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VwGH vom 10.05.1994, 92/05/0268

VwGH vom 10.05.1994, 92/05/0268

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien von , Zl. MD-VfR - B XVIII - 5 bis 8/92, betreffend die Zurückweisung von Devolutionsanträgen in Bausachen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bauwerber Dr. P.St. suchte am um die Bewilligung zum Abbruch bestehender Anlagen und Errichtung einer Wohnhausanlage auf einer Liegenschaft in Wien an. Am fand über dieses Ansuchen eine Verhandlung statt, bei der der beschwerdeführende Nachbar vertreten war. Ob er Einwendungen erhob, kann dem Protokoll nicht entnommen werden.

Am richtete er - gemeinsam mit anderen Nachbarn - nachstehenden Devolutionsantrag an die belangte Behörde:

"Für diese Liegenschaft wurde im Jahr 1987 um Baubewilligung angesucht. In der Folge wurde eine Bauverhandlung am abgeführt und im Gesetz begründete Anrainereinwendungen vorgebracht. In der Sache selbst hat die Baubehörde erster Instanz seit Ende 1988 keine Maßnahmen zur Verfahrensfortsetzung getroffen, der Bauwerber selbst hat das Ansuchen nicht zurückgezogen. Es wird daher der Devolutionsantrag gestellt, das Verfahren unverzüglich zum Abschluß zu bringen."

Ein weiteres Ansuchen desselben Bauwerbers, dieselbe Liegenschaft betreffend, stammt vom und ist bei der Baubehörde zur Zl. 1304/89 protokolliert. In diesem Verfahren erhob der Beschwerdeführer anläßlich der Verhandlung vom Einwendungen. Auch zu diesem Bauverfahren stellte er am unter Hinweis auf die Untätigkeit der Behörde seit April 1990 einen inhaltlich sonst gleichlautenden Devolutionsantrag.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Anträge als unzulässig zurück. Aufgrund seiner beschränkten Parteistellung hätte der Nachbar insbesondere nicht das Recht darauf, einen Devolutionsantrag zu stellen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Entscheidung durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, sowie in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verwaltungsverfahren verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bereits in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 4640/A, ergangen zur Bauordnung für Wien, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Geltendmachung der Entscheidungspflicht durch einen Nachbarn in einem noch nicht abgeschlossenen Baubewilligungsverfahren befaßt. Solange über das Bauansuchen oder über die Einwendungen kein Bescheid ergangen sei, könne nicht der Nachbar, sondern nur der Bauwerber die Entscheidungspflicht geltend machen. Ein Eingriff in die Rechtssphäre des Nachbarn sei nämlich nur dann gegeben, wenn eine Baubewilligung erteilt und durch diese Baubewilligung ein subjektives Nachbarrecht verletzt werde.

Diese Rechtsprechung wurde vom Verwaltungsgerichtshof in der Folge auch zu anderen Bauordnungen aufrecht erhalten (siehe die Nachweise bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, E. 50 f. zu § 73 Abs. 1 AVG sowie die Nachweise in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 89/05/0242; zuletzt hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0183).

Aus dem vom Beschwerdeführer herangezogenen Erkenntnis vom , Slg. Nr. 8635/A, läßt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen: Dort ging es um die Übergangsbestimmung des § 121 Abs. 5 der Niederösterreichischen Bauordnung

(LGBl. Nr. 166/1969), wonach hinsichtlich der NUNMEHR gemäß § 93 Z. 2 bis 4 leg. cit. bewilligungspflichtigen Vorhaben um Bewilligung angesucht werden mußte, widrigenfalls die konsenslose Fortsetzung untersagt werden konnte. Bestand also ein derartiges Bauvorhaben am , welches bis dahin nicht bewilligungspflichtig war, so lag damit schon (und nicht erst durch den Bewilligungsbescheid) die Möglichkeit der Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten vor, sodaß es durchaus gerechtfertigt war, dem Nachbarn das Recht zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht zuzubilligen, da er sich damit gegen eine schon bestehende Beeinträchtigung zur Wehr setzen konnte.

Im vorliegenden Fall darf gemäß § 72 der Bauordnung für Wien LGBl. Nr. 11/1930 (unter Bedachtnahme auf alle Novellierungen bis LGBl. Nr. 29/1987; im folgenden: BO) erst nach Rechtskraft der Baubewilligung mit der Bauführung begonnen werden, sodaß erst dann eine Beeinträchtigung der Nachbarinteressen denkbar ist. Daher kann der Beschwerdeführer auch aus der Bestimmung des § 74 BO nichts für sich gewinnen, weil nur die ERTEILTE Baubewilligung - damit sie nicht unwirksam wird - innerhalb der dort genannten Frist konsumiert werden muß.

Nach ständiger Rechtsprechung erwächst dem Bauwerber daraus, daß er innerhalb der einjährigen Frist nach Ergehen des Bescheides über die Bebauungsbestimmungen ein Bauansuchen überreicht hat, ein subjektiv-öffentliches Recht, nach Maßgabe der so bekannten Bebauungsbestimmungen den Bau auch dann auszuführen, wenn nachher eine Änderung der generellen Normen, insbesondere durch die Verhängung einer Bausperre, eingetreten ist. Ist eine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen noch wirksam, steht eine Bausperre der Erteilung einer Baubewilligung nicht entgegen (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 156). Solange als im vorliegenden Fall aufgrund der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen entschieden wird, ist allein die sich daraus ergebende und nicht die im Entscheidungszeitpunkt geltende Rechtslage - soweit von der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen erfaßt - maßgeblich. Daher kann aus § 11 BO ein Recht des Nachbarn auf Entscheidung zu einem für ihn günstigen Zeitpunkt nicht abgeleitet werden. Es ist auch nicht erkennbar, wieso unter Bedachtnahme auf die durch die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen perpetuierte Rechtslage dem Nachbarn "alle Rechte" genommen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich schließlich den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, daß durch jahrelange Nichtentscheidung eine überholte Rechtslage perpetuiert werde, nicht anzuschließen, zumal der offenbar vom Beschwerdeführer gewünschte Eingriff in bestehende Verfahren durch neue Normen wesentlich gravierender erschiene. Weil die Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Rechte erst durch den Bescheid und nicht schon durch ein Bauansuchen erfolgen kann, stellt sich die Frage eines Widerspruches des § 11 BO zum Determinierungsgebot des Art. 18 B-VG noch nicht. Die Säumigkeit der Behörde kann nur den Antragsteller in seinen Rechten berühren; diesbezüglich wird aber durch § 73 AVG Abhilfe geschaffen.

Schließlich sind auch die behaupteten Verfahrensmängel nicht erkennbar, weil zusätzliche Anträge im Verfahren den Nachbarn, dem grundsätzlich nur eine beschränkte Parteistellung zukommt, zu einer Entscheidungspflicht der Behörde nicht verhelfen können (Hauer, Der Nachbar im Baurecht3, 141). Daß eine allenfalls verhängte Bausperre die Rechtsstellung des Nachbarn nicht berührt, wurde bereits oben dargetan.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich somit nicht veranlaßt, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen. Die Beschwerde war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.