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VwGH vom 24.01.1990, 86/13/0130

VwGH vom 24.01.1990, 86/13/0130

Betreff

X gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7-716/15/86, betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO (Gewerbesteuer für die Jahre 1973 bis 1976)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde als Gesellschafter einer OHG zur Haftung für Umsatzsteuer (1974 bis 1975) und Gewerbesteuer (1973 bis 1976) herangezogen. Einer Berufung gegen den Haftungsbescheid wurde insoweit stattgegeben, als die Gewerbesteuer aus dem Haftungsbescheid herausgelöst und dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Gesamtschuldner ( § 4 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BAO) nach rechtskräftiger Erlassung von Bescheiden über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die betreffenden Jahre vorgeschrieben wurde.

Der Haftungsbescheid betreffend Umsatzsteuer wurde vom Beschwerdeführer nach Erschöpfung des Instanzenzuges mit Erfolg vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft, der den Bescheid mit Erkenntnis vom , Zl. 81/15/0097, aufhob. Der Gerichtshof begründete die Aufhebung damit, daß die damalige belangte Behörde es rechtswidriger Weise unterlassen habe, zu prüfen, ob der Beschwerdeführer nicht nur zum Schein Gesellschafter der OHG gewesen sei.

Die Gewerbesteuerbescheide waren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft und die Abgabenschuld entrichtet worden, weil der Beschwerdeführer laut eigener Angabe (fälschlich) der Meinung war, eine Aufhebung des Haftungsbescheides betreffend Umsatzsteuer durch den Verwaltungsgerichtshof werde ohnedies eine Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Vorschreibung von Gewerbesteuer zur Folge haben.

In der Folge beantragte der Beschwerdeführer "von einer Heranziehung ... zur Haftung für Gewerbesteuer 1973 bis 1976 abzusehen" bzw. um Nachsicht dieser Abgabe.

Das Finanzamt wies den Antrag ab. Eine Abgabennachsicht (§ 236 BAO) komme schon deswegen nicht in Betracht, weil es sich bei der Gewerbesteuer um eine Gesamtschuld handle, deren Nachsicht auch den übrigen Gesamtschuldnern zugute käme. Eine Entlassung aus der Gesamtschuld hingegen sei bei bereits entrichteten Abgaben nicht möglich, weil § 237 BAO im Gegensatz zu § 236 Abs. 2 BAO derartiges nicht vorsehe.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Per analogiam sei die Bestimmung des § 236 Abs. 2 BAO sinngemäß auch für die Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO anzuwenden. Eine andere Auffassung sei "nachgerade denkunmöglich".

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Eine Entlassung aus der Gesamtschuld sei hinsichtlich bereits entrichteter Abgaben - anders als bei Nachsichtsmaßnahmen nach § 236 BAO - gesetzlich nicht vorgesehen. Sollte die Abgabenvorschreibung bzw. Abgabenentrichtung durch einen Gesamtschuldner tatsächlich unbillig gewesen sein, so habe dieser nur die zivilrechtliche Möglichkeit, einen Regreßanspruch gegenüber den Mitschuldnern geltend zu machen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Streit besteht lediglich darüber, ob die Auffassung der belangten Behörde richtig ist, daß bei bereits entrichteten Abgaben eine Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO nicht in Betracht kommt, weil es in § 237 BAO an einer den § 236 Abs. 2 BAO analogen Regelung fehlt.

Der Gerichtshof teilt die Rechtsansicht der belangten Behörde aus folgenden Erwägungen:

Eine Abgabenschuld erlischt durch Entrichtung der Abgabe und zwar gleichgültig, ob sie von einem Abgabepflichtigen allein oder von mehreren Abgabepflichtigen als Gesamtschuldner geschuldet wird. Gleiches gilt für die Nachsicht von Abgaben. Auch hier erlischt der Abgabenanspruch und zwar gleichermaßen einem Alleinschuldner wie mehreren Gesamtschuldnern gegenüber (§ 236 Abs. 3 in Verbindung mit § 235 Abs. 2 BAO).

§ 236 Abs. 2 BAO sieht vor, daß auch bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen nachgesehen werden können. Eine derartige Nachsicht führt zu einer Gutschrift auf dem betreffenden Abgabenkonto und wirkt daher so, als ob der Abgabepflichtige die entrichtete Abgabe gar nicht zu entrichten gehabt hätte. Rechtliche Interessen dritter Personen werden durch eine solche Maßnahme nicht berührt.

Anders verhält es sich jedoch mit Maßnahmen nach § 237 BAO, mit denen ein Gesamtschuldner ganz oder teilweise aus der Gesamtschuld entlassen wird. Durch die Entlassung eines Gesamtschuldners aus der Gesamtschuld wird der Abgabenanspruch gegenüber den verbleibenden Gesamtschuldnern nicht berührt (§ 237 Abs. 1 zweiter Satz BAO). Eine Entlassung aus der Gesamtschuld wirkt daher nur gegenüber dem Entlassenen. Demgegenüber hat aber, wie bereits gesagt, die Entrichtung der Abgabe durch einen der Gesamtschuldner das Erlöschen des Abgabenanspruches gegenüber allen Gesamtschuldnern zur Folge. Würde nun jener Gesamtschuldner, der die Abgabe bereits entrichtet hat, aus der Gesamtschuld entlassen werden, so müßte folgerichtiger Weise der Abgabenanspruch gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern wiederum aufleben. Durch eine solche Maßnahme würden daher die rechtlichen Interessen der übrigen Gesamtschuldner berührt werden. Sie wäre ein Eingriff in deren Rechte, weil das Wiederaufleben eines bereits erloschenen Abgabenanspruches bei den verbleibenden bisherigen Gesamtschuldnern zweifellos deren Rechtstellung verändern würde. Ein solcher Verwaltungsakt bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Diese fehlt und damit auch die Möglichkeit, einen Gesamtschuldner, der in dieser Eigenschaft eine Abgabe bereits entrichtet hat, gemäß § 237 BAO aus der Gesamtschuld zu entlassen.

Da somit der angefochtene Bescheid nicht mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom , BGBl. Nr. 206.