VwGH vom 28.01.1993, 92/06/0236
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde
1.) des JC, 2.) des EC und 3.) des HC, alle in I, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom , Zl. MD/Präs.Abt.II-7354/1991, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: G in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem Vorbringen der Beschwerde in Verbindung mit dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender relevanter Sachverhalt:
Mit Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck vom wurde dem Mitbeteiligten die Baubewilligung für die Erweiterung des bestehenden Kaffeehauses im Erdgeschoß des Objektes X-Gasse 4 durch Hinzunahme eines Erdgeschoßlokals im Objekt X-Gasse 6 sowie die Sanierung der Wohnung im ersten Obergeschoß des Objektes X-Gasse 6 erteilt. Bei der diesem Bescheid vorangegangenen mündlichen Verhandlung hatten die Beschwerdeführer als Eigentümer der Bauparzelle nn gegen die beabsichtigten Änderungen insofern Einwendungen erhoben, als sie als Eigentümer dem Bauvorhaben nicht zustimmten, die vorgesehene Erweiterung des Kaffees im Erdgeschoß des Hauses X-Gasse 4 durch Hinzunahme eines erdgeschoßigen Lokales im Haus X-Gasse 6 unzulässig sei, weil dadurch über die Grundstücksgrenze hinweg gebaut werden müßte, und das Bauvorhaben auch wegen unzureichenden Brandschutzes nicht genehmigt werden könne, weil die bestehende Brandwand durchbrochen werden müsse. Die Baubehörde erster Instanz verneinte ein subjektiv-öffentliches Recht der Beschwerdeführer hinsichtlich des Durchbruches und des unzureichenden Brandschutzes und schloß überdies aus einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 7 Ob 512/76, daß die Beschwerdeführer gar nicht Eigentümer seien.
In der Berufung machten die Beschwerdeführer geltend, daß sich aus dem zitierten Urteil des Obersten Gerichtshofes nicht ergebe, daß an dem fraglichen Gebäudeteil im Zwischentrakt durch Ersitzung Eigentum erworben sei, sondern lediglich eine Grunddienstbarkeit, sodaß der Zwischentrakt nach wie vor im Eigentum der Beschwerdeführer stehe. Damit hätte mangels liquider Zustimmung der Eigentümer des Bauplatzes Grundstück nn im Sinn des § 27 Abs. 3 lit. b der Tiroler Bauordnung die Baubewilligung nicht erteilt werden dürfen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie ging nach den Aktenunterlagen davon aus, daß der Mitbeteiligte im Erd- und ersten Obergeschoß des Objektes X-Gasse 6 einerseits das bestehende Kaffeehaus, welches derzeit im Erdgeschoß des Objektes X-Gasse 4 situiert sei, durch Hinzunehmen von Räumlichkeiten des Objektes X-Gasse 6 zu erweitern, und andererseits die bestehenden Räume im ersten Obergeschoß zu sanieren, neue Sanitärzellen einzurichten und eine Küche einzubauen beabsichtige. Nach außen hin würden keine baulichen Veränderungen vorgenommen. Im strittigen Zwischentrakt auf der Bauparzelle nn, KG I, sei zudem die Einrichtung zweier Küchen und zweier Naßzellen (pro Geschoß) beabsichtigt. Beide Räumlichkeiten dienten bisher als Lagerräume für einen ehemals bestehenden Bäckereibetrieb.
Die belangte Behörde kam daher zum Ergebnis, daß kein Umbau im Sinne der Tiroler Bauordnung vorliege, sodaß es auch keiner Zustimmung des Grundeigentümers bedürfe. Durch eine Baubewilligung würde in die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Eigentümern nicht eingegriffen, da es jedem Eigentümer frei stehe, im Rechtsweg die Unterlassung wesentlicher Änderungen eines Objektes zu begehren, die ein anderer ohne Zustimmung vorzunehmen beabsichtige. Daß für eine derartige Änderung eine Baubewilligung vorliege, ändere daran nichts.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie vor allem die Rechtsansicht der Behörden bekämpften, daß die Tiroler Bauordnung einen Eigentumsnachweis nur für einen Neu-, Zu- oder Umbau erfordere. Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , B 221/92, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dabei führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, daß das Beschwerdevorbringen, soweit es verfassungsrechtliche Fragen berühre, es vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Einräumung der Parteistellung (z.B. VfSlg. 5271/1966, 10605/1985, ) sowie im Hinblick auf die Überlegung, daß es im Interesse der Verwaltungsökonomie gelegen und nicht unsachlich sei, wenn nur Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für einen Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes, nicht jedoch Ansuchen um die Erteilung der Baubewilligung von sonstigen (regelmäßig geringfügigeren) Bauvorhaben die im § 27 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung aufgezählten Unterlagen anzuschließen seien, die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, daß die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
In dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Teil der Beschwerde beantragen die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht verletzt, daß ohne ihre Zustimmung auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück Bauparzelle nn, KG I, keine Bauwerke errichtet werden dürften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 3 lit. a und b der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), ist im Gegensatz zu den allen Bauansuchen anzuschließenden Unterlagen, die im § 27 Abs. 2 leg. cit. angeführt sind, der Nachweis des Eigentums (Baurechtes) an der zu bebauenden Grundfläche bzw. die Zustimmungserklärung des Grundeigentümers oder Bauberechtigten nur einem Ansuchen um die Erteilung der Bewilligung für einen Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes anzuschließen. Daß diese Beschränkung nicht unsachlich ist, hat der Verfassungsgerichtshof in dem eingangs zitierten Beschluß ausdrücklich ausgeführt; auch der Verwaltungsgerichtshof hegt keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung, da es dem Eigentümer unbenommen bleibt, den Bau durch Unterlassungsklage ungeachtet einer bestehenden Baubewilligung zu verhindern, sofern er nicht zivilrechtlich zur Zustimmung verpflichtet ist.
Im vorliegenden Fall ist nur strittig, ob es sich um einen "Umbau" (§ 25 lit. a TBO; ein Neu- oder Zubau kommt mangels Vergrößerung nicht in Betracht) oder um eine sonstige Änderung von Gebäuden oder Gebäudeteilen handelt, die die Feuersicherheit bzw. die sanitären Verhältnisse beeinflußt (§ 25 lit. b TBO). Ein Umbau ist gemäß § 3 Abs. 7 TBO "die bauliche Veränderung eines Gebäudes, durch die, ohne die Außenmaße zu vergrößern, die Raumeinteilung oder die äußere Gestalt des Gebäudes so geändert wird, daß das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als ein anderes anzusehen ist". Nach diesem - von anderen Bauordnungen wesentlich abweichenden - Begriff des Umbaues nach der Tiroler Bauordnung muß also das GESAMTE Haus als Folge der baulichen Veränderungen als ein anderes anzusehen sein (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/06/0165, BauSlg. Nr. 780); Veränderungen von bloßen Teilen stehen dem nicht gleich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/06/0009). Wird also danach das Haus durch die Veränderungen nicht zu einem "anderen", so sind selbst Baumaßnahmen größeren Umfanges nicht als Umbau zu qualifizieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/06/0141, BauSlg. Nr. 974). Im vorliegenden Fall wird das Gebäude, dessen Eigentum die Beschwerdeführer behaupten, in seinem Wesen nicht verändert, es bleibt weiterhin Wohn- und Geschäftshaus (vgl. das zuletzt zitierte hg. Erkenntnis).
Damit gehen aber sämtliche Ausführungen der Beschwerdeführer über die der Baubehörde bei der Bewilligung unterlaufenen Rechtsverletzungen ins Leere. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer stellt nämlich die Erteilung einer Baubewilligung ohne die Zustimmung des jeweiligen Grundeigentümers nicht "sicherlich" eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des betroffenen Grundeigentümers dar, sondern nur, soweit sie die Bauordnung festlegt. Im übrigen werden lediglich privatrechtliche Ansprüche verletzt, die gemäß § 1 JN im Zivilrechtsweg wahrzunehmen sind.
Die Beschwerdeführer verkennen auch das Wesen der Baubewilligung insofern, als die dingliche Wirkung mit der Frage, ob derjenige, der die Bewilligung erwirkt hat, diese auch auszunützen vermag, nichts zu tun hat. Gemäß § 35 Abs. 1 TBO verliert die Baubewilligung ihre Wirksamkeit, wenn die Ausführung des Bauvorhabens nicht binnen zwei Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung begonnen worden ist; stehen also der Durchführung von Bauarbeiten zivilrechtliche Hindernisse (Unterlassungsanspruch des Grundeigentümers) entgegen, so tritt die Baubewilligung nach Ablauf der Baubeginnsfrist von selbst außer Kraft. Der Hinweis auf die im § 19 Abs. 1 TBO normierte, mit der Rechtskraft der Baubewilligung entstehende Beitragspflicht geht daran vorbei, daß es sich dort um Neu- oder Zubauten, allenfalls (durch Veränderung des Verwendungszweckes landwirtschaftlicher Wirtschaftsgebäude) um einen Umbau handelt.
Da sich bereits aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt, daß die belangte Behörde die Rechtslage richtig beurteilt hat und ihr daher auch keine Verfahrensmängel unterlaufen sind, damit aber auch keine baurechtlich geschützten Rechte der Beschwerdeführer verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen. Damit entfällt auch eine Entscheidung über die begehrte aufschiebende Wirkung.