VwGH vom 18.12.2001, 2000/15/0162
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2000/14/0121 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. Walter Panzer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstrasse 9/6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom , RV/184-16/01/2000, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 1997 sowie Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hat mit Wirkung ab mit den Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, diese vertreten durch den Delegationsleiter in Wien, für die administrative Tätigkeit als Dokumentalistin bei der Delegation der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Österreich einen "Arbeitsvertrag für in Drittländern Dienst tuende örtliche Bedienstete" abgeschlossen. Seit dem Beitritt Österreichs zur EU mit Wirkung ab ist die Beschwerdeführerin als Dokumentalistin bei der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich beschäftigt, wobei die von ihr bisher ausgeübte Tätigkeit unverändert blieb. Der Arbeitsvertrag wurde seit dem nicht geändert.
Strittig ist, ob die von der Beschwerdeführerin von den Europäischen Gemeinschaften bezogenen Einkünfte in Österreich steuerbefreit sind, in eventu, ob bei gegebener Steuerpflicht in Österreich die Europäischen Gemeinschaften als Arbeitgeber zur Haftung für den unterlassenen Lohnsteuerabzug hätten herangezogen werden können, weswegen die Beschwerdeführerin nicht zur Einkommensteuer hätte veranlagt werden dürfen.
Aufgrund einer von der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten übermittelten Note ("Verbalnote" vom ), worin auf die Steuerpflicht der Beschwerdeführerin in Österreich hingewiesen wurde, behandelte das Finanzamt die von der Beschwerdeführerin in den Streitjahren von den Europäischen Gemeinschaften bezogenen Einkünfte als in Österreich steuerpflichtig und erlies dementsprechende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995, 1996 und 1997 sowie einen Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2000.
In der Berufung führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, ihre von den Europäischen Gemeinschaften bezogenen Einkünfte seien nach Art 13 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (67/444 EWG, 67/28 Euratom; idF nur: Protokoll) in Österreich von der Steuer befreit. Das Besteuerungsrecht an diesen Einkünften stehe vielmehr den Europäischen Gemeinschaften zu. Die Veranlagung dieser Einkünfte sei offenbar aufgrund einer Stellungnahme der Europäischen Kommission in Brüssel erfolgt, in der auf das Besteuerungsrecht der Europäischen Gemeinschaften an den von ihr in Österreich erzielten Einkünften zugunsten Österreichs verzichtet worden sei. Ein Verzicht auf das den Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 13 Protokoll zustehende Besteuerungsrecht sei jedoch nicht möglich, weswegen Österreich kein Besteuerungsrecht an den von ihr erzielten Einkünften zustehe. Überdies lägen bei Annahme einer österreichischen Steuerpflicht Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vor, von denen die Europäischen Gemeinschaften als Arbeitgeber gemäß § 78 EStG 1988 Lohnsteuer einzubehalten gehabt hätten. Das Finanzamt wäre daher verpflichtet gewesen, bei Unterlassen eines Lohnsteuerabzuges den Arbeitgeber gemäß § 82 EStG 1988 haftbar zu machen. Ihre unmittelbare Inanspruchnahme als Arbeitnehmer für aushaftende Lohnsteuer sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 83 Abs 2 EStG 1988 nicht möglich.
In ihrer abweisenden Berufungsentscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich habe in ihrer Note mehrere bei ihr tätige Mitarbeiter, darunter auch die Beschwerdeführerin, genannt, die mit ihren Einkünften der österreichischen Steuerpflicht unterlägen. Voraussetzung für eine Steuerbefreiung in Österreich sei gemäß Art 13 Protokoll der Status als "Beamter" oder "sonstiger Bediensteter" sowie die - aus der eben erwähnten Bestimmung ableitbare - tatsächliche Besteuerung durch die Europäischen Gemeinschaften. Der Bundesminister für Finanzen sehe es stets als Angelegenheit der jeweiligen internationalen Organisation an, den Status der in ihren Diensten stehenden Personen zu beurteilen. In diesem Sinn sei die Note der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich wesentlich. In dieser Note werde einerseits von "Mitarbeitern", nicht jedoch von "Beamten" oder "sonstigen Bediensteten" gesprochen, anderseits werde (ua) die Beschwerdeführerin ausdrücklich als der österreichischen Steuerpflicht unterliegend bezeichnet. Es sei unbestritten, dass die Europäischen Gemeinschaften die Einkünfte der Beschwerdeführerin nicht besteuert hätten. Es könne somit davon ausgegangen werden, bei der Beschwerdeführerin handle es sich um eine "örtliche Bedienstete", die nicht unter die Steuerbefreiung iSd Art 13 Protokoll falle. Da die Europäischen Gemeinschaften als Arbeitgeber aufgrund ihrer privilegienrechtlichen Stellung nicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet werden dürften, könnten sie auch nicht zur Haftung für Lohnsteuer herangezogen werden. Die Beschwerdeführerin sei vielmehr mit den von den Europäischen Gemeinschaften bezogenen Einkünften in Österreich zu veranlagen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art 13 Protokoll, das primäres EG-Recht darstellt, lautet:
"Von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen, welche die Gemeinschaften ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlen, wird zugunsten der Gemeinschaften eine Steuer gemäß den Bestimmungen und dem Verfahren erhoben, die vom Rat auf Vorschlag der Kommission festgelegt werden.
Die Beamten und sonstigen Bediensteten sind von innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit."
Art 2 lit a der Verordnung des Rates zur Bestimmung der Gruppen von Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, auf welche die Artikel 12, 13 Absatz 2 und Artikel 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften Anwendung finden (549/69/EWG, ABl 1969, L. 74; idF nur: Verordnung) lautet:
"Artikel 13 Absatz 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften gilt für Personen, die unter das Statut der Beamten oder unter die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften fallen, einschließlich Empfänger der bei Stellenenthebungen aus dienstlichen Gründen vorgesehenen Vergütungen, mit Ausnahme der örtlichen Bediensteten."
Art 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, Verordnung Nr. 259/68 des Rates vom , (idF nur: BSB) lautet:
"Diese Beschäftigungsbedingungen gelten für jeden Bediensteten, der von den Gemeinschaften durch Vertrag eingestellt wird. Dieser Bedienstete ist:
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- | Bediensteter auf Zeit, | |||||||||
- | Hilfskraft, | |||||||||
- | Örtlicher Bediensteter, | |||||||||
- | Sonderberater." | |||||||||
Art 4 BSB lautet: | ||||||||||
"Örtlicher Bediensteter im Sinne dieser Beschäftigungsbedingungen ist ein Bediensteter, der - entsprechend den örtlichen Gepflogenheiten - zur Verrichtung von manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten eingestellt wird, für die in dem Einzelplan des Haushaltsplans für jedes Organ beigefügten Stellenplan eine Planstelle nicht ausgebracht ist, und der seine Bezüge aus Mitteln erhält, die zu diesem Zweck im Einzelplan des Haushaltsplans pauschal bereitgestellt werden. Örtlicher Bediensteter kann in Ausnahmefällen auch ein Bediensteter sein, der für ausführende Aufgaben bei den Presse- und Informationsstellen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eingestellt worden ist. | ||||||||||
Bei Dienstorten, die außerhalb der Länder der Gemeinschaften liegen, kann ein Bediensteter, der zur Verrichtung anderer als der in Absatz 1 genannten Tätigkeiten eingestellt wird, die im dienstlichen Interesse weder einem Beamten noch einem anderen der in Artikel 1 genannten Bediensteten übertragen werden können, als örtlicher Bediensteter betrachtet werden." | ||||||||||
Dass die Beschwerdeführerin Beamtin gewesen sei, behauptet sie nicht. Sie bringt aber vor, ihr komme der Status einer sonstigen Bediensteten zu, die den Gemeinschaftssteuern unterliege und deshalb nach Art 13 des Protokolls von den inländischen Abgaben befreit sei. Die Einstufung als örtliche Bedienstete nach ihrem bereits vor dem Beitritt Österreichs zur EU abgeschlossenen Arbeitsvertrag mit der Delegation der Kommission der Europäischen Gemeinschaften treffe jedenfalls ab nicht mehr zu. | ||||||||||
Ohne sich mit diesem Vorbringen näher auseinander zu setzen (die Beschwerde rügt dazu auch unterbliebene Zeugeneinvernahmen), hat die belangte Behörde nach Maßgabe einer so genannten "Verbalnote" der Vertretung der Europäischen Kommission angenommen, die Beschwerdeführerin falle nicht unter Art 13 des Protokolls, weswegen ihre Bezüge als Dokumentalistin in Österreich zu besteuern seien. Die dazu herangezogene Begründung, es sei nach Ansicht des BMF stets Angelegenheit der jeweiligen internationalen Organisation, den Status der in ihren Diensten stehenden Personen zu beurteilen, trifft so (verstanden offenbar in einer Art Bindungswirkung) nicht zu. Auch eine tatsächlich unterbliebene Einhebung von Steuern der Gemeinschaft von den Bezügen der Beschwerdeführerin beantwortet noch nicht hinreichend die Frage, ob der Beschwerdeführerin der Status einer sonstigen Bediensteten bzw. einer örtlichen Bediensteten iSd Art 2 lit a der Verordnung zukommt. | ||||||||||
Die belangte Behörde hätte somit an Hand der konkreten Tätigkeit der Beschwerdeführerin unter Beachtung der einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere der BSB (siehe dazu auch das Vorabentscheidungsersuchen des ), und der dazu ergangenen Rechtsprechung den Status der Beschwerdeführerin feststellen müssen. Da sie dies ausgehend von der unrichtigen Rechtsmeinung, an die Beurteilung in der "Verbalnote" gebunden zu sein, unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs 1 Z 2 VwGG aufzuheben. | ||||||||||
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. | ||||||||||
Wien, am |