VwGH vom 13.11.1986, 86/16/0102
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des Dr. HL, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 234/1-GA5-DK-1985, betreffend Akteneinsicht i.A. Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer Einsicht in einen den Abgabepflichtigen WH betreffenden Akt des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg i. A. Grunderwerbsteuer. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag damit, mit Beschluss des Bezirksgerichtes St. Gilgen vom sei ihm die Exekution durch Pfändung der dem Verpflichteten WH gegen die Republik Österreich (Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg) zustehenden Forderung auf Rückersatz der Grunderwerbsteuer aus dem Kaufvertrag "zwischen E und F B" (ergänze: einerseits, dem Verpflichteten WH andererseits) zufolge Aufhebung des Kaufvertrages sowie durch Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung bewilligt worden. Damit sei der Beschwerdeführer an Stelle des Verpflichteten als "Inhaber und rechtmäßiger Besitzer" dieser Forderung auf Rückersatz der Grunderwerbsteuer ("insbesondere" gemäß § 20 GrEStG) anzusehen. Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern habe in seiner Äußerung an das Bezirksgericht St. Gilgen mitgeteilt, dass kein Guthaben im Sinne des § 215 BAO bestehe. Der Steuerpflichtige habe jedoch nach Wissen des Beschwerdeführers noch vor der Pfändung einen Antrag gemäß § 20 GrEStG gestellt. Um feststellen zu können, ob diesem Antrag entsprochen oder ob er abgelehnt worden sei, habe der Beschwerdeführer ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht, die ihm bisher verweigert worden sei.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern diesen Antrag mit der Begründung ab, gemäß § 90 Abs. 1 BAO stehe Akteneinsicht nur den Parteien im Sinne des § 78 leg. cit. zu. Der Gläubiger eines Abgabepflichtigen sei jedoch auch nicht im Sinne des § 78 Abs. 3 BAO Partei. Darüber hinaus verfolge er weder abgabenrechtliche Interessen noch erfülle er solche Pflichten, die eine Akteneinsicht erforderten, weil es ihm lediglich um die Befriedigung seiner Forderung gehe. Diesem Interesse gehe aber die im § 48 a BAO auferlegte Geheimhaltungspflicht vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion für Salzburg die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer wende sich mit seinem Antrag auf Akteneinsicht keineswegs auf Grund abgabenrechtlicher Bestimmungen an die Behörde; vielmehr wolle er sich in seiner Stellung als Forderungspfandgläubiger Auskunft über Bestand und Inhalt des Grunderwerbsteuererstattungsanspruches verschaffen. Wenn der Beschwerdeführer einwende, dass er als Überweisungsgläubiger auf Grund exekutionssrechtlicher Bestimmungen als gesetzlicher Vertreter des Verpflichteten die Forderung so geltend machen könne wie sie dem Verpflichteten zustehe, also auch direkt abgabenrechtliche Interessen wahrnehme, sei dem entgegenzuhalten, dass die Bestimmung des § 90 BAO über die Gewährung der Akteneinsicht in zwingendem Zusammenhang mit dem Gebot der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht des § 48 a BAO zu sehen sei. Akteneinsicht an andere Personen als an Parteien zu gewähren, würde jedoch der auferlegten Geheimhaltungspflicht grob zuwiderlaufen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach seinem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Akteneinsicht verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 90 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn nach Lage des Verfahrens eine abschließende Sachentscheidung nicht zu erwarten ist, so etwa bei Ablehnung des Antrages eines Dritten. In diesem Fall liegt ein selbstständiger verfahrensrechtlicher Bescheid vor, der gesondert mit Berufung und daher auch mit Beschwerde anfechtbar ist (vgl. hiezu Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch Seite 209 f und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Zur Akteneinsicht sind - abgesehen vom Fall des § 25 AbgabenEO - nur Parteien im technischen Sinn des § 78 BAO legitimiert (vgl. Stoll a.a.O.). Partei im Abgabenverfahren ist gemäß § 78 Abs. 1 BAO der Abgabepflichtige (§ 77), im Berufungsverfahren auch jeder, der eine Berufung einbringt (Berufungswerber), einem Berufungsverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259) oder, ohne Berufungswerber zu sein, einen Antrag auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 276 Abs. 1 gestellt hat.
Abs. 2 dieser Gesetzesstelle regelt weitere Fälle der Parteistellung. Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle haben andere als die genannten Personen die Rechtsstellung einer Partei dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht.
Lediglich aus der zuletzt genannten Bestimmung könnte der Beschwerdeführer eine Parteistellung im gegenständlichen Verfahren ableiten. Unter § 78 Abs. 3 BAO fallen nämlich z. B. jene Personen, die, ohne gleichzeitig Abgabenpflichtige zu sein, einen Antrag auf Rückzahlung (§ 239 BAO) stellen (Stoll aaO, Seite 177). Da Guthaben (Überzahlungen) eines Abgabenpflichtigen Vermögenswerte sind, die abgetreten werden können und der Exekution nach den § 294 ff EO unterliegen (vgl. Stoll aaO, Seite 597; Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Seite 795, wie das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4582/F), könnte die Parteistellung des Beschwerdeführers, hätte sich tatsächlich der von ihm erwirkte Exekutionsbeschluss auf die Pfändung und Überweisung eines Anspruches auf Rückzahlung eines Guthabens im Sinne des § 239 Abs. 1 BAO gerichtet, rechtens nicht verneint werden.
Nun sind aber von den Anträgen auf Rückzahlung eines Guthabens gemäß § 239 BAO die in materiell-rechtlichen Vorschriften vorgesehenen Erstattungsanträge (so auch nach § 20 GrEStG) zu unterscheiden. Über solche Anträge ist nach Maßgabe des Vorliegens der gesetzlich normierten Voraussetzungen für die Erstattung bescheidmäßig zu entscheiden. Dieser Bescheid bildet die Grundlage für die Verrechnung (§ 213 BAO) und führt zunächst zu einer entsprechenden Gutschrift. Ob aber der gutgeschriebene Betrag zu einem rückzahlbaren Guthaben führt, ist erst nach den Vorschriften der §§ 215, 239 BAO zu beurteilen. Solche abgabenrechtlichen Erstattungsansprüche können nur vom Abgabenpflichtigen selbst - und zwar nur von demjenigen, der die Abgabe seinerzeit entrichtet hat oder dem, in dessen Namen sie entrichtet worden ist - geltend gemacht werden und sind insbesondere auch nicht veräußerlich (vgl. hiezu Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Seite 796 f, weiters den hg. Beschluss vom , Zl. 724/63 und die Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 2990/F - verstärkter Senat -, sowie vom , Slg. Nr. 3826/F).
In dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof weiters - in einem gleich gelagerten Fall wie dem vorliegenden - dargetan, dass der Anspruch auf Rückvergütung nach § 20 GrEStG nicht unmittelbar auf Grund des Gesetzes entsteht, sondern erst nach Durchführung eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens festgestellt wird. Sein Entstehungsgrund ist also der bescheidmäßige Abspruch im Sinne des § 20 GrEStG, weshalb der Anspruch auf Rückvergütung dieser Gesetzesstelle nicht vor der Erlassung des entsprechenden Bescheides entstehen kann. Denn ein Bescheid, durch den die Rückvergütung der Grunderwerbsteuer im Sinne des § 20 GrEStG verfügt wird, ist ein konstitutiver Rechtsakt und wirkt grundsätzlich nur pro futuro. War daher zum Zeitpunkt der gerichtlichen Exekutionsbewilligung ein die Rückvergütung verfügender Bescheid noch nicht erlassen worden, hat ein Anspruch auf Rückvergütung (Rückzahlung) der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden; die Exekution ging daher ins Leere. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch auf Art. IX EGEO, BGBl. Nr. 6/1953, verwiesen, dem zufolge die Vorschriften des Hofdekretes vom 21. August 1838, JGS Nr. 291, über die Unzulässigkeit eines Verbotes oder einer gerichtlichen Pfändung auf noch nicht liquide und bei den öffentlichen Kassen noch nicht angewiesene Forderungen nach wie vor in Geltung stehen.
Dass jedoch in vorliegender Angelegenheit auf Grund eines Bescheides nach § 20 GrEStG dem seinerzeitigen Vertragspartner H ein pfändbarer Anspruch auf Rückzahlung eines Guthabens gemäß § 239 BAO entstanden wäre, hat der Beschwerdeführer niemals behauptet. Ob der Beschwerdeführer als Übweisungsgläubiger Anspruch auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO hat oder nicht, braucht im vorliegenden Verfahren nicht erörtert werden.
Schon zufolge dieser Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.
Hinsichtlich des oben erwähnten, nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlichten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes sei an Art. 14 Abs. 4 und 7 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Wien, am