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VwGH vom 09.06.1995, 95/02/0046

VwGH vom 09.06.1995, 95/02/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom , Zl. Senat-MD-94-560, betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er sei als Vorstandsmitglied und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B.W.-AG. mit dem Sitz in W. dafür verantwortlich, daß am in einer örtlich umschriebenen Filiale folgende Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht eingehalten worden seien:

Obwohl sechs Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, sei keine Person für die Erste-Hilfe-Leistung nachweislich ausgebildet gewesen. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 31 Abs. 2 lit. g Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 81 Abs. 5 und 6 AAV begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, er habe im Verwaltungsverfahren vorgebracht, Filialinspektor M. sei zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 23 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 bestellt gewesen und sei dieser Bestellungsakt dem Arbeitsinspektorat auch zur Kenntnis gebracht worden. Dies führt zum Erfolg der Beschwerde:

Die Absätze 1 und 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 lauten:

(1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG.

(2) Arbeitnehmer/innen können für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG rechtswirksam nur bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

Was zunächst die Frage anlangt, ob die in Rede stehende Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten vor der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat beim "zuständigen" Arbeitsinspektorat (vgl. § 23 Abs. 1 erster Satz Arbeitsinspektionsgesetz 1993) eingelangt ist, so findet sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Feststellung, in diesem Falle sei das zuständige Arbeitsinspektorat das Arbeitsinspektorat Graz (für den 11. Aufsichtsbezirk) gewesen. Dagegen habe das Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk (entsprechend dem Sitz der Unternehmensleitung) dem Unternehmen, dessen Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei, mitgeteilt, daß alle für Österreich geltenden Bestellungsurkunden an dieses Arbeitsinspektorat zu übermitteln seien. In einer internen Mitteilung sei auch seitens des Arbeitsinspektorates Graz mitgeteilt worden, daß auch in verfahrensgegenständlicher Sache das Arbeitsinspektorat für den 5. Aufsichtsbezirk das zuständige sei. Die Unterlassung der rechtzeitigen Übermittlung der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten könne den Beschwerdeführer allerdings nicht beschweren, da dieser auf Grund des eindeutig sich als zuständig deklarierenden Arbeitsinspektorates für den

5. Aufsichtsbezirk zu Recht darauf hätte vertrauen dürfen, durch die (rechtzeitige) Übermittlung an das anfordernde Arbeitsinspektorat den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gemäß § 23 in Verbindung mit § 15 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 Genüge zu tun. Die Bestrafung des Beschwerdeführers sei dennoch rechtens, weil der erwähnte Filialinspektor nicht als leitender Angestellter im Sinne des § 23 Abs. 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 anzusehen sei und es der Beschwerdeführer auch an der entsprechenden Kontrolle habe fehlen lassen.

Das von der belangten Behörde in Hinsicht auf das rechtzeitige Einlangen des Nachweises der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten beim zuständigen Arbeitsinspektorat verneinte Verschulden des Beschwerdeführers schlägt allerdings auf das Ergebnis des angefochtenen Bescheides sehr wohl durch: Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0470 (auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird) zur Vorschrift des § 23 Abs. 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 ausführlich dargelegt, hier gehe es offenbar darum, daß Arbeitnehmer, die zu verantwortlichen Beauftragten bestellt würden und damit dem Arbeitgeber die diesbezügliche Verantwortlichkeit abnähmen, im Sinne der grundsätzlichen Regelung des § 9 Abs. 4 VStG auch eine entsprechende Anordnungsbefugnis haben sollen, die es ihnen ermögliche, Verstöße zu verhindern, für die sie verantwortlich gemacht werden können. Dies werde im Hinblick auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens ein Arbeitnehmer sein, der für diesen Bereich eine spezifische Leitungsfunktion ausübe; dazu sei es aber nicht erforderlich, daß ihm ein Einfluß auf die Unternehmensführung zukomme. Dem § 23 Abs. 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 könne keinesfalls der Inhalt unterstellt werden, der im Ergebnis dazu führe, daß Arbeitnehmer (weil nicht zum Management der "zweiten Ebene" zählend) praktisch niemals zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden könnten. Bezogen auf den damaligen Beschwerdefall führte der Verwaltungsgerichtshof weiter aus, es liege im Wesen der Funktion eines Filialleiters, am Ort des Geschehens für die Einhaltung bestimmter rechtlicher Gebote und Verbote durch entsprechende Anweisungen zu sorgen; das Freihalten von Notausgängen, um das es hier gehe, sei eine geradezu typische Angelegenheit, die sinnvollerweise in den Verantwortungsbereich eines Filialleiters übertragen werden könne. Vergleichbares gelte auch für einen Arbeitnehmer mit der Funktion eines "Bezirksleiters", zu dessen Befugnissen unter anderem die wöchentliche Kontrolle von Filialen und das Treffen von Anordnungen gegenüber den Filialleitern zähle.

Im Lichte dieser Rechtsanschauung hat die belangte Behörde die Rechtslage insoweit verkannt, als sie davon ausging, der Filialinspektor M. könne nicht als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 23 Abs. 2 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 rechtswirksam bestellt werden und die Prüfung unterließ, ob der Genannte entsprechend seiner Funktion in der Lage gewesen wäre, für die Einhaltung jener Vorschrift der AAV zu sorgen, deren Verletzung dem Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid zur Last gelegt wurde. Die belangte Behörde konnte daher auch nicht ohne weiteres annehmen, die unverschuldete Verspätung beim Einlangen des Zustimmungsnachweises beim zuständigen Arbeitsinspektorat sei im Ergebnis ohne Bedeutung, da der Filialinspektor M. - da kein leitender Angestellter - ohnedies nicht rechtswirksam zum verantwortlichen Beauftragten bestellt hätte werden können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.