VwGH 11.03.1987, 86/03/0228
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Im Falle des Bestehens einer Postvollmacht für den Empfang von RSa-Briefen dürfen auch zu eigenen Handen zuzustellende Postsendungen an den Postbevollmächtigten abgegeben werden (Hinweis E , 3635/80). |
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RS 2 | Wurde eine Berufung als verspätet zurückgewiesen, so ist die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Ersatzzustellung des erstinstanzlichen Bescheides erst in der Beschwerde an den VwGH grundsätzlich nicht als unzulässige Neuerung zu betrachten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1175/51 E VwSlg 2367 A/1951 RS 3 |
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RS 3 | Die Berufungsbehörde trägt das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel durch den VwGH, wenn sie dem Berufungswerber die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist nicht zur Stellungnahme vorhält. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0260/60 E VwSlg 5380 A/1960 RS 1 |
Normen | |
RS 4 | Der Berufungswerber ist nicht verpflichtet, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet (Hinweis E , 1175/51, VwSlg 2367 A/1951). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2858/54 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely über die Beschwerde des WZ in F, vertreten durch Dr. Hans Robicsek, Rechtsanwalt in Wien XI, Simmeringer Hauptstraße 119, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. IIb2-V-5261/1-1986, betreffend Zurückweisung der Berufung in einer Angelegenheit der Straßenpolizei, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 10a StVO schuldig erkannt und bestraft.
Die gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wies die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom als verspätet zurück. Zur Begründung führte die Behörde aus, die Berufung sei als verspätet zurückzuweisen gewesen, weil das angefochtene Straferkenntnis nachweislich am zugestellt worden sei, die Berufung jedoch, ungeachtet der richtigen und vollständigen Rechtsmittelbelehrung, erst am zur Post gegeben und somit nach Ablauf der gesetzlichen Frist von zwei Wochen bei der Bezirkshauptmannschaft Landeck eingebracht worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht verletzt, dass seine Berufung gegen das Straferkenntnis der ersten Instanz nicht als verspätet zurückgewiesen werde. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer vor, es sei unrichtig, dass die Zustellung des Straferkenntnisses am erfolgt sei. Das mittels Rückschein blau, Rsa mit dem Vermerk "nicht an Postbevollmächtigte" von der Bezirkshauptmannschaft Landeck abgefertigte Straferkenntnis sei von seiner Ehegattin übernommen worden, obwohl dieser Rsa-Brief gemäß § 21 Zustellgesetz nur dem Beschwerdeführer hätte zugestellt werden dürfen. Der Beschwerdeführer sei am nachweislich nicht zu Hause gewesen, sondern habe sich in seinem Unternehmen in Vösendorf aufgehalten. Gemäß § 7 Zustellgesetz trete die Heilung des vorliegenden Zustellmangels dadurch ein, dass die Zustellung als in dem Zeitpunkt vollzogen gilt, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist. Dies sei jedoch erst der Zeitraum zwischen dem 8. und gewesen. Die belangte Behörde hätte, als sie die Verspätung der Berufung festgestellt habe, von Amts wegen überprüfen müssen, ob das Straferkenntnis von ihm oder von einer im selben Haushalt lebenden Person am übernommen worden sei. Dabei hätte sich herausgestellt, dass die Übernahme des Poststückes nicht durch den Beschwerdeführer persönlich, sondern durch seine geschiedene Ehegattin erfolgt sei. Es hätte sich ferner herausgestellt, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der angeblichen Übernahme nicht in F, sondern in Wien aufgehalten habe.
Gemäß § 51 Abs. 3 VStG 1950 beträgt die Berufungsfrist zwei Wochen (nach Zustellung des Straferkenntnisses). Gemäß § 21 Abs. 1 Zustellgesetz dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden. Dass etwa die geschiedene Ehegattin des Beschwerdeführers eine Postvollmacht für den Empfang von RSa-Briefen gehabt hätte, ist weder aktenkundig noch ging die belangte Behörde davon aus (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 3635/80). Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie gemäß § 7 Zustellgesetz als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des mit Berufung angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, insbesondere ob die auf dem Rückschein vermerkten Daten den Tatsachen entsprechen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom , Zl. 662/57, und vom , Zl. 85/04/0153). Die Behörde hat die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist dem Berufungswerber zur Stellungnahme vorzuhalten. Unterlässt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 260/60, Slg. Nr. 5380/A).
Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf hinweist, dass die Unterschrift auf dem Zustellnachweis auf "Z" gelautet habe und darauf weiters der "Empfänger" angekreuzt gewesen sei und dass ferner der Beschwerdeführer in der Berufung mit keinem Wort erwähnt habe, dass der Rsa-Brief fälschlicherweise durch seine Ehegattin übernommen worden sei, weshalb sie ohne weitere Erhebungen davon ausgehen hätte können, dass die Rechtswirkungen der Zustellung des Straferkenntnisses am eingetreten seien, so ist ihr entgegenzuhalten, dass - abgesehen davon, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann - der Berufungswerber nicht verpflichtet ist, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet (vgl. dazu Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1175/51, Slg. Nr. 2367/A).
Die belangte Behörde hätte daher von Amts wegen zu prüfen gehabt, ob etwa ein Zustellmangel unterlaufen ist, und das Ergebnis ihrer Ermittlungen dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme geben müssen. Da sie dies unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, was zu seiner Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zu führen hat.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §37; AVG §39 Abs2; AVG §45 Abs3; AVG §63 Abs3; AVG §63 Abs5; AVG §66 Abs4; PO §150; VStG §51 Abs3; VwGG §42 Abs2 litc Z3; VwGG §42 Abs2 Z3 litc; ZustG §21; |
Schlagworte | Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1987:1986030228.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAE-33211