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VwGH vom 16.04.1986, 85/03/0180

VwGH vom 16.04.1986, 85/03/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde des ES in L, vertreten durch Dr. Erich Wöhrle, Rechtsanwalt in Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 8-42 Su 1/4-1985, betreffend Festlegung eines Abschußplanes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.286,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Pächter des Revieres "K" der Österreichischen Bundesforste. Am reichte der Wirtschaftsführer der zuständigen Forstverwaltung Bad Aussee, OFR Dipl.Ing. HW, als bevollmächtigter Vertreter des Beschwerdeführers einen Abschußplan für das genannte Revier für das Jagdjahr 1985/86 beim zuständigen Bezirksjägermeister zur Genehmigung ein. Darin wird - u.a. - der Frühjahrswildbestand an Rotwild mit insgesamt 120 Stück angegeben. Ferner heißt es in der Spalte "Anmerkung zur Wildstandsbewirtschaftung": "Wegen der geringen Schneelage war die Zählung des Rotwildes bei den Fütterungen nicht exakt möglich. Die Wildstandsermittlung erfolgte somit rechnerisch (Grundlage Frühjahrswildstand 1984)."

Mit Eingabe vom gab der Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft Liezen bekannt, daß das Vollmachtsverhältnis mit Dipl.Ing. W gelöst worden sei. Gleichzeitig beantragte er mit der Behauptung, daß der von Dipl.Ing. W erstellte Abschußplan der vorgenommenen Wildzählung nicht entspreche, "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Überreichung des Abschußplanes" und legte einen in einigen Positionen gegenüber dem von Dipl.Ing. W vorgelegten Abschußplan abweichenden Abschußplan vor, der - u.a. - einen Frühjahrswildbestand an Rotwild von insgesamt 86 Stück ausweist und in der Spalte "Anmerkungen zur Wildstandsbewirtschaftung" folgende Eintragung enthält: "Infolge mehrerer Kälteperioden mit grimmiger Kälte war die Zählung des Rotwildes bei den Fütterungen exakt möglich."

Mit Schreiben vom leitete der Bezirksjägermeister die Wildabschußpläne mit der Mitteilung, daß ein Einvernehmen mit der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft "in dem vom Jagdberechtigten eingereichten Abschußplan" nicht habe hergestellt werden können, an die Politische Expositur der Bezirkshauptmannschaft Liezen in Bad Aussee zur Festlegung des Abschußplanes gemäß § 63a Abs. 4 des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1954 weiter. Diese Behörde erließ sodann nach Durchführung einer Verhandlung einen mit datierten Bescheid mit folgendem Spruch:

"Gemäß §§ 63a Abs. 4 und 94 Abs. 1 Stmk. Jagdgesetz 1954, LGBl. Nr. 58 in der gültigen Fassung wird der Abschußplan für das Revier 'K' der Österreichischen Bundesforste in Bad Aussee, welches von Herrn Komm.-Rat ES gepachtet wurde, für das Jagdjahr 1985/86 wie folgt festgelegt: Der von Herrn OFR. Dipl.Ing. HW als zuständiger Forstmeister der Grundeigentümerin und als bevollmächtigter Vertreter des Herrn Komm.-Rat ES am erstellte und vorgelegte Abschußplan, welcher als Beilage A einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet, wird vollinhaltlich genehmigt."

Nach der Begründung habe die Behörde deshalb dem von Dipl.Ing. W vorgelegten Abschußplan zugestimmt, "da einerseits damit ein Einvernehmen mit der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft besteht und andererseits dem Vertreter der Grundeigentümerin zugetraut werden darf, daß sie mit den forstlichen und jagdlichen Verhältnissen des verpachteten Reviers bestens vertraut, ist".

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Vertreter der Österreichischen Bundesforste am einen Abschußplan beim Bezirksjägermeister zur Genehmigung vorgelegt habe. Der Vertreter der Österreichischen Bundesforste sei zufolge Punkt 6 des zwischen den Österreichischen Bundesforsten und dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Vertrages zu dieser Antragstellung bevollmächtigt. Das Vollmachtsverhältnis sei für die Dauer der Jagdpacht unwiderruflich vereinbart worden. Mit Eingabe vom habe der Beschwerdeführer die Lösung des Vollmachtsverhältnisses bekanntgegeben und seinerseits, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, einen Abschußplan zur Genehmigung eingereicht. Diesbezüglich sei ein Einvernehmen zwischen Bezirksjägermeister und Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft nicht zustande gekommen, sodaß die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 63a Abs. 4 des Steiermärkischen Jagdgesetzes 1954 von sich aus zur Festlegung des Abschußplanes berufen gewesen sei. Diese Festlegung setze keine Antragstellung voraus, sondern erfolge amtswegig, sodaß die Frage der Vollmachtskündigung, für deren endgültige Klärung die Zivilgerichte zuständig wären, und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Ausgang dieses Verfahrens irrelevant seien. Das von der Vorinstanz durchgeführte Ermittlungsverfahren sei von beiden eingereichten Abschußanträgen ausgegangen, wobei festzustellen sei, dass der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag nicht die Zustimmung der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft gefunden habe, da der Abschuß an weiblichen Rotwild als zu gering erachtet worden sei. Hingegen habe sich die Bezirkskammer der Argumentation des Vertreters der Österreichischen Bundesforste Dipl.Ing. W angeschlossen. Bei Prüfung des Sachverhaltes falle hinsichtlich der Festlegung der Abschußzahlen zunächst auf, daß sowohl der Beschwerdeführer als auch der Vertreter der Österreichischen Bundesforste eine Bereinigung des bestehenden ungünstigen Geschlechterverhältnisses anstrebten, wobei der Beschwerdeführer dieses Ziel durch Aufhegung des weiblichen Wildes, der Vertreter der Österreichischen Bundesforste aber durch Reduktion des männlichen Wildes erreichen wolle. Die praktische Auswirkung bestehe beim Vorschlag des Beschwerdeführers durch den verhältnismäßig geringen Eingriff beim weiblichen Wild längerfristig in einer stärkeren Anhebung des Wildstandes, bei dem der österreichischen Bundesforste in einer geringen Anhebung des Wildstandes, weil bei beiden Anträgen nicht der errechnete Zuwachs laut Angabe des Frühjahrswildbestandes abgeschöpft werde. Beiden Anträgen sei gemeinsam, daß sie längerfristig ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis anstrebten. Um die Auswirkungen beider Vorschläge auf die Land- und Forstwirtschaft beurteilen zu können, habe die Berufungsbehörde eine Stellungnahme der zuständigen Sachverständigenabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung eingeholt, in welcher die Ausführungen der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft im erstinstanzlichen Verfahren bestätigt worden seien. Es könne daher in dem Umstand, daß sich die erstinstanzliche Behörde der Auffassung der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft angeschlossen habe, kein den Ausgang des Verfahrens beeinflußender Mangel erkannt werden. Auch hinsichtlich des Wildbestandes sei der Hinweis angebracht, daß der Frühjahrswildbestand unbestrittenermaßen am 120 Stück Rotwild betragen habe. Im Jagdjahr 1983/84 sei ein Abgang von 33 Stück, im Jagdjahr 1984/85 von 35 Stück erfolgt. Die Abgänge seien jeweils unter dem geschätzten Zuwachs gelegen. Daher könne, "da auch keine gravierenden Ursachen vorlagen", der Rotwildstand nicht auf die vom Beschwerdeführer im Abschußplan angegebene Zahl gesunken sein. Es werde somit auch von der Berufungsbehörde die Auffassung vertreten, daß unter Berücksichtigung sämtlicher Unsicherheitsfaktoren bei der Ermittlung des Frühjahrswildbestandes dem Standpunkt des Vertreters der Österreichischen Bundesforste ein höherer Wahrscheinlichkeitsgehalt zuzubilligen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, daß der "letztlich genehmigte Abschußplan" zufolge der vom Beschwerdeführer erklärten Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu Dipl.Ing. W von einem "Nichtbevollmächtigten" vorgelegt worden sei. Dem ist zu erwidern, daß das Vollmachtsverhältnis zu Dipl.Ing. W nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Einreichung des Abschußplanes, nämlich am , noch aufrecht war, weil erst mit der Eingabe an die Bezirkshauptmannschaft Liezen vom bekanntgegeben wurde, dass dieses Vollmachtsverhältnis "mit sofortiger Wirkung als aufgelöst erklärt wurde". Die Einreichung des Abschußplanes durch den zu diesem Zeitpunkt auch vom Standpunkt des Beschwerdeführers her noch bevollmächtigt gewesen Vertreter ist daher jedenfalls dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt jedoch nach § 10 Abs. 6 AVG 1950 nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt. Bei einander widersprechenden Erklärungen des Vollmachtgebers und des Bevollmächtigten gehen die Erklärungen des Vollmachtgebers vor (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes3, 49f).

Wenn der Beschwerdeführer daher mit Eingabe vom einen (gegenüber dem von Dipl.Ing. W eingereichten Abschußplan) abweichenden Abschußplan vorlegte, so änderte er damit den von seinem Vertreter erstellten Abschußplan. Ob das Vollmachtsverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch aufrecht bestand oder rechtswirksam aufgelöst war, ist zufolge § 10 Abs. 6 AVG 1950 für das gegenständliche Verwaltungsverfahren ohne Belang. Daß eine nachträgliche Änderung des rechtzeitig, also gemäß § 63a Abs. 2 dritter Satz des im Beschwerdefall anzuwendenden Steiermärkischen Jagdgesetzes 1954 (JG) für Schalenwild bis zum 1. Mai, für Auer- und Birkwild bis zum 1. April, eingereichten Abschußplanes nicht zulässig sein sollte, solange eine Genehmigung des Bezirksjägermeisters im Sinne des ersten Satzes des § 63a Abs. 4 JG nicht vorliegt oder die Zuständigkeit zur Festlegung des Abschußplanes nicht nach dem zweiten Satz der zitierten Bestimmung auf die Bezirksverwaltungsbehörde übergegangen ist, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Es entsprach daher auch dem Gesetz, wenn der Bezirksjägermeister bezüglich des vom Beschwerdeführer selbst eingereichten, geänderten Abschußplanes gemäß § 63a Abs. 4 erster Satz JG das Einvernehmen mit der zuständigen Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft herzustellen versuchte.

Da ein solches Einvernehmen nicht zustande kam, hatte die Bezirksverwaltungsbehörde nach § 63a Abs. 4 zweiter Satz JG den Abschußplan festzulegen. Wenn die Behörde erster Instanz dabei im Spruch ihrer Entscheidung auf den von Dipl.Ing. W vorgelegten Abschußplan Bezug genommen und diesen "genehmigt" hat, so wollte sie damit offensichtlich bloß zum Ausdruck bringen, daß sie den Abschußplan inhaltlich so festlegen wollte, wie er von Dipl.Ing. W erstellt worden war. Faßt man - richtigerweise - den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides in diesem Sinne auf, dann liegt die vom Beschwerdeführer geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde seinem mehrfach gestellten Beweisantrag auf Vernehmung der beiden beeideten Revierjäger über die von ihnen vorgenommene Zählung des Wildstandes nicht entsprochen habe. Diesem Einwand kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Gemäß § 63a Abs. 1 JG hat der Jagdberechtigte (Eigenjagdinhaber, Pächter, Jagdsachverständige) den Wildabschuß so zu regeln, daß der Abschußplan erfüllt wird, die berechtigten Ansprüche der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschaden gewahrt bleiben und durch den Abschuß eine untragbare Entwertung des eigenen und der angrenzenden Jagdgebiete vermieden wird. Innerhalb dieser Grenzen soll die Abschußregelung bewirken, daß ein in seinen einzelnen Stücken gesunder Wildstand aller heimischen Wildarten in angemessener Zahl erhalten bleibt.

§ 50c lit. b JG sieht die Erstellung von Abschußrichtlinien durch die Steirische Landesjägerschaft vor. Im dritten Abs. der Präambel der vom Landesjagdausschuß der Steirischen Landesjägerschaft am gemäß § 12 Abs. 4 der Satzungen der Steirischen Landesjägerschaft (LGBl. Nr. 14/1957 in der Fassung LGBl. Nr. 51/1981) beschlossenen "Abschußrichtlinien für Schalenwild", kundgemacht im Amtsblatt für die Steiermark, Grazer Zeitung, 8. Stück, vom , heißt es, daß jede Abschußplanung eine möglichst genaue Wildstandserfassung voraussetzt. Für die Abschußplanung gilt der Frühjahrswildstand (Stichtag 1. April). Als Frühjahrswildstand wird jener Wildstand bezeichnet, der nach Überleben der Winterperiode im Revier vorhanden ist (dritter Absatz erster Satz des Abschnittes "Der Abschußplan" in den genannten Abschußrichtlinien).

Grundlage für jeden Abschußplan ist daher der tatsächliche Wildstand in jedem Jagdgebiet. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/03/0215, ergangen zum Salzburger Jagdgesetz 1977.) Daß für die verläßliche Ermittlung dieses Wildstandes in erster Linie die Ergebnisse von umfassenden und gewissenhaft durchgeführten Wildzählungen maßgebend sein müssen, liegt auf der Hand. Auch Meier-Hemmelmayr (Jagdrecht in Steiermark, Anm. 1 zu § 63a JG) weisen darauf hin, daß Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Abschußplanung eine genaue Wildzählung sei.

So gesehen hätte sich auch die belangte Behörde bei der Feststellung des Frühjahrswildstandes an Rotwild nicht mit einer bloßen Schätzung begnügen dürfen. Dies hat auch die Fachabteilung für das Forstwesen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung in ihrer von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme verkannt. Da vom Beschwerdeführer ausdrücklich behauptet worden war, daß die von ihm als Zeugen namhaft gemachten Revierjäger eine exakte Zählung durchgeführt hätten, wäre es vielmehr notwendig gewesen, diese Zeugen über die von ihnen vorgenommenen Wildzählungen und deren Ergebnisse unter Beiziehung eines Sachverständigen zu vernehmen.

Wenn die belangte Behörde daher von der Aufnahme dieser Beweise Abstand genommen hat, so hat sie damit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 2 Z. 1, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Dabei konnte hinsichtlich des zuerkannten Schriftsatzaufwandes nicht über das vom Beschwerdeführer gestellte ziffernmäßige Begehren hinausgegangen werden. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, da die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.

Wien, am