Errichtung des Objektes aufgenommenen Darlehen erforderlichen Beträge, wobei das Land anrechenbare Obergrenzen festsetzen kann. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung werden nähere Bestimmungen durch Verordnung getroffen. Die auf dieser gesetzlichen Grundlage ergangene NÖ Wohnbeihilfenverordnung 1985, LGBl. 8303/3-0, sieht unter anderem in ihrem § 5 Abs. 1 vor, daß als zumutbarer Wohnungsaufwand jener Prozentsatz des monatlichen Familieneinkommens gilt, der sich auf Grund der Haushaltsgröße aus der in einer Anlage enthaltenen Tabelle ergibt.

Der für die Bemessung wesentliche Begriff "Familieneinkommen" ergibt sich aus den "Begriffsbestimmungen" im § 2 Z. 10 und Z. 11 WFG 1984. Demnach gilt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"10.
als Einkommen das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 440, vermehrt um die bei der Einkommensermittlung abgezogenen Beträge gemäß den §§ 11 und 18 Abs. 1 Z. 4 und 8 EStG 1972 und die steuerfreien Einkünfte gemäß § 3 Z. 14 und 14 a EStG 1972 und vermindert um die bei der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigten außergewöhnlichen Belastungen gemäß den §§ 34 und 106 EStG 1972 und um die Einkommensteuer;
11.
als Familieneinkommen die Summe der Einkommen des Förderungswerbers oder Mieters und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen mit Ausnahme von im Haushalt beschäftigten Arbeitnehmern und angestelltem Pflegepersonal;"

Die Beschwerde wird mit der Erwägung begründet, daß die Behörde bei der Berechnung des monatlichen Familieneinkommens vom Einkommen beider Beschwerdeführer auszugehen gehabt hätte. Die belangte Behörde habe aber das "Negativeinkommen" der Beschwerdeführerin I U von S 62.322,-- nicht berücksichtigt, sondern sei ausschließlich vom Alleineinkommen des Beschwerdeführers J U ausgegangen. Unter Berücksichtigung des Verlustes von I U ergäbe sich aus der von der belangten Behörde angenommenen Jahresberechnungsbasis von S 155.755,-- ein Abzug von S 62.322,-- und sohin ein Jahreseinkommen von S 93.433,-- bzw. ein monatliches Familieneinkommen für die letzten drei Jahre von je S 7.786,--. Lege man diese Berechnungsgrundlage der Ermittlung der Wohnbeihilfe zugrunde, so hätte die belangte Behörde S 311,-- bzw. S 3.732,-- jährlich zuwenig an Wohnbeihilfe zuerkannt. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides gehe nicht hervor, warum man auf das Negativeinkommen nicht Bedacht genommen habe. Die belangte Behörde hätte entweder den Antrag - soweit er die bei "richtiger" Berechnung ergebende Differenz betrifft - förmlich abweisen oder in der Begründung entsprechend darauf Bedacht nehmen müssen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beschwerde begründet. Wenn in der Begriffsbestimmung des § 2 Z. 10 WFG 1984 zur Bestimmung des Begriffes "Einkommen" im Sinne dieses Bundesgesetzes der Begriff "Einkommen" nach § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1972 übernommen wird, so ist von der Bestimmung dieses Begriffes im Einkommensteuergesetz auszugehen: Demnach wird unter "Einkommen" der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 dieser Bestimmung bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben und nach Abzug der Sonderausgaben verstanden. Der Gesetzgeber des WFG 1984 hat durch ausdrückliche Anordnung zum Ausdruck gebracht, inwieweit für den Bereich der Wohnbauförderung anderes als im Einkommensteuerrecht gelten soll. Hinsichtlich des Begriffes des "Einkommens" findet sich keine derartige Abweichung, sodaß vom einkommensteuerrechtlichen Einkommensbegriff, der - wie ausgeführt - den Verlustausgleich umfaßt, auszugehen ist. Die dem Wohnbauförderungsrecht eigene Definition des "Familieneinkommens" im § 2 Z. 11 WFG 1984 bewirkt, daß die - jeweils aus dem Einkommensteuerrecht abgeleiteten - zusammengezählten Einkommen des Förderungswerbers oder Mieters und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, mit Ausnahme von im Haushalt beschäftigten Arbeitnehmern und angestelltem Pflegepersonal, für die Berechnung der Wohnbeihilfe herangezogen werden.

Dieses Auslegungsergebnis findet seine Stütze auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 9 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 421/1969, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 182/1974 (vgl. insbesondere die Erkenntnisse vom , Zl. 1113/77 = VwSlg 9378/A, und vom , Zlen. 1826, 1827/78 =

VwSlg 9938/A). Diese Judikatur ist umsomehr zu beachten, als die hier maßgebenden Begriffsbestimmungen des Wohnbauförderungsrechtes ihre historischen Vorbilder in den entsprechenden Vorschriften des Studienrechtes haben (vgl. Krassnig-Kohler, WFG, 2. erweiterte Auflage, 1979, 32).

An dem so gewonnenen Auslegungsergebnis vermögen auch die Einwände der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift nichts zu ändern. Die Wortinterpretation von "Summe" als Addition ausschließlich von Aktiveinkommen ist nicht zwingend. Zum Hinweis auf § 292 Abs. 3 ASVG ist zu sagen, daß der Einkommensbegriff dieser Bestimmung - zum Unterschied von § 2 Z. 10 und 11 WFG 1984 - nicht primär an steuerrechtliche Begriffe anknüpft.

Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene materielle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist auf die Frage eines allfälligen Verfahrensfehlers - mangelhafte Begründung des Bescheides - nicht einzugehen.

Die weiteren Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde zur Frage der Berechnung des Einkommens des Erstbeschwerdeführers sind für das gegenständliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unerheblich, da der Bescheid ausschließlich im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes zu prüfen ist.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.