VwGH vom 26.09.1995, 95/04/0089
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der X Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom "", Zl. Ge - 441436/7 - 1995/Sch/Th, betreffend gewerbliche Betriebsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat mit Bescheid vom über Antrag der beschwerdeführenden Partei die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Nahversorgungszentrums in L auf einem näher bezeichneten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
Nach dem Beschwerdevorbringen erhob die beschwerdeführende Partei gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom fristgerecht Berufung.
Wie es in der Beschwerde weiters heißt, habe die belangte Behörde als Berufungsbehörde innerhalb der gesetzlichen Frist keinen Berufungsbescheid erlassen; das Verschulden daran liege ausschließlich in der Sphäre der belangten Behörde. Die beschwerdeführende Partei habe daher mit Devolutionsantrag vom , welcher "voraus per Telefax abgesandt" worden sei, die Entscheidung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten begehrt. Der angefochtene Bescheid sei dem ausgewiesenen Vertreter der beschwerdeführenden Partei nach diesem Zeitpunkt, nämlich am , zugestellt worden.
Mit hg. Verfügung vom wurde über die Beschwerde das Vorverfahren eingeleitet. Diese Verfügung enthält (auch) den Hinweis auf § 38 Abs. 2 VwGG, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt ist, allein auf Grund der Beschwerdebehauptungen zu erkennen.
Die belangte Behörde teilte mit Schriftsatz vom mit, daß die erst- und zweitinstanzlichen Verfahrensakten dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten vorgelegt worden seien, weil die beschwerdeführende Partei beim genannten Bundesministerium einen Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 73 Abs. 2 AVG gestellt habe. Eine Entscheidung (des Bundesministers) sei bisher nicht ergangen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG nach vorheriger Androhung auch dann auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers erkennen kann, wenn die Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens mit der Begründung unterlassen wurde, daß diese Akten der belangten Behörde nicht zur Verfügung stehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 2219/A).
Entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers, so hat er deren Richtigkeit nicht zu prüfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/10/0002).
Die beschwerdeführende Partei bekämpft den angefochtenen Bescheid (zunächst) damit, der bekämpfte Bescheid sei nach Einlangen des Devolutionsantrages beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde) erlassen worden. Die belangte Behörde sei daher zur Erlassung des bekämpften Bescheides nicht mehr zuständig gewesen.
Mit diesem Beschwerdevorbringen ist die beschwerdeführende Partei auf dem Boden der oben dargestellten verfahrensrechtlichen Situation im Recht.
Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Liegen die Voraussetzungen für einen Devolutionsantrag vor, wovon im Hinblick auf das oben Gesagte auszugehen ist, so geht mit dem Einlangen des Antrages bei der Oberbehörde die Zuständigkeit zur Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag an diese Behörde über; ein nach diesem Zeitpunkt durch die Unterbehörde erlassener Bescheid ist infolge Unzuständigkeit dieser Behörde unabhängig davon, ob die Unterbehörde tatsächlich schuldhaft säumig im Sinne des § 73 Abs. 2 letzter Satz AVG war, sowie ohne Rücksicht darauf, wann die Unterbehörde von der Anrufung der Oberbehörde Kenntnis erlangt und wann das zuständige Organ den Bescheidentwurf durch seine Unterschrift genehmigt hat, rechtswidrig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 3408/78).
Der angefochtene Bescheid war daher infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.