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VwGH vom 22.05.2001, 2000/05/0295

VwGH vom 22.05.2001, 2000/05/0295

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Waltraud Gruber in Lilienfeld, des Dr. Heinz Gruber in Sao Paulo und der Maureen Monaghan in Wien, alle vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-V-00051/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. EVN-AG in Maria Enzersdorf, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt in Wien I, Börsegasse 10, 2. Stadtgemeinde Lilienfeld, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, Babenbergerstraße 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangten Ansuchen vom beantragte die erstmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für eine 20-kV Schaltstation der Type K1/84A auf der Parzelle Nr. 247/11, KG Marktl. Die Ausmaße dieser Fertigteiltrafostation betragen 5 m Länge x 2,59 m Breite bei einer Höhe über Niveau von 2,93 m. Über dieses Baugesuch wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der die Beschwerdeführer als Anrainer geladen wurden. Der Erstmitbeteiligten wurde in dieser Verhandlung die Ergänzung der Einreichunterlagen auftragen. Die Beschwerdeführer sprachen sich gegen die Erteilung der Baubewilligung aus, weil der seitliche Bauwich zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer nicht eingehalten würde.

Nachdem am Austauschpläne eingelangt waren, beraumte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine neuerliche Bauverhandlung an. Die Beschwerdeführer wiederholten ihre Einwendungen und konkretisierten sie anhand des nachgereichten Lageplanes dahingehend, dass der Abstand zu den Grundstücksgrenzen der Beschwerdeführer an der einen Ecke 2,42 m und an der anderen Ecke 2,57 m betrage und damit der erforderliche Abstand von 3 m nicht eingehalten würde. Eine Qualifizierung des Gebäudes als Nebengebäude gemäß § 4 Z. 6 der NÖ Bauordnung sei unmöglich (wurde näher ausgeführt). Überdies gingen vom gegenständlichen Gebäude elektromagnetische Strahlungen bzw. Kraftfelder aus, die zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung der Anrainer führen würden, sodass die Einholung eines medizinischen und elektrotechnischen Sachverständigengutachtens erforderlich sei.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde der erstmitbeteiligten Partei die beantragte baubehördliche Bewilligung.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführer hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde ein Gutachten des Stadtarztes Dr. M. G. eingeholt. Dieser führte in seinem Gutachten vom zusammengefasst aus, im gegenständlichen Fall handle es sich um die Errichtung einer 20-kV Trafostation, wobei die zuführenden Kabel im Erdreich (in 0,8 m bis 1,3 m Tiefe) verlegt seien. Die Trafostation liege mindestens 20 m (von Außenmauer zu Außenmauer) vom nächstgelegenen Wohnhaus entfernt. Von Erdkabeln gehe ein Magnetfeld aus, das mit 1/R2 an Intensität abnehme. Die Transformatorstation erzeuge ein magnetisches Feld, das einer Zylinderspule gleiche. Im Fernbereich - dieser beginne etwa im Abstand der 3-5fachen Hauptabmessung des Transformators (nicht des Gebäudes) könne der Transformator als magnetischer Dipol angenommen werden, dessen Feld mit der 3. Potenz der Entfernung abnehme. Daraus ergebe sich bei der gegenständlichen Trafostation theoretisch und praktisch (es liege die Messung der elektromagnetischen Felder einer 20-kV Trafostation vor), dass sich im Inneren der Trafostation die Feldstärken zwischen 0,2 und 5 (T bewegen. Selbst wenn der höchste Wert als Referenz herangezogen würde, wäre im Abstand von 20 Metern dann mit einer Feldstärke von 0,000625 (T zu rechnen. Dieser Wert liege wiederum deutlichst unter dem von der WHO und ÖNORM S 1119 angeführten Grenzwert, der 100 (T betrage. Nach dem derzeitigen Wissensstand könne ein negativer Effekt auf die Gesundheit durch die Errichtung der Trafostation ausgeschlossen werden.

Die Beschwerdeführer äußerten sich zu diesem Gutachten negativ.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abgewiesen, gleichzeitig wurde der Spruch insofern ergänzt, als eine Auflage bezüglich der Fertigstellungsmeldung vorgeschrieben wurde.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Nebengebäude sei im Seitenabstand zulässig, weil es ein Nebengebäude im Sinne des § 4 Z. 6 der NÖ Bauordnung sei und unbestritten eine Grundrissfläche von weniger als 100 m2 aufweise. Dem eingeholten Gutachten hinsichtlich der Auswirkungen des Gebäudes auf die Gesundheit seien die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Auf dem Grundstück befinde sich ein Hauptgebäude (Produktionshalle der Firma P.). "Unterordnung unter den Verwendungszweck des Hauptgebäudes" bedeute lediglich, dass nicht ein weiteres Hauptgebäude im Seitenabstand errichtet werden dürfe, sondern nur ein kleineres Gebäude mit Nichtaufenthaltsräumen; auf einen organisatorischen Zusammenhang mit dem Hauptgebäude komme es nicht an. Daher sei es auch ohne Belang, ob eine elektrische Zuleitung von der Schaltstation zum Hauptgebäude bestehe.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligten Parteien, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf das Beschwerdeverfahren ist die NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-0, anzuwenden.

Gemäß § 6 Abs. 2 dieser Bestimmung werden subjektivöffentliche Nachbarrechte begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der Gebäude der Nachbarn dienen.

Die Beschwerdeführer haben rechtzeitig Einwendungen dahingehend erhoben, dass die erforderlichen Abstände nicht eingehalten würden und eine Gesundheitsgefährdung (Immissionen) zu erwarten sei.

Gemäß § 51 Abs. 1 NÖ BO 1996 dürfen im seitlichen und hinteren Bauwich Nebengebäude errichtet werden, wenn


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1.
der Bebauungsplan dies nicht verbietet,
2.
die Grundrissfläche dieser Nebengebäude insgesamt nicht mehr als 100 m2 beträgt,
3. die Gebäudehöhe dieser Nebengebäude nicht mehr als 3 m beträgt.
Ein Nebengebäude ist gemäß § 4 Z. 6 leg. cit. ein Gebäude mit einer Grundrissfläche bis zu 100 m2, das nur ein Geschoss und keinen Aufenthaltsraum enthält und dessen Verwendungszweck dem des Hauptgebäudes untergeordnet ist (z.B. Kleingarage, Werkzeughütte); es kann auch an dieses angebaut sein.
Die Behandlung der von der gegenständlichen Schaltstation ausgehenden elektromagnetischen Strahlungen bzw. Kraftfelder fällt in den Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 10 B-VG (Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiete), von dem auch die Gefahrenabwehr von Schäden der Gesundheit und des Lebens von Menschen durch elektrischen Strom erfasst wird (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 3.650). Diesem Kompetenztatbestand trägt auch § 1 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1996 Rechnung, der unter anderem festlegt, dass folgende Bauwerke vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sind: Elektrische Leitungsanlagen, ausgenommen Gebäude (§ 2 des NÖ Starkstromwegegesetzes, LGBl. 7810), Stromerzeugungsanlagen (§ 2 des Gesetzes über Angelegenheiten des Elektrizitätswesens in NÖ, LGBl. 7800), Gas-, Erdöl- und Fernwärmeleitungen. Zum vergleichbaren Kompetenztatbestand "Fernmeldewesen" hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die Baubehörde gesundheitliche Belange im Zusammenhang mit einer Fernmeldeanlage aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht prüfen darf (siehe zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0153).
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, wird auch ohne diesbezügliche ausdrückliche Regelung im Gesetz im starkstromwegerechtlichen Baubewilligungsverfahren den betroffenen Grundeigentümern ein Mitspracherecht dahingehend eingeräumt, ob durch die Leitungsanlage für sie und ihr Eigentum eine Gesundheitsgefährdung droht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0137, und die dort angeführte hg. Vorjudikatur). Die geltend gemachte Gesundheitsbeeinträchtigung wäre daher von den Baubehörden im Bauverfahren nicht zu überprüfen gewesen. Da die Verfahrensrechte einer Partei nie weiter gehen als ihre materiellen Rechte (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 9.170/A), ist daher auf die Frage, ob das eingeholte ärztliche Gutachten eine taugliche Entscheidungsgrundlage ist, nicht einzugehen.
Allerdings ist das Beschwerdevorbringen, wonach der Verwendungszweck des Nebengebäudes jenem des Hauptgebäudes nicht untergeordnet sei, im Ergebnis berechtigt.
Abgesehen davon, dass der vorgelegte Akt keinen schlüssigen Hinweis darauf enthält, dass die Schaltstation dem Hauptgebäude diene, teilt der Verwaltungsgerichtshof die im angefochtenen Bescheid dargelegte Ansicht, wonach es auf einen organisatorischen Zusammenhang mit dem Hauptgebäude nicht ankomme, in dieser Allgemeinheit nicht.
Aus der beispielsweisen Aufzählung im Gesetz (Garage, Werkzeughütte) lässt sich nicht nur eine Unterordnung im Sinne des Ausmaßes sondern auch eine funktionale Zuordnung zum Verwendungszweck des Hauptgebäudes ableiten, weil das Abstellen von Fahrzeugen oder das Unterbringen von Werkzeugen dem Wohnzweck bei Wohnhäusern oder z.B. dem Produktionszweck bei gewerblichen Anlagen zwar untergeordnet ist, aber doch einen gewissen Konnex zum Verwendungszweck des Hauptgebäudes aufweist.
Da ein derartiger Konnex hier nicht festgestellt wurde, ist die belangte Behörde zu Unrecht vom Vorliegen eines in der Abstandsfläche zulässigen Nebengebäudes ausgegangen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am