VwGH vom 29.09.1987, 87/14/0103
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Piffl, über die Beschwerde der Gemeinde X, vertreten durch Dr. Hansjörg CZINGLAR, Rechtsanwalt in Schruns, Bahnhofstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , GZ. 1187- 2/86, betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Jahre 1981 bis 1984, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Verkehrsamt der Beschwerdeführerin, einer Gemeinde mit einer 2000 übersteigenden Einwohnerzahl, stellt eine in eigenen Räumlichkeiten des Gemeindeamtsgebäudes untergebrachte Abteilung der Gemeindeverwaltung dar. Seine Aufgabe besteht einerseits in der Gästeinformation, der Organisation von Veranstaltungen, der Instandhaltung und Markierung von Spazier- und Wanderwegen, in Maßnahmen der Ortsverschönerung und Werbemaßnahmen für den Ort, andererseits in gelegentlicher (entgeltlicher) Zimmervermittlung und im Verkauf von Wanderkarten. Es ist kein eigener Rechnungskörper, sondern Gegenstand der Gemeindebuchhaltung und des Gemeindebudgets. Von den mit der Tätigkeit des Verkehrsamtes verbundenen Ausgaben in den Streitjahren in der Höhe zwischen rund 2,4 und rund 3,1 Mio Schilling jährlich, waren im Durchschnitt rund 11,5 v.H. durch Einnahmen (in der jährlichen Höhe zwischen rund 200.000,-- S und rund 500.000,-- S) aus Werbekostenersätzen und Kartenverkäufen gedeckt, der Rest mußte aus Gästetaxen und Fremdenverkehrsbeiträgen bestritten werden.
Strittig ist allein die Frage, ob das Verkehrsamt ein von der Gemeinde verwalteter Betrieb (eine von der Gemeinde verwaltete Unternehmung) im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG und die Beschwerdeführerin deshalb verpflichtet ist, den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen unter Zugrundelegung der Summe der Arbeitslöhne der drei im Streitzeitraum im Verkehrsamt beschäftigten Dienstnehmer zu entrichten (so die Ansicht der belangten Behörde), oder ob das Verkehrsamt keinen Betrieb (keine Unternehmung) der Gemeinde darstellt und folglich auch keine Ausnahme von der Beitragsfreiheit vorliegt (so die Ansicht der Beschwerdeführerin).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Daß das Verkehrsamt weder Anstalt, noch Stiftung oder Fonds ist, steht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren außer Streit. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bieten sich keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Außerstreitstellung unrichtig sein könnte.
Unter einer Unternehmung (einem Betrieb) im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG ist, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat (vgl. etwa hg. Erkenntnis vom , 795/59 unter Hinweis auf VfSlg 3296/1957; VwSlg 2632 F/1962, VwSlg 4665 F/1974), eine in einer bestimmten Organisationsform in Erscheinung tretende wirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die sich auf Vermögenswerte stützt und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden ist. Unmaßgeblich ist, in welcher Organisationsform die Unternehmung oder der Betrieb auftritt, ob die Unternehmung Rechtspersönlichkeit besitzt und ob die Tätigkeit auf Gewinn gerichtet ist. Die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt ist auch dann unternehmerische Tätigkeit, wenn die erzielten Entgelte nicht kostendeckend sind. Auch Hoheitsbetriebe einer Gemeinde können beitragspflichtig sein, wenn sich ihre Tätigkeit als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Wesentlich ist, daß die Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist.
Letzteres Merkmal trifft auf den oben zuerst wiedergegebenen Teil der Tätigkeit des Verkehrsamtes (Gästeinformation, Organisation von Veranstaltungen, Instandhaltung und Markierung von Spazier- und Wanderwegen, Maßnahmen der Ortsverschönerung, Werbemaßnahmen für den Ort) nicht zu. Es handelt sich dabei durchwegs nicht um Tätigkeiten, die auf die Erzielung von Einnahmen durch das Verkehrsamt gerichtet, sondern die im Interesse der Förderung des Fremdenverkehrs im allgemeinen gelegen sind, ohne daß eine Leistungsbeziehung zu bestimmten Personen bestünde und/oder hiefür mit der einzelnen Leistung der Gemeinde im Zusammenhang stehende Gegenleistungen an die Gemeinde erbracht würden. Soweit das Verkehrsamt entgeltlich die Zimmervermittlung und den Verkauf von Wanderkarten betreibt, handelt es sich jedoch um eine Tätigkeit, die auf die unmittelbare Erzielung von Einnahmen gerichtet ist. Ohne Bedeutung ist, ob diese Tätigkeit auch kostendeckend ist, oder ob sie sogar Gewinn abwirft. Es ist aber auch nicht von Bedeutung, daß es sich bei dem Verkehrsamt nicht um eine eigene Rechtspersönlichkeit handelt, sondern um eine Abteilung des Gemeindeamtes. Eine besondere Organisationsform wird nämlich von einem Betrieb (einer Unternehmung) im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG, wie dargetan, nicht gefordert. Daß sich die Tätigkeit des Verkehrsamtes, soweit sie - wie erwähnt - auf die Erzielung von Einnahmen ausgerichtet ist, auf Vermögenswerte stützt, kann ebensowenig zweifelhaft sein, wie die in dieser Tätigkeit gelegene Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr.
Bei der Erzielung von Einnahmen aus der Zimmervermittlung und durch Verkauf von Wanderkarten handelt es sich daher um einen von der Gemeinde verwalteten Betrieb. Im übrigen fehlt jedoch die Betriebseigenschaft. Insofern liegt Verwaltungstätigkeit der Gemeinde durch eine Abteilung des Gemeindeamtes (Verkehrsamt) vor, die nicht als Betrieb im Sinne des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG anzusehen ist. Anhaltspunkte dafür, daß die beiden Tätigkeitsbereiche des Verkehrsamtes in wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Einheit darstellten, so daß sie nur einheitlich betrachtet werden könnten, haben sich nicht ergeben und auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird solches nicht behauptet.
Die belangte Behörde hat die erwähnte Abteilung des Gemeindeamtes, ungeachtet ihrer unterschiedlichen Aufgaben, als Einheit und daher als einen Betrieb behandelt. Dies hält einer Nachprüfung nicht stand. Wie bereits erwähnt, wird für die Betriebseigenschaft eine besondere Organisationsform nicht verlangt. Dafür, was als ein von einer Gemeinde verwalteter Betrieb anzusehen ist, ist also auch nicht die Geschäftsverteilung eines Gemeindeamtes dergestalt entscheidend, daß es die Gemeinde mit der internen Organisation des Gemeindeamtes in der Hand hätte, durch Vereinigung von Angelegenheiten betrieblicher und nichtbetrieblicher Tätigkeiten in einer Abteilung - jeweils etwa sogar nach Maßgabe ihres finanziellen Vorteiles - von ihr verwaltete Betriebe mit nur teilweise betrieblichen Tätigkeiten zu schaffen oder nicht, um solcherart ihre Dienstgeberbeitragspflicht zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu gestalten. Für ein derartiges Gestaltungsrecht findet sich im Gesetz kein ausreichender Anhaltspunkt. Der aus einer formellorganisatorischen Betrachtung folgenden und abzulehnenden Gestaltungsmöglichkeit der Gemeinde könnte auch nicht durch die Anlegung von Gesichtspunkten eines Übergewichtes unternehmerischer Tätigkeit innerhalb der Abteilung (Verwaltungseinheit) analog der Regel des § 2 Abs. 4 KStG gesteuert werden, weil es der Gemeinde trotzdem unbenommen bliebe, durch entsprechende Gestaltung der Verteilung der Geschäfte auf die Abteilungen ihres Gemeindeamtes je nach ihrem Wunsch mit der betreffenden Abteilung der Selbstträgerschaft unterworfen zu sein oder nicht. Entscheidend für die Betriebseigenschaft können daher nur funktionellmaterielle Gesichtspunkte sein, also die Art der entfalteten Tätigkeit im oben dargestellten Sinn. Die Anwendung solcher Gesichtspunkte führt zu dem Ergebnis, daß Abteilungen (Verwaltungseinheiten) eines Gemeindeamtes, die teils betriebliche (unternehmerische) Tätigkeiten entfalten - es sei denn, sie wären von völlig untergeordneter Bedeutung -, teils andere Verwaltungsaufgaben erfüllen, nur im Umfang ihrer betrieblichen (unternehmerischen) Tätigkeit als von der Gemeinde verwaltete Betriebe anzusehen sind.
Zu Unrecht beruft sich die belangte Behörde für ihre gegenteilige Ansicht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2409/77; dieses betraf die Gemeinnützigkeit eines Fremdenverkehrsvereines im Hinblick auf den ermäßigten Umsatzsteuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1972. Rückschlüsse auf die Auslegung des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG erlaubt dieses Erkenntnis nicht.
Die im Verkehrsamt der Beschwerdeführerin beschäftigten Dienstnehmer standen daher in den Streitjahren, sollten sie in beiden Tätigkeitsbereichen zu Dienstleistungen herangezogen worden sein, nur zum Teil im Dienst eines von der Gemeinde verwalteten Betriebes, im übrigen jedoch außerhalb eines solchen im Dienste der Gemeinde im allgemeinen.
Für vergleichbare Fälle (teils Tätigkeit im Buffet eines Amtes der Landesregierung, im übrigen Verwendung im Rahmen der Hoheitsverwaltung, vgl. Erkenntnis vom , 26/70; teils Tätigkeit im Wasserwerk, im übrigen in der allgemeinen Verwaltung, vgl. Erkenntnis vom , 337/70) hat der Verwaltungsgerichtshof in den eben zitierten Erkenntnissen auf Grund der vergleichbaren Rechtslage nach dem Kinderbeihilfengesetz 1950 entschieden, daß nicht der Gesamtbetrag der Einkünfte des Dienstnehmers zur Bemessung des Dienstgeberbeitrages heranzuziehen ist. Für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen hat nichts anderes zu gelten. Es durfte daher nur jener Teil der Summe der Arbeitslöhne der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin im Verkehrsamt zur Berechnung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen herangezogen werden, der auf die Tätigkeit dieser Dienstnehmer entfiel, welche nach obigen Ausführungen als betrieblich (unternehmerisch) anzusehen ist. Der andere Teil unterlag nicht der Dienstgeberbeitragspflicht.
Da die belangte Behörde dies verkannte, unterließ sie Ermittlungen und dementsprechend auch Feststellungen, die ihr eine Aufteilung der Summe der Arbeitslöhne und solcherart die Zugrundelegung der gesetzmäßigen Bemessungsgrundlage erlaubt hätten.
Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.
Wien, am