VwGH vom 26.04.2001, 2000/20/0022
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der EO, nunmehr K, in Wien, geboren am , vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 204.872/7-XII/36/99, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zustellung des Berufungsbescheides in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), abgewiesen und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin an der (aufgrund von Ermittlungen der Erstbehörde) aktenkundigen Adresse in Wien, A-Gasse 7, zuzustellen versucht. Die Sendung ist mit dem Vermerk des Zustellers "Empfänger verzogen" an die Behörde zurückgelangt. Nach Einholung einer - keine aktuellen Daten ergebenden - Meldeauskunft wurde der Berufungsbescheid gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 ZustG bei der Behörde ohne vorhergehenden Zustellversuch am hinterlegt.
Am beantragte die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, bisher sei eine wirksame Zustellung des Berufungsbescheides nicht erfolgt, dessen Zustellung zu Handen des Zustellungsbevollmächtigten Dr. D.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag abgewiesen. Auf Grund ergänzender Erhebungen stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin sei am aus dem Flüchtlingsheim der Caritas in Wien, A-Gasse 7, ohne Angabe einer neuen Adresse ausgezogen, und sie sei in der Folge mehrere Wochen lang in einem von der "Association for Democracy in Africa" benützten Gebäude (in Wien) aufhältig gewesen. Am , dem Zeitpunkt der Hinterlegung, sei die Beschwerdeführerin demnach nicht mehr an der aktenkundigen Adresse wohnhaft gewesen. Die aktuelle Wohnanschrift sei der Behörde nicht bekannt gegeben worden. Rechtlich folgerte die belangte Behörde, die verfügte Zustellung des Berufungsbescheides durch Hinterlegung bei der Behörde ohne vorausgehenden Zustellversuch sei demnach wirksam gewesen, zumal auch die davor durchgeführte Meldeanfrage erfolglos geblieben sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
1. Zur allfälligen Gegenstandslosigkeit der Beschwerde:
1.1. Mit Schreiben vom legte die belangte Behörde eine von der Beschwerdeführerin an das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, gerichtete, mit "Asylverzicht" überschriebene Erklärung in englischer Sprache vor. Dieser lässt sich in Verbindung mit einem vorgelegten "Auszug aus dem Heiratseintrag" des Standesamtes Wien-Brigittenau entnehmen, dass die Beschwerdeführerin am LK geheiratet und um ein "Visum" angesucht hat. Auf entsprechende Frage der (Fremden)Polizei "akzeptiere sie, dass ihr Asylverfahren zu einem Ende kommen sollte".
Dem Beschwerdeführervertreter wurden diese Umstände im Hinblick auf eine allfällige Gegenstandslosigkeit der Beschwerde zur Kenntnis gebracht. In seiner Stellungnahme geht er zwar nicht auf die erkennbar erklärte Zurückziehung des Asylantrages ein, doch weist er (unter anderem) darauf hin, "sollte das Eheverhältnis nur von kurzer Dauer sein, wäre die Beschwerdeführerin gezwungen, ihren Asylantrag wiederum zu aktivieren".
1.2. In dem hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2000/20/0473, 2001/20/0089, wurde unter Punkt I.2.2. ausführlich zur Zulässigkeit der Zurückziehung eines Asylantrages in jeder Lage des (Verwaltungs)Verfahrens, im Fall einer Berufung auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides, Stellung genommen. Es bestehen keine Bedenken, dass eine Antragsrückziehung auch durch den Beschwerdeführer selbst, ohne Mitwirkung seines Rechtsvertreters rechtswirksam geschehen kann (vgl. zur Zurückziehung der Beschwerde den hg. Beschluss vom , Zl. 2689/80). In den hg. Erkenntnissen vom , Zlen. 2000/20/0504 bis 0506, wurde betont, dass die (rechtswirksame) Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages im Berufungsverfahren eine zulässige und fristgerechte Berufung voraussetzt. Eine nach Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides erklärte Antragsrückziehung könne nicht mehr die Wirkung haben, dass dem bereits rechtskräftigen Bescheid die Grundlage entzogen wäre. Daraus folgt, dass diese Wirkung auch einer Zurückziehung des Asylantrages nach Rechtskraft des Berufungsbescheides im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht mehr zukommen kann.
Eine Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann sich im Hinblick auf eine solche Erklärung aber daraus ergeben, dass diese Erklärung in Verbindung mit dem sonstigen Verhalten des Beschwerdeführers und dem Inhalt der gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingeräumten Stellungnahme erkennen lässt, der Beschwerdeführer habe jegliches Interesse an einer Asylgewährung verloren. Dazu zählen etwa jene Fälle, in denen ein Asylwerber erklärt, den Asylantrag im Hinblick auf eine freiwillige Rückkehr in sein Heimatland oder seine freiwillige Weiterreise in ein anderes Land zurückzuziehen (vgl. in diesem Sinn etwa die hg. Beschlüsse vom , Zlen. 2000/20/0172 und 0173, u.a.).
1.3. Ein rechtliches Interesse an der inhaltlichen Erledigung der Beschwerde kann der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Inhalt der Stellungnahme ihres Vertreters im vorliegenden Fall aber nicht ohne weiteres abgesprochen werden. Tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin, die erkennbar in Österreich bleibenden Aufenthalt nehmen will, zu einem späteren Zeitpunkt auf eine Asylgewährung angewiesen sein könnte. Unter diesen Umständen ist zu beachten, dass die Zurückziehung des Asylantrages im Falle einer Aufhebung des Berufungsbescheides auf Grund einer dagegen erhobenen Beschwerde zur Folge hätte, dass der unabhängige Bundesasylsenat den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Asylantrag abgewiesen worden war, mangels (noch vorliegenden) Asylantrages ersatzlos zu beheben hätte (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom , Punkt I.2.2.). Dann läge aber keine rechtskräftige Entscheidung über einen Asylantrag der Beschwerdeführerin vor.
Daraus folgt, dass eine inhaltliche Erledigung der vorliegenden Beschwerde eine Verbesserung der Rechtsstellung der Beschwerdeführerin bewirken könnte. Im Sinne der obigen Ausführungen zu Punkt 1.2. kann daher im vorliegenden Fall nicht von der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde ausgegangen werden.
2. Zur inhaltlichen Erledigung der Beschwerde:
Die belangte Behörde hat übersehen, dass die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung Dr. D. als Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht hatte (zur Rechtswirksamkeit einer solchen Erklärung in einem Anbringen vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/20/0008). Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich nicht, dass diese Vollmacht widerrufen worden wäre. Nach § 9 Abs. 1 ZustG ist in diesem Fall der Zustellungsbevollmächtigte als Empfänger einer Sendung zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung (erst) als in diesem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Die Zustellung an die Partei entfaltet diesfalls keine Rechtswirkungen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 50 und 61 zu § 9 ZustG, im Zusammenhang mit dem im vorliegenden Fall namhaft gemachten Zustellungsbevollmächtigten das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ). Der von der belangten Behörde unternommene Versuch, den Berufungsbescheid der Beschwerdeführerin an der Adresse ihrer (bisherigen) Unterkunft zuzustellen, und die in der Folge vorgenommene Hinterlegung nach § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 ZustG waren daher schon aus diesem Grund nicht rechtswirksam. Es ist aber im vorliegenden Fall durch die - sich aus den Akten der belangten Behörde ergebende - Ausfolgung des Berufungsbescheides an die Beschwerdeführerin am im Hinblick auf § 9 Abs. 1 ZustG auch keine Heilung des Zustellmangels im Sinne des § 7 ZustG eingetreten. Darauf, dass der Berufungsbescheid dem Zustellungsbevollmächtigten mittlerweile zugekommen wäre, deutet nichts hin.
Damit erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/20/0487) und die Beschwerde somit im Ergebnis als begründet (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG).
3. Zur Kostenentscheidung:
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem zuerkannten Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand gebührt keine gesonderte Honorierung für die vom Beschwerdeführer zur Frage der Gegenstandslosigkeit erstattete Stellungnahme (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/03/0169, u.a.). Das diesbezügliche Mehrbegehren war daher abzuweisen.
Wien, am