VwGH vom 29.01.2004, 2000/15/0168
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in 2700 Wr. Neustadt, Hauptplatz 31, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/97 - 10/00, betreffend Haftung gemäß § 9 und § 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei als ehemalige Geschäftsführerin der W. GmbH mit Bescheid des Finanzamtes vom gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten dieser Gesellschaft in der Gesamthöhe von 352.614 S herangezogen worden. Die von der Haftung betroffenen Abgaben umfassten folgende Beträge:
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"fällig am | |||||
Umsatzsteuer 1995 | S | 602,-- | |||
Umsatzsteuer 4/96 | S | 119.556,- | |||
Umsatzsteuer 6/96 | S | 44.866,-- | |||
Umsatzsteuer 8/96 | S | 18.556,-- | |||
Körperschaftssteuer 7-9/96 | S | 3.750,-- | |||
Lohnsteuer 7/96 | S | 27.356,-- | |||
Dienstgeberbeitrag 7/96 | S | 7.006,-- | |||
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 7/96 | S | 825,-- | |||
Lohnsteuer 9/96 | S | 29.855,-- | |||
Dienstgeberbeitrag 9/96 | S | 7.027,-- | |||
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 9/96 | S | 828,-- | |||
Gewerbesteuer 1993 | S | 77.057,-- | |||
Säumniszuschlag 1996 | S | 7.474,-- | |||
Säumniszuschlag 1996 | S | 897,-- | |||
Säumniszuschlag 1996 | S | 547,-- | |||
Säumniszuschlag 1996 | S | 600,-- | |||
Säumniszuschlag 1996 | S | 371,-- | |||
Säumniszuschlag 1996 | S | 597,-- | |||
Pfändungsgebühr 1996 | S | 3.711,-- | |||
Pfändungsgebühr 1996 | S | 1.121,-- | |||
Postgebühr 1996 | S | 6,-- | |||
Postgebühr 1996 | S | 6,-- | " | ||
Von der Beschwerdeführerin sei im Berufungsverfahren - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides - u. a. vorgebracht worden, dass die am fälligen Abgabenbeträge nicht zum Fälligkeitszeitpunkt hätten bezahlt werden können, ohne das Finanzamt gegenüber den übrigen Gläubigern zu bevorzugen. Da am das Ausgleichsverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet worden sei, habe sich diese zumindest ab nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im "status kridae" befunden, weshalb auch die ab diesem Zeitpunkt fälligen Abgabenschuldigkeiten aus der Haftung auszuscheiden seien. Darüber hinaus seien alle übrigen Beträge nur in jenem Umfang zu leisten, in dem auch alle anderen Forderungen zum Fälligkeitszeitpunkt befriedigt worden seien. Da somit auf die Umsatzsteuer 4/96 eine Quote von 39,5 %, auf den am fälligen Säumniszuschlag 1996 eine Quote von 23 %, auf die Umsatzsteuer 6/96, die Lohnsteuer, den Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 7/96 und die restlichen Säumniszuschläge 1996 eine Quote von 33 % anzuwenden sei, verbleibe ein Haftungsvolumen von 76.035,65 S.
Bei der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO handle es sich um eine Ausfallshaftung, für welche die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden Voraussetzung sei. Im Beschwerdefall stehe die Uneinbringlichkeit fest, weil der nach einem vorangegangenen Ausgleichsverfahren am über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Anschlusskonkurs am mangels hinreichenden Vermögens gemäß § 166 KO aufgehoben worden sei. Es sei auch unbestritten, dass der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der W. GmbH im Zeitraum vom bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten dieser Gesellschaft oblegen sei. Triftige Gründe, aus denen ihr die Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Sie habe auch nicht behauptet, dass ihr keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden seien. Dem Einwand der Beschwerdeführerin, sie hätte sich bei Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 158 StGB der Gläubigerbegünstigung strafbar gemacht, sei entgegenzuhalten, dass nicht verlangt worden wäre, den Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern zu bevorzugen, sondern lediglich die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen. Da jedoch lt. Schreiben der Beschwerdeführerin vom 25. Februar und im haftungsgegenständlichen Zeitraum noch bis Oktober 1996 Zahlungen an andere Gläubiger geleistet worden seien und daher davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführerin zumindest anteilig Mittel zur Verfügung gestanden seien, die sie auch zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben hätte verwenden müssen, sei der Beschwerdeführerin vorzuwerfen, dass sie auch unter der Annahme von - nicht nachgewiesenen - eingeschränkten Mitteln die Begleichung der Verbindlichkeiten nicht zu gleichen Teilen vorgenommen habe. Die beigebrachte Aufstellung der Verbindlichkeiten und Zahlungen jeweils als Mittelwert für die Monate Juni bis August 1996 erfülle nicht die Voraussetzungen eines im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht geforderten Liquiditätsstatus, der "die Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel ermöglicht hätte". Die dazu nötige Gegenüberstellung von liquiden Mitteln und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben, wobei es auf die Abgabenverbindlichkeiten einerseits und die Summe der übrigen Verbindlichkeiten andererseits ankomme, habe die Beschwerdeführerin nicht "aufgestellt". Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der an den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mitteln zur Erfüllung der Abgabenverbindlichkeiten komme eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht. Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung habe die belangte Behörde auch davon ausgehen können, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der Abgaben gewesen sei. Da lt. Schreiben der Beschwerdeführerin die letzten Zahlungen an andere Gläubiger am vorgenommen worden seien, die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit somit erst ab diesem Zeitpunkt eingetreten sei, sei aus dem Haftungsbetrag lediglich die am fällige Gewerbesteuer 1993 in Höhe von 77.057 S auszuscheiden gewesen, womit sich die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige für die Abgabenschuldigkeiten der W. GmbH auf 275.557 S vermindere.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die GmbH die angefallenen Angaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt somit eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, sofern dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/15/0049, Slg. Nr. 7440/F).
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. nochmals das Erkenntnis vom ).
In der Beschwerde wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe mehrfach dargelegt, dass auch alle übrigen Forderungen zum Fälligkeitszeitpunkt nur in jenem Umfang hätten erfüllt werden können, in dem Mittel zur Verfügung gestanden seien. So habe sich für den Fälligkeitszeitraum 10. bis eine Quote von 39,5 %, für den Fälligkeitszeitraum 1. bis eine Quote von 23 % und den Zeitraum 1. bis eine Quote von 33 % errechnet. Anhand einer betragsmäßigen Gegenüberstellung der fälligen Forderungen und der geleisteten Zahlungen sei dargestellt worden, dass für die einzelnen Fälligkeitszeiträume mangels vorhandener Mittel keine höhere Zahlungsquote habe erzielt werden können. Die Beschwerdeführerin habe die fälligen Verbindlichkeiten der W. GmbH nur anteilig nach den vorhandenen Mitteln befriedigen können und hafte daher auch für die Abgabenverbindlichkeiten nicht mehr als für jene Beträge, die zum Fälligkeitszeitpunkt an das Finanzamt hätten abgeführt werden können. Hätte die belangte Behörde Zweifel an ihrem Vorbringen gehabt, hätte sie weitere Ermittlungstätigkeiten durchführen müssen.
Bei diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, dass sie im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gerade nicht die ihr zur Zahlung der Abgabenschulden zu den verschiedenen Fälligkeitstagen zur Verfügung gestandenen Mittel dargestellt hat. In der Stellungnahme vom und später in der Berufungsschrift vom wurden - im Übrigen auch ohne detaillierte Berechnungen - lediglich Zahlungsquoten hinsichtlich offener Verbindlichkeiten angegeben, aus denen sich allein noch nicht ableiten ließ, welche Mittel der Beschwerdeführerin zur Entrichtung der Abgabenschulden der W. GmbH an den jeweiligen Fälligkeitstagen tatsächlich zur Verfügung standen. Die belangte Behörde konnte damit mit Recht davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin den zur Haftungsbeschränkung nach der oben zitierten Judikatur notwendigen Nachweis nicht angetreten hat (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/13/0203, vom , 98/14/0142 und 2001/14/0087, vom , 99/15/0253, und vom , 2000/15/0081). Da das Finanzamt der Beschwerdeführerin mehrmals Gelegenheit gegeben hatte, zur beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme Stellung zu nehmen, und insbesondere im Vorhalt vom unter Hinweis auf die Haftungsvoraussetzungen bei anteiliger Mittelverwendung u. a. konkret aufgefordert hatte, die zur Begleichung der Verbindlichkeiten vorhandenen Mittel (an den jeweiligen Fälligkeitstagen der in Haftung gezogenen Abgabenschulden) und deren Verwendung darzulegen, geht auch die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens ins Leere.
Da in einer Gleichbehandlung der Abgabenschulden keine nach Ansicht der Beschwerdeführerin im "status kridae" unzulässige Gläubigerbevorzugung gesehen werden kann und unbestritten noch Ende Oktober 1996 Zahlungen an andere Gesellschaftsgläubiger geleistet wurden (vgl. etwa die Vorhaltsbeantwortung vom ), kann keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auch noch zur Haftung für die am fällig gewordenen Abgabenschulden herangezogen hat (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/14/0114, vom , 94/15/0158, und vom , 2000/15/0081). Zu den ebenfalls von der Haftung betroffenen Lohnsteuerbeträgen ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinausgeht. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich vielmehr die Verpflichtung, dass die Lohnsteuer - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/15/0080, vom , 2001/14/ 0087, und vom , 97/14/0164).
Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe auch gegen das Gebot der "vollständigen Erledigung von (Berufungs)Anträgen" verstoßen, weil der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung des Verfahrens gemäß § 212a BAO "nicht einmal behandelt" worden sei, zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid, mit dem sie entsprechend seines bescheidmäßigen Abspruches nur im Recht auf Unterbleiben der Haftungsinanspruchnahme verletzt sein konnte, auf.
Die Beschwerde war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am