VwGH 25.05.1987, 85/08/0093
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die Vermutung spricht im Verhältnis zwischen minderjährigen Kindern und ihren Eltern für den Ausfluss einer familienrechtlichen Mitarbeitsverpflichtung. Die Begründung eines Dienstverhältnisses zwischen solchen Kindern und ihren Eltern ist eher als Ausnahmefall (atypisch) anzusehen (Hinweis E , 2922/78 = ZfVB 1982/3/881; E , 82/08/0019 = ZfVB 1985/1/164; E , 84/08/0187). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 82/08/0030 E RS 2 |
Norm | ASVG §4 Abs1; |
RS 2 | Zur Abgrenzung der familienhaften Beschäftigungsverhältnisse zwischen Angehörigen von solchen, die in wechselseitigen rechtlichen Verpflichtungen ihren Grund haben kommt es darauf an, ob nach dem Parteiwillen oder den Umständen des Falls die Arbeitsleistung das Gepräge einer unentgeltlichen Gefälligkeit hat (Hinweis E , 2922/78 und E , 1205/78, VwSlg 10258 A/1980). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0129/80 E VwSlg 11120 A/1983 RS 6 |
Normen | |
RS 3 | Anders als im Verhältnis zwischen Kindern zu ihren Eltern besteht keine gesetzliche (familienrechtliche) Mitarbeitspflicht der Schwiegertochter im Betrieb ihres Schwiegervaters; ihre regelmäßige Mitarbeit kann nicht als Ausfluß einer familienrechtlichen Mitarbeitsverpflichtung gewertet werden. Die Vermutung spricht nicht für eine solche unentgeltliche Beschäftigung im Rahmen bloß familienhafter Beziehungen (hier: Mitarbeit der Schwiegertochter als Kanzleileiterin in der RA-Kanzlei ihres Schwiegervaters und bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2922/78 E RS 2 |
Normen | |
RS 4 | Mangels einer familienrechtlichen Unterstützungs- und Beistandspflicht spricht die Vermutung nicht für eine unentgeltliche Beschäftigung im Rahmen bloß familienhafter Beziehung (hier: Tätigkeit der Enkelin, deren Mutter noch lebte, im Geschäft der Großmutter; Hinweis E , 0129/80). |
Normen | |
RS 5 | Nach der Rechtsprechung des VwGH ist bei Beschäftigungsverhältnissen zwischen wechselseitig nicht unterhaltspflichtigen bzw. - berechtigten Verwandten im Zweifel ein entgeltliches arbeitsrechtliches Verhältnis als bedungen anzunehmen. Dies muss insbesondere auch für die Qualifikation festgestellter Geldleistungen als Entgelt (und nicht als "Taschengeld") gelten (Hinweis E , 0129/80). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der GF in Australien, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien II, Leopoldsgasse 51, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 14-F 60/80, betreffend Begünstigung gemäß den §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien II, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom lehnte die mitbeteiligte Partei die von der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 500 ff ASVG beantragte Begünstigung für die Zeit vom bis mit der Begründung ab, daß die Beschwerdeführerin in der Zeit seit dem bis zur Emigration weder Beitragsnoch Ersatzzeiten aufzuweisen habe.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Einspruch, in dem sie behauptete, vom Juli 1937 bis Mai 1938 im Unternehmen ihrer Großmutter, AS, Handel mit Klavieren in Wien nn, gearbeitet zu haben.
Diesen Einspruch wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab, stellte gemäß den §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen einer Begünstigung aufgrund von § 502 Abs. 4 ASVG nicht erfüllt habe, und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom für den gesamten Zeitraum vom bis . Nach den in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgezeigten Erwägungen werde aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen, daß sich die Beschwerdeführerin in der maßgeblichen Zeit während des Tages im Klaviersalon S aufgehalten und dort teilweise unter Anweisung von Familienangehörigen und teilweise selbständig diverse Verrichtungen, die mit Klavieren im Zusammenhang gestanden seien, vorgenommen habe. Welcher Art diese Anweisungen der Familienangehörigen tatsächlich gewesen seien und ob sie sich demnach auf die Einordnung in einen Betriebsorganismus und auf die Unterordnung unter einen Dienstgeberwillen bezogen hätten, sei weder durch die Beschwerdeführerin selbst noch durch Zeugen bekundet worden. Deshalb seien die Angaben der Beschwerdeführerin, sie habe Weisungen von ihrer Mutter und von ihrer Großmutter bekommen, in der hervorgetretenen Unbestimmtheit und damit ohne nähere Qualifikation nicht geeignet, sozialversicherungsrechtlich relevant als Nachweis des Vorliegens eines entscheidenden Merkmales eines Dienstverhältnisses - der Weisungsgebundenheit - zu dienen. In der Folge habe die Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebracht, sie sei mitarbeitenden Familienmitgliedern gleichgestellt gewesen. Diese Aussage mache deutlich, daß die Beschwerdeführerin im Rahmen des unbestritten vorliegenden Familienbetriebes Tätigkeiten wie die übrigen Familienmitglieder verrichtet habe und es sei im gesamten Verfahren niemals behauptet worden, ein anderes Familienmitglied sei in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gestanden. Dies spreche gegen das Vorliegen der Merkmale einer untergeordneten Beschäftigung und damit gegen das tatsächliche Vorliegen eines versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses. Das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe den ganzen Tag anwesend sein müssen, es habe sie Anwesenheitspflicht getroffen, sei in dieser Art für sich allein auch nicht beweiskräftig, weil einerseits Mitarbeit im Familienkreis ebenfalls nur zur geschäftsüblichen Tageszeit sinnvoll und zielführend sei und anderseits weder die Beschwerdeführerin noch die Zeugen zum Ausdruck gebracht hätten, es habe sich um eine echte Anwesenheitspflicht im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gehandelt, deren Nichteinhaltung Sanktionen arbeitsrechtlicher Natur nach sich gezogen hätte. Zu einer derartigen Konkretisierung reichten die Angaben mancher Zeugen, sie hätten die Beschwerdeführerin bei ihren Geschäftsbesuchen immer gesehen, keinesfalls aus, weil dadurch keinesfalls das Faktum, die Beschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt des Geschäftsbesuches des Zeugen eben als mithelfendes Familienmitglied im Klavierhaus S aufgehalten, auszuschließen sei. Was schließlich die Aussage der Beschwerdeführerin über die Entlohnung anlange, so besage das Faktum, daß die Beschwerdeführerin Geldbeträge erhalten habe, noch lange nicht, daß diese Geldbeträge Entgelt, nämlich Bezüge aus einem untergeordneten Beschäftigungsverhältnis gewesen seien. Zur Erlangung der Qualifikation eines sozialversicherungsrechtlich relevanten Entgelts sei die Auszahlung als Leistungsabgeltung für einen bestimmten Zeitraum zwingend erforderlich. Die Beschwerdeführerin habe jedoch weder behaupten noch nachweisen können, daß ihr in bestimmten regelmäßigen Zeitabständen Geldbeträge zugestanden seien. Dem Gehalte der gesamten Ermittlungsergebnisse gemäß erscheine vielmehr erwiesen, daß die Beschwerdeführerin für ihre Mitarbeit im Familienkreis Geldbeträge in Form eines fallweisen Taschengeldes verschiedener Höhe erhalten habe, dessen Ausmaß demgemäß nicht in der Erinnerung der Beschwerdeführerin haften geblieben sei. Sohin seien aufgrund der Parteienaussage keinerlei Merkmale einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erweislich. Was nun die Zeugenaussagen anlange, so hätten die Angaben von PR deswegen keinerlei objektiven Beweiswert, da dieser Zeuge im strittigen Zeitraum nicht einmal in Österreich gewesen sei, demnach eigene Wahrnehmungen der Beschäftigung der Beschwerdeführerin auszuschließen seien. Daher habe dieser Zeuge auch keine Antworten auf Fragen geben können, die auf das betriebsinterne Erscheinungsbild der Beschwerdeführerin Bezug gehabt hätten. Der Zeuge RF habe in einer eidesstättigen Erklärung zunächst vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei bei ihrer Großmutter bis Mai 1938 als Verkäuferin tätig gewesen, habe dies aber anläßlich seiner Befragung im Wege der zuständigen Österreichischen Vertretungsbehörde dadurch abgeschwächt, daß er Fragen nach den relevanten Kriterien eines Dienstverhältnisses mit "nein" bzw. "mir unbekannt" beantwortet habe. Somit ermangle auch der Aussage dieses Zeugen relevante Beweiskraft, da eine allfällige Bezeichnung als Verkäuferin für sich allein solange rechtlich belanglos bleibe, als diese Bezeichnung nicht durch sozialversicherungs- und arbeitsrechtlich entscheidende Kriterien untermauert werde. Die Zeugen AK, die ihren Angaben zufolge direkt im Klaviersalon S gearbeitet habe, habe die Beschwerdeführerin in einer Erklärung an Eidesstatt zuerst als Verkäuferin bezeichnet, dies über schriftliche Befragung in der Folge jedoch damit abgeschwächt, sie wisse nur, daß die Beschwerdeführerin im Geschäft gearbeitet habe. Letztere Angabe liege ganz auf der Linie einer Mitarbeit der Beschwerdeführerin im Familienkreis. Die Beantwortung der Frage nach der Stellung der Beschwerdeführerin im Betrieb bzw. weiterer detaillierter Fragen nach deren Beschäftigungsmerkmalen mit bloßem "ja" könnten über den Bestand eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses keinerlei relevanten Nachweis erbringen. Hingegen erweise die Beantwortung der Frage nach der Stellung der Beschwerdeführerin im Betrieb mit der Wendung "PS" vielmehr, daß diese Zeugin in Wahrheit über die Stellung der Beschwerdeführerin im Klaviersalon nicht Bescheid gewußt habe und ihre Erstangabe "Verkäuferin" nicht den damaligen tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Auch diese Angaben könnten nichts zum Nachweis eines untergeordneten Beschäftigungsverhältnisses erbringen. Die Zeugin GK habe die Beschwerdeführerin nur einmal im Geschäft getroffen. Diese Tatsache lasse keinerlei Rückschlüsse auf ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beschwerdeführerin zu. Dr. JK habe in einer Erklärung vorerst bekundet, er könne sich an eine Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Angestellte erinnern, habe seine Angaben bei der Befragung vor der österreichischen Vertretungsbehörde jedoch dahin gehend umgekehrt, er kenne die Beschwerdeführerin nur aus fallweisen Besuchen in einem Schwimmbad und könne mangels Kontakt mit der Beschwerdeführerin zum damaligen Zeitpunkt keine weiteren Angaben machen. Auch hier liege keine Untermauerung des in Rede gestellten versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses vor. Die einzige Angabe der Zeugin KZ, aus Erzählungen zu wissen, die Beschwerdeführerin habe im Klavierhaus S vorgespielt und verkauft, sage ihrem tatsächlichen Gehalt nach nichts darüber aus, unter welchen tatsächlichen bzw. arbeits- und sozialrechtlich relevanten Bedingungen die Beschwerdeführerin im Klavierhaus S gearbeitet habe, und erbringe demnach ebenfalls keinerlei Nachweis eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Der Zeuge FF sei letztlich nur eines Gelegenheitskaufes willen ca. sechs Mal im Geschäft S gewesen und habe aufgrund nicht näher verifizierter Listen, die die Beschwerdeführerin vor sich liegen gehabt haben sollte, vermutet, es könnte ein Anstellungsverhältnis vorgelegen haben. Konkrete Angaben hiezu fehlten auch hier. Sohin liege keinerlei Nachweis eines untergeordneten Beschäftigungsverhältnisses der Beschwerdeführerin in der Aussage dieses Zeugen. Wenn schließlich auch richtig sei, daß es im Bereich der Sozialversicherung nicht auf Bezeichnungen der Parteien ankomme, so falle jedenfalls auf, daß die Beschwerdeführerin ihre erste Angabe, kaufmännischer Lehrling gewesen zu sein, dies trotz gleicher Angabe seitens der Zeugin T, in der Gegenäußerung gleich wieder bestritten habe und qualifizierte Verkäuferin für Klaviere gewesen sein wolle. Dies, obwohl ihr aufgrund ihres jugendlichen Alters jegliche Verkaufserfahrung über die verschiedenen Eigenschaften der Klaviermarken ermangeln haben müssen und der Besuch der Kinderabteilung des Konservatoriums im Lebensalter von acht Jahren - wie dies das vorgelegte Zeugnis aufzeige - Verkaufsqualifikationen keinesfalls erbracht habe. Der Wechsel der Angaben der Beschwerdeführerin sei somit schlechthin unerklärlich und vermöge ihren Rechtsstandpunkt in keiner Weise zu stützen. Weder die Beschwerdeführerin selbst noch die Zeugen hätten die Ausübung einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit objektivieren können. Daher könne der Rechtsmeinung der mitbeteiligten Partei, es habe für die Beschwerdeführerin kein versicherungspflichtiges Dienstverhältnis bestanden, nicht mehr entgegen getreten werden.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im § 502 Abs. 1 und 4 ASVG, in der Fassung der 19. und 29. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 67/1967 und Nr. 31/1973, vorgesehene begünstigte Erwerbung von Anwartschaften und Ansprüchen für Zeiten (unter anderem) einer aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung veranlaßten Arbeitslosigkeit (Abs. 1) oder Auswanderung (Abs. 4) setzt voraus, daß der Begünstigungswerber in der Zeit seit dem Beitragszeiten gemäß § 226 ASVG oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 ASVG zurückgelegt hat.
Gemäß § 229 Abs. 1 Z. 2 ASVG gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem in der Pensionsversicherung der Angestellten die vor dem und nach Vollendung des 15. Lebensjahres gelegenen Zeiten einer Beschäftigung als Angestellter, während derer nach dem Stande der Vorschriften vom ... die Pflichtversicherung in der Angestellten(Pensions)versicherung begründet wurde, soweit sie nicht schon als Beitragszeiten zählen.
Als solche Vorschriften nach dem Stande vom ist unter anderem § 223 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes 1938, BGBl. Nr. 2 (GSVG 1938), heranzuziehen. Darnach war, nach den für die Angestelltenversicherung geltenden Vorschriften dieses Gesetzes versicherungspflichtig (angestelltenversicherungspflichtig) und für die Fälle der Krankheit, der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes sowie für die Folgen eines Dienstunfalles versichert (angestelltenversichert), wer im Inland bei einem oder mehreren Dienstgebern vorwiegend zu den dort genannten Diensten angestellt war.
Nach § 224 Abs. 1 GSVG 1938 waren von der
Angestelltenversicherungspflicht ausgenommen ... 4. die ehelichen
(legitimierten) Kinder, Wahl- und Stiefkinder sowie die ehelichen Enkel des Dienstgebers, die unehelichen Kinder eines weiblichen Dienstgebers, die Eltern, Großeltern sowie der Gatte, die Gattin des Dienstgebers.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die am geborene Beschwerdeführerin nach Vollendung ihres 15. Lebensjahres bis Mai 1938 im Klaviergeschäft ihrer Großmutter tätig war. Somit galt nach dem Stande der Vorschriften vor dem die oben zitierte Ausnahmebestimmung des § 224 Abs. 1 Z. 4 GSVG 1938.
Gemäß § 229 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG, in der Fassung der 29. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, gelten als Ersatzzeiten vor dem in der Pensionsversicherung der Arbeiter bzw. in der Pensionsversicherung der Angestellten (überdies) vor dem Zeitpunkt der Einführung der Pflichtversicherung in der Pensions(Renten)versicherung gelegenen Zeiten, für die der Versicherte die Ausübung einer Beschäftigung im Betriebe der Eltern, Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern, die bei früherem Wirksamkeitsbeginn der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung begründet hätte, nachweisen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/08/0032, und die dort zitierte Vorjudikatur), fallen unter die Bestimmung des § 229 Abs. 1 Z. 4 lit. a ASVG, in der Fassung der 29. ASVG-Novelle, BGBl. Nr. 31/1973, mangels einer entsprechenden Einschränkung in ihr nicht nur Zeiten einer solchen Beschäftigung, die eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 3 ASVG begründet hätten, also Zeiten, in denen der Versicherte im Betrieb der dort genannten Personen ohne Entgelt regelmäßig beschäftigt war und keiner anderen Erwerbstätigkeit hauptberuflich nachging, sondern auch Zeiten, die eine Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 oder 2 ASVG begründet hätten, d.h. Zeiten, in denen der Versicherte im Betrieb seiner Eltern als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG oder als Lehrling beschäftigt war.
Die Beschwerdeführerin vollendete am das 17. Lebensjahr, die von ihr behauptete Beschäftigung im Klaviergeschäft ihrer Großmutter dauerte jedoch nur bis Mai 1939 an. Damit scheidet der § 4 Abs. 1 Z. 3 ASVG schon aus diesem Grunde aus der Betrachtung aus. Von den verbleibenden Tatbeständen (Z. 1 und Z. 2) im § 4 Abs. 1 ASVG, wurde von der Beschwerdeführerin der versicherungsbegründende Tatbestand der Z. 2 (Beschäftigung als Lehrling) schließlich nicht mehr geltend gemacht. Die belangte Behörde zog im angefochtenen Bescheid den Tatbestand der Z. 1 des § 4 Abs. 1 ASVG zur Beurteilung des Vorliegens von Ersatzzeiten der Beschwerdeführerin heran. Dieses Vorgehen an sich blieb in der Beschwerde unbestritten.
Die belangte Behörde würdigte das von ihr ermittelte Beweisergebnis dahin gehend, daß die Beschwerdeführerin in der fraglichen Zeit im Betrieb ihrer Großmutter nicht als Dienstnehmerin im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt gewesen sei.
Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber dem Merkmal selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Die Beantwortung der Frage, ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) nur beschränkt ist.
Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Arbeitsempfängers) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/08/0180, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die belangte Behörde geht in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß die Beschwerdeführerin im Geschäft ihrer Großmutter nicht als Dienstnehmerin im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG beschäftigt gewesen sei, sondern daß es sich um eine Mitarbeit "im Familienkreis" gehandelt habe.
Für die Beurteilung der regelmäßigen Beschäftigung einer Person im Betrieb eines nahen Angehörigen als ein auf ausdrückliche oder schlüssige dienstvertragliche Vereinbarung gegründetes Beschäftigungsverhältnis einerseits oder als eine nicht auf einem solchen Rechtstitel beruhende Beschäftigung anderseits ist das Vorliegen einer familienrechtlichen Mitarbeitsverpflichtung von Bedeutung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes spricht die Vermutung im Verhältnis zwischen minderjährigen Kindern und ihren Eltern für den Ausfluß einer familienrechtlichen Mitarbeitsverpflichtung. Die Begründung eines Dienstverhältnisses zwischen solchen Kindern und ihren Eltern ist eher als Ausnahmefall (atypisch) anzusehen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 85/08/0106, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht -
anders als im Verhältnis zwischen Kindern und Eltern keine gesetzliche (familienrechtliche) Mitarbeitspflicht der Nichte im Betrieb ihres Onkels bzw. ihrer Tante sowie der Schwiegertochter im Betrieb ihres Schwiegervaters (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 08/0129/80, und die dort zitierte Vorjudiaktur).
Dieser Gedanke ist auf den vorliegenden Fall schon deswegen zu übertragen, weil - wie sich aus der diesbezüglich unbestritten gebliebenen Sachverhaltsannahme in der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt - in der fraglichen Zeit (zumindest bis Mai 1938) die Mutter der Beschwerdeführerin noch lebte und deshalb im Verhältnis der Beschwerdeführerin zu ihrer Großmutter keine familienrechtliche Unterstützungs- und Beistandspflicht bestand.
Das Fehlen einer familienrechtlichen Mitarbeitspflicht rechtfertigt allerdings noch nicht ohne weiteres den Schluß, daß deshalb allein schon ein arbeitsvertragliches Beschäftigungsverhältnis vorliege. Es könnte schließlich eine ohne Rechtsgrund erfolgende Tätigkeit entfaltet werden - die gesollte Leistungserbringung erschiene diesfalls als Gefälligkeit, Entgelt als "Taschengeld" oder "Unterstützung" usf. Bei der - schwierigen -
Abgrenzung dieser familienhaften, auf bloßer Gefälligkeit beruhenden Beschäftigungsverhältnisse zwischen Angehörigen von solchen, die in welchselseitigen rechtlichen Verpflichtungen ihren Grund haben, muß eine bloß tatsächliche, nur am objektiven Tatbestand orientierte Betrachtungsweise versagen. Es kommt bei dieser Abgrenzung vielmehr darauf an, ob nach dem - ausdrücklich erklärten oder zu erschließenden Parteiwillen, hilfsweise nach den gesamten aufgrund redlicher Verkehrssitte zu beurteilenden Umständen des Falles, die Arbeitsleistung das Gepräge einer unentgeltlichen Gefälligkeit hat oder nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 08/2922/78). Jedenfalls spricht mangels einer familienrechtlichen Unterstützungs- und Beistandspflicht die Vermutung nicht für eine unentgeltliche Beschäftigung im Rahmen bloß familienhafter Beziehung (vgl. auch hier das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 08/0129/80).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist zu beurteilen, ob das von der belangten Behörde festgestellte Sachgeschehen als Ausfluß einer arbeitsrechtlichen Dienstleistungsverpflichtung oder bloß einer Mithilfe im Rahmen verwandtschaftlicher Beziehungen zu werten ist.
Zunächst nimmt die belangte Behörde als erwiesen an, daß sich die Beschwerdeführerin während des ganzen Tages im Klaviersalon S aufgehalten und dort - teilweise unter Anweisung von Familienangehörigen und teilweise selbständig diverse Verrichtungen, die mit Klavieren im Zusammenhang gestanden seien, vorgenommen habe.
Wohl können diese Umstände auch bei einer familienhaften Mithilfe vorliegen. Unter Berücksichtigung der gesamten Ermittlungsergebnisse spricht dieses als bewiesen angenommene Sachgeschehen jedoch mehr für die Bindung der Beschwerdeführerin an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzliche) persönliche Arbeitspflicht. In diesem Zusammenhang ist es unmaßgeblich, daß - wie es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt - weder durch die Beschwerdeführerin noch durch Zeugen "bekundet" worden sei, welcher Art diese Anweisungen tatsächlich gewesen seien und ob sie sich demnach auf die Einordnung in einem Betriebsorganismus und auf die Unterordnung unter einen Dienstgeberwillen bezogen hätten, denn das Fehlen solcher Angaben schließt nicht aus, daß die unbestritten erteilten Weisungen nicht doch Ausfluß eines Beschäftigungsverhältnisses waren. Auch spricht es für sich allein nicht gegen das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, daß die Beschwerdeführerin zum Ausdruck gebracht habe, sie sei mitarbeitenden Familienmitgliedern gleichgestellt gewesen. Hätte nämlich die belangte Behörde Schlußfolgerungen aus einem Vergleich mit der Tätigkeit anderer Familienmitglieder ziehen wollen, so wären von ihr zuerst Feststellungen über die Art der Tätigkeit dieser übrigen Familienmitglieder zu treffen gewesen.
Die Aussage der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß "zur Erlangung der Qualifikation eines sozialversicherungsrechtlich relevanten Entgeltes die Auszahlung als Leistungsabgeltung für einen bestimmten Zeitraum zwingend erforderlich" sei, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Die Beschwerdeführerin brachte vor, daß ihre Tätigkeit mit Geldbezügen abgegolten worden sei, sie sich jedoch an die betragsmäßige Höhe sowie die zeitlichen Abstände der Zahlungen nicht mehr erinnern könne. Diese Erklärung berechtigt aber nicht zur Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin "für ihre Mitarbeit im Familienkreis Geldbeträge in Form eines fallweisen Taschengeldes verschiedener Höhe erhalten" habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Beschäftigungsverhältnissen zwischen wechselseitig nicht unterhaltspflichtigen bzw. - berechtigten Verwandten im Zweifel ein entgeltliches arbeitsrechtliches Verhältnis als bedungen anzunehmen. Dies muß insbesondere auch für die Qualifikation festgestellter Geldleistungen als Entgelt (und nicht als "Taschengeld") gelten (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 08/0129/80). Darüber hinaus sagte die Zeugin AK vor der Österreichischen Vertretungsbehörde aus, daß die Beschwerdeführerin "Gehalt bekommen" habe.
Ganz allgemein ist zu sagen, daß die von der Beschwerdeführerin konkret angeführten Umstände, die eher für ihre Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht beziehen, durch die im angefochtenen Bescheid dargelegten - kurzen und nicht immer das rechtliche Wesen treffenden - Zeugenaussagen jedenfalls nicht widerlegt, sondern indirekt bestätigt werden.
Dies trifft insbesondere für die ebenfalls im gegenständlichen Klaviergeschäft beschäftigt gewesene Zeugin AK zu. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführte Tatsache, daß diese Zeugin die ihr gestellten Fragen nach der Stellung der Beschwerdeführerin im Betrieb bzw. weitere detaillierte Fragen nach deren Beschäftigungsmerkmalen mit bloßem "ja" beantwortet habe, spricht eher für die Bestätigung der Angaben der Beschwerdeführerin und kann dieser jedenfalls nicht zu ihrem rechtlichen Nachteil ausgelegt werden.
Schließlich ist auch die in der obigen Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene Auseinandersetzung der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Qualifikation der Beschwerdeführerin als Verkäuferin nicht geeignet, nach den gesamten Umständen des Falles der Arbeitsleistung der Beschwerdeführerin das Gepräge einer familienhaften Mitarbeit zu geben. Dies insbesondere deshalb, weil es beim Verkauf und "Verleih" von Klavieren erfahrungsgemäß in erster Linie nicht auf eine kaufmännische Verkaufserfahrung ankommt, sondern auf die Fähigkeit, den Klang des jeweiligen Klavieres in gefälliger Form vorzuführen.
Aus allen diesen Erwägungen sind die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführten Sachverhaltsannahmen nicht ausreichend, um den Spruch des angefochtenen Bescheides stützen zu können. Deshalb entspricht seine Begründung nicht den Erfordernissen des § 60 AVG 1950. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Begründungsmangels zu einem anderen als dem angefochtenen Bescheid hätte kommen können, ist dieser gemäß § 42 Abs. 3 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 auf das gegenständliche Verfahren anzuwenden ist.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1987:1985080093.X00 |
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OAAAE-32837