VwGH vom 25.05.2000, 2000/16/0058

VwGH vom 25.05.2000, 2000/16/0058

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der L in G, vertreten durch Dr. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien I, Habsburgergasse 6-8/16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/F/06/1/1999/5, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Wiener GetränkesteuerG 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer Niederschrift der MA 4, Referat 2-Revisionsstelle, vom wurde betreffend die Helmut Denk GmbH, deren alleinvertretungsbefugte Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin ist, festgestellt, dass für die Monate 1. -7./1998 Getränkesteuer weder bezahlt noch gemeldet worden war. Der offene Getränkesteuerbetrag wurde mit S 98.000,-- geschätzt.

Eine der Beschwerdeführerin am zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung blieb unbeantwortet, worauf die MA 4, Referat 5 am gegen die Beschwerdeführerin ein Straferkenntnis mit dem Vorwurf erließ, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Helmut Denk GmbH unterlassen, für die Monate Jänner bis Juli 1998 die jeweils fällige Getränkesteuer (je S 14.000,--) zu entrichten und vollständige Revisionsunterlagen zu führen. Sie habe hiedurch die Getränkesteuer verkürzt. Die Beschwerdeführerin habe hiedurch § 5 Abs. 1 des Wiener GetränkesteuerG 1992 iVm § 5 Abs. 1 der Wiener GetränkesteuerVO 1992 in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 VStG 1991 verletzt. Über die Beschwerdeführerin wurden deshalb gemäß § 5 Abs. 1 Wiener GetränkesteuerG 1992 sieben Geldstrafen zu je S 3.500,--, im Falle der Nichteinbringlichkeit sieben Ersatzfreiheitsstrafen von je vier Tagen verhängt. Außerdem wurde der Beschwerdeführerin ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens im Ausmaß von sieben Mal S 350,-- vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin mit dem Argument, die Getränkesteuer verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht. Dies sei auch in der am gegen den Getränkesteuerbescheid erhobenen Berufung geltend gemacht worden. Eine "EU-widrige" Abgabe brauche man nicht zu entrichten. Die Behörde dürfe sie nicht einheben, bei zwangsweiser Durchsetzung eines "EU-widrigen" Anspruches im Wegen einer Bestrafung liege ein weiterer Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor. In der Verhandlung vor der belangten Behörde gab die Beschwerdeführerin an, dass gegen die bescheidmäßige Getränkesteuervorschreibung eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben worden sei.

Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge und bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis. Sie ging dabei davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Tatsache der Nichtentrichtung der Getränkesteuer für den Zeitraum Jänner bis Juli 1998 nicht bestritten und damit "nach wie vor gültiges innerstaatliches Rechts bewusst und gezielt negiert" habe.

Dem Argument der Beschwerdeführerin, sie dürfe nicht bestraft werden, hielt die belangte Behörde entgegen, die innerstaatliche Strafnorm stünde nach wie vor in Geltung und es sei ein "Steuerstreik" für jedwedes Gemeinwesen existenzbedrohend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem Recht auf Nichtbestrafung wegen Anwendung einer gemeinschaftswidrigen Norm verletzt.

Die belangte Behörde machte von der ihr gebotenen Möglichkeit einer Klaglosstellung keinen Gebrauch, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete unter Hinweis auf die "ausführliche Bescheidbegründung" auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 5 Abs. 1 Wiener GetränkesteuerG 1992 lautet auszugsweise:

"Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Steuer mit einem Betrag von höchstens 300.000 S verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 600.000 S zu bestrafen; ..."

Die von der belangten Behörde zur Anwendung gebrachte Strafnorm enthält das wesentliche objektive Tatbestandselement der Verkürzung der Steuer. Das wiederum setzt voraus, dass überhaupt eine Abgabenschuld bestand, die verkürzt werden konnte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften geht das Gemeinschaftsrecht widerstreitendem inländischem Recht auf jeder Stufe vor und ist das dem Gemeinschaftsrecht widersprechende inländische Recht im Konfliktfall als verdrängt anzusehen und nicht anzuwenden (vgl. z. B. die bei Hetmeier in Lenz, EG-Vertrag, Kommentar2 unter Rz 22 zu Art. 249 EGV referierte Judikatur).

Demgemäß hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem auf Grund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom in der Rechtssache C-437/97 ergangenen Erkenntnissen vom , Zlen. 2000/16/0117 und 2000/16/0116, ausgeführt, dass die (dort) belangte Behörde, wenn sie auf Basis des von ihr angewendeten innerstaatlichen Rechts die Vorschreibung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke billigte, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat.

Daraus folgt für den vorliegenden Straffall, dass auch die hier belangte Behörde, indem sie in Verkennung des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts auf Grund einer durch das Gemeinschaftsrecht verdrängten innerstaatlichen Norm das objektive Tatbestandsmerkmal einer Verkürzung von Getränkesteuer angenommen und die Beschwerdeführerin deshalb bestraft hat, ihren Bescheid (soweit es die Getränkesteuer für alkoholische Getränke betrifft) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 361/94, Slg. 14.324). Da der Spruch des angefochtenen Bescheides eine Trennung der Getränkesteuer für alkoholische und nichtalkoholische Getränke nicht zulässt, muss der gesamte Bescheid aufgehoben werden.

Die Beschwerdeführerin, die sich schon im Verwaltungsverfahren auf die Gemeinschaftswidrigkeit der Getränkesteuer berufen hat, hat damit im Verfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde (die die maßgeblichen Tatbestandselemente selbst und ohne Bindung auf die Ergebnisse des Abgabenverfahrens zu beurteilen hat; vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom , Zl. 1055/79, Slg. N.F. 5836/F) einen Rechtsbehelf eingelegt, der sie dazu berechtigt, sich auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom in der Rechtssache C-437/97 zu berufen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am