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VwGH vom 22.05.2003, 2000/16/0218

VwGH vom 22.05.2003, 2000/16/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der A Ges.m.b.H. (vorm. W GesmbH) in Linz, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Ferihumerstraße 31, gegen den Bescheid des Berufungssenates I der Region Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. ZRV/24- W1/99, betreffend Zolltarif, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis vom heutigen Tage Zl. 2000/16/0219, in dem es gleichfalls um im Jahr 1995 aus Deutschland importierte Liköre mit einem Gehalt an zugesetztem Zucker von mehr als 5 Gewichtsprozent der WNr. 2208 90 990 B 5 ging, hat der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer Beschwerde der selben Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes deshalb aufgehoben, weil unter Berücksichtigung der seit geltenden Senkung um insgesamt 60 % (von S 3.500,--) der Zollsatz S 1.400,-- pro 100 kg beträgt. Während in jenem Fall Importe aus Jänner und Februar 1995 gegenständlich waren, bei denen auf Grund der Selbstberechnung mit S 1.400,-- pro 100 kg durch den erstinstanzlichen Bescheid des Hauptzollamtes L vom eine auf § 201 BAO gestützte Vorschreibung des Differenzbetrages zu dem von den Behörden angewendeten Satz von S 3.500,-- pro 100 kg erfolgte, hat die Beschwerdeführerin bei den gegenständlichen Importen (März bis Juni 1995) den Zollsatz von S 3.500,-- pro 100 kg selbst erklärt und mit Antrag vom die Erstattung des Differenzbetrages zu dem von ihr gewünschten Zollsatz (S 1.400,-- pro 100 kg) begehrt.

Das Hauptzollamt L stellte mit Bescheid vom gemäß § 92 Abs. 1 lit. b BAO fest (Punkt I), dass der in den Sammelanmeldungen zu Grunde gelegte Zollsatz von S 3.500,-- pro 100 kg der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Rechtslage entspricht; der Erstattungsantrag vom wurde abgewiesen (Punkt II).

Nachdem eine dagegen erhobene Berufung mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für O als unbegründet abgewiesen worden war, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an die belangte Behörde. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der unterinstanzliche Bescheid in Bezug auf die Abweisung des Antrages auf Erstattung des Zollbetrages wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Die belangte Behörde begründete in ihrem Bescheid zunächst ihre Auffassung, dass ein Zollsatz vom S 3.500,-- pro 100 kg zur Anwendung komme. Die Erklärung der Beschwerdeführerin habe sich nicht als unrichtig erwiesen, weshalb keine Entscheidungsmöglichkeit nach § 201 BAO bestanden habe. Die Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften wurde damit begründet, dass bezüglich des Erstattungsantrages der Beschwerdeführerin aus dem erstinstanzlichen Bescheid und der dazu ergangenen und bekämpften Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für O weder aus dem Spruch noch aus der Begründung für die belangte Behörde erkennbar sei, nach welcher gesetzlichen Bestimmung sie bei Erledigung dieses Antrages vorgegangen sei. Das Fehlen der angewendeten Gesetzesstelle, insbesondere im Hinblick darauf, dass auch in der Begründung der bekämpften Entscheidungen keine Gesetzesbestimmung angeführt sei, stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil damit die Nachprüfbarkeit der Entscheidung in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Spruches bzw. auf Begründungsmängel nicht erfolgen könne.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin ungeachtet der stattgefundenen Aufhebung des Bescheides deshalb beschwert, weil dann, wenn die belangte Behörde dem Standpunkt der Beschwerdeführerin über den nach ihrer Ansicht nach richtigen Zollsatz gefolgt wäre, die formalrechtlich begründete Aufhebung des Bescheides nicht erfolgt wäre. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, wozu sich die Beschwerdeführerin äußerte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG, dass sich die Bindung der Erstbehörde an die Rechtsansicht der Berufungsbehörde nur auf die die Aufhebung tragenden Gründe erstreckt und dass jene Begründungselemente eines solchen Bescheides, mit denen die Berufungsbehörde den Erwägungen des vor ihr bekämpften Bescheides beitritt, schon begrifflich nicht zu den die Aufhebung tragenden Gründen zählen (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/07/0041). Einer Auseinandersetzung, inwieweit diese Erwägungen auch auf aufhebende Berufungsentscheidungen im Bereich der hier anzuwendenden Verfahrensvorschriften gelten, bedarf es im vorliegenden Fall aber nicht: Durch die Formulierung, dass der Berufung "teilweise" stattgegeben werde und ihre Entscheidungsbegründung hat die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Berufung im Übrigen (nämlich hinsichtlich des Punktes I des erstinstanzlichen Bescheides) abgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin zeigt aber auch richtig auf, dass allein die Rechtsauffassung der belangten Behörde bei der zu beurteilenden materiell-rechtlichen Rechtsfrage zur (teilweisen) Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geführt hat; wäre die belangte Behörde der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin gefolgt, dann hätte sie die unter Punkt I des erstinstanzlichen Bescheides getroffene Feststellung nicht billigen dürfen und die unter Punkt II erfolgte Abweisung des Rückzahlungsantrages wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufheben müssen.

Diese materielle Rechtsfrage, deren Beantwortung durch die belangte Behörde dazu führte, dass sie die Voraussetzungen des § 201 BAO als nicht gegeben ansah, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2001/16/0252, geklärt:

Unter Hinweis auf Artikel 6 Abs. 1) der Anlage 1 zum Protokoll 3 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen, BGBl. Nr. 909/1993) gelangte der Gerichtshof nach ausführlicher Begründung zum Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der seit geltenden Senkung um insgesamt 60 % (von S 3.500,--) der Zollsatz S 1.400,-- pro 100 kg beträgt. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass zwar der Gebrauchszolltarif zum Stand gerade diese Absenkung nicht ausweist, worauf es aber im Hinblick auf die Unverbindlichkeit des Gebrauchszolltarifes nicht ankommt; darüber hinaus ist das EWR-Abkommen unmittelbar anwendbar.

Aus den im Erkenntnis vom ersichtlichen Erwägungen (auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann) belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war daher in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am