VwGH vom 24.06.2004, 2000/15/0066
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Krömer & Nusterer, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. RV/19-16/13/2000, betreffend Haftung und Zahlung von Lohnsteuer für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.199,04 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt ein Reisebüro und Busunternehmen. Anlässlich einer Lohnsteuerprüfung über den Streitzeitraum wurde ua festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Kollektivvertrag vorgesehene Erschwerniszulagen an Lenker von Bussen mit Überlänge auch für so genannte Stehzeiten der Busse steuerbegünstigt behandelt habe. Der Prüfer ermittelte die Stehzeiten anhand der ihm vorgelegten Unterlagen mit 25 % der gesamten steuerfrei ausbezahlten Erschwerniszulagen (bei Lenkern im Ausflugs- und Gelegenheitsverkehr) bzw 400 Stunden (bei Lenkern im Linienverkehr).
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und zog den Beschwerdeführer zur Haftung und Zahlung für Lohnsteuer iHv rd S 70.000,-- heran.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, laut Kollektivvertrag gebühre Kraftfahrern von überlangen Bussen eine Erschwerniszulage für die gesamte Einsatzzeit. Eine Aufteilung der Einsatzzeit in Lenk-, Betreuungs- und Stehzeiten, wie sie der Prüfer vorgenommen habe, widerspreche dem Kollektivvertrag, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0101, sowie dem Erlass des BMF, GZ. 07 1302/1-IV/7/94, und entbehre jeder Rechtsgrundlage.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte im Wesentlichen aus, zur steuerfreien Behandlung der Erschwerniszulage müsse der Arbeitnehmer während der (gesamten) Arbeitszeit überwiegend (also mehr als die Hälfte der gesamten Arbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum) mit Arbeiten betraut sein, die die erhebliche Erschwernis zwangsläufig bewirken. Die Möglichkeit der Erschwernis könne nicht berücksichtigt werden, wenn die damit verbundene Tätigkeit nur einen geringen Teil der Gesamttätigkeit des Arbeitnehmers ausmache. Werde die Zulage stundenweise bezahlt, sei hinsichtlich des Überwiegens auf die stündliche Arbeitszeit abzustellen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/13/0102). Das vom Beschwerdeführer angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0101, beziehe sich nur auf die sich aus der Lenkung und Betreuung überlanger Busse ergebende außerordentliche Erschwernis. Stehzeiten, in denen die Lenker keine mit einer Erschwernis verbundene Tätigkeit ausübten, seien darin nicht erwähnt. Da der Beschwerdeführer Erschwerniszulagen stundenweise ausbezahlt habe (pro Stunde S 7), sei darauf abzustellen, ob in jeder Arbeitsstunde, für welche gemäß Kollektivvertrag die Erschwerniszulage ausbezahlt worden sei, eine erhebliche Erschwernis vorgelegen habe. In Stunden, in denen kein Fahrzeug gelenkt oder betreut worden sei (Stehzeiten), lägen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 68 Abs 1 EStG 1988 nicht vor. Wenn die Stehzeiten auf Grund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ermittelt und die Erschwerniszulagen in einen steuerfreien und steuerpflichtigen Anteil aufgeteilt worden seien, könne darin kein Willkürakt gesehen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 68 Abs 5 EStG 1988 sind unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen. Diese Zulagen sind nur begünstigt, soweit sie auf Grund von lohngestaltenden Vorschriften (zB Kollektivverträgen) gewährt werden.
Nach den im Streitzeitraum anzuwendenden Bundeskollektivverträgen für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben, auf die sich die Beschwerdeführerin stützt, gebührt den Kraftfahrern, die einen Autobus mit Anhänger oder einen Autobus, welcher mit mehr als 50 Sitzen (ausgenommen dem Lenkersitz) ausgestattet ist bzw dessen Gesamtlänge mehr als 10,90 m beträgt (im Folgenden: überlange Fahrzeuge), lenken, eine Erschwerniszulage für die gesamte Einsatzzeit. Als Einsatzzeit iSd Kollektivvertrages, welcher ab anzuwenden ist, gilt die Zeit zwischen zwei Ruhezeiten (einschließlich der täglichen unbezahlten Essenspausen im Ausmaß von insgesamt höchstens eineinhalb Stunden pro Tag). Sie beinhaltet den effektiven Dienst am Steuer, Vor- und Abschlussarbeiten sowie die Steh-, Warte- und Umkehrzeiten. Laut den Kollektivverträgen, welche ab bzw anzuwenden sind, umfasst die Einsatzzeit die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit (Lenkzeiten, Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und die Zeiten der Arbeitsbereitschaft) und die Arbeitszeitunterbrechungen (einschließlich täglichen unbezahlten Essenspausen im Ausmaß von insgesamt höchstens eineinhalb Stunden pro Tag). In den genannten Kollektivverträgen werden Stehzeiten, die sich im fahrplanmäßig konzessionierten periodischen Personentransport auf Grund des Fahrplanes ergeben (Umkehrzeiten), bis zu einem Ausmaß von sechs Stunden täglich wie volle Arbeitszeiten entlohnt, wobei sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann. Im Gelegenheits- und Ausflugsverkehr auftretende Fahrtunterbrechungen (Wartezeiten) werden ebenfalls bis zu einem Ausmaß von sechs Stunden täglich wie volle Arbeitszeiten entlohnt, wobei sich auch bei diesen "oft lange ausgedehnten Fahrtunterbrechungen" der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.
Ob die auf Grund eines Kollektivvertrages ausgezahlten Erschwerniszulagen steuerbefreit sind, ist anhand der Voraussetzungen des § 68 Abs 5 EStG zu prüfen. Die vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten müssen überwiegend unter Umständen erfolgen, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen. Der Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen muss innerhalb der jeweiligen Berufssparte gezogen werden (vgl das hg Erkenntnis vom , 97/14/0049). Im hg Erkenntnis vom , 93/14/0101, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass sich aus dem Lenken und Betreuen überlanger Fahrzeuge Erschwernisse (zB stärkere nervliche Beanspruchung, größere körperliche Belastung durch die Verstauung des Gepäcks einer größeren Anzahl von Passagieren, Reinigung des wesentlich größeren Fahrzeuges) ergeben, die die Arbeit der Lenker solcher Autobusse notwendigerweise (überwiegend) unter Umständen erfolgen lassen, die eine außerordentliche Erschwernis im Vergleich zur Tätigkeit von Autobuslenkern im Allgemeinen mit sich bringen. Der Verwaltungsgerichtshof ist in dem damals vorliegenden Beschwerdefall somit zum Ergebnis gelangt, dass das Lenken und Betreuen überlanger Fahrzeuge seiner Art nach als außerordentliche Erschwernis angesehen werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es jedoch auch darauf an, dass die zu leistenden Arbeiten - worunter nur die vom Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses schlechthin (insgesamt) zu erbringende Arbeitsleistung verstanden werden kann - überwiegend eine außerordentliche Erschwernis darstellen. Die Frage der außerordentlichen Erschwernis ist also nicht allein anhand der Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese Erschwernis verbunden ist. Vielmehr ist bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb eines Lohnzahlungszeitraums iSd § 77 EStG 1988 zu prüfen, ob sie überwiegend eine außerordentliche Erschwernis bewirken (vgl sinngemäß das in Bezug auf eine erhebliche Verschmutzung ergangene hg Erkenntnis vom , 90/13/0102). Es müssen also auch in zeitlicher Hinsicht die Tätigkeiten, die eine außerordentliche Erschwernis bilden, überwiegen.
Im Beschwerdefall war daher zu prüfen, welches zeitliche Ausmaß das Lenken und Betreuen der überlangen Fahrzeuge im Einzelfall erreicht hat. Während der Stehzeiten (im fahrplanmäßigen Linienverkehr) bzw Wartezeiten (im Gelegenheits- und Ausflugsverkehr) ist es - entsprechend den Bestimmungen der Kollektivverträge - dem Lenker erlaubt, sich vom Fahrzeug zu entfernen. Daraus konnte die belangte Behörde schließen, dass in diesen Zeiten keine Tätigkeiten, welche eine außerordentliche Erschwernis darstellen, verrichtet werden müssen. Solches hat der Beschwerdeführer im Abgabenverfahren auch nicht behauptet. Seinem Vorbringen in der Beschwerde, in den Stehzeiten müssten die Fahrzeuge gereinigt und in den Wartezeiten beaufsichtigt werden, steht das gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu beachtende Neuerungsverbot entgegen.
Der Prüfer hat anhand der vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Unterlagen im Schätzungswege festgestellt, dass 25 % der gesamten ausbezahlten Erschwerniszulagen für Lenker im Ausflugs- und Gelegenheitsverkehr und 400 Stunden jährlich für Lenker im Linienverkehr steuerlich nicht begünstigt wären. Dabei hat er aber - wie auch in der Folge die belangte Behörde - bei der Beurteilung des Überwiegens auf die stündliche Arbeitszeit abgestellt und Feststellungen dahingehend, ob im Hinblick auf die insgesamt zu erbringende Arbeitsleistung überwiegend eine außerordentliche Erschwernis vorliegt, unterlassen. Damit entzieht sich der angefochtene Bescheid aber der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof. Es wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid - dem hg Erkenntnis vom , 90/13/0102, eine Aussage, wonach bei einer stundenweisen Zahlung einer Zulage hinsichtlich des Überwiegens auf die stündliche Arbeitszeit abzustellen sei, nicht zu entnehmen ist.
Da die belangte Behörde Feststellungen hinsichtlich des Überwiegens der mit einer außerordentlichen Erschwernis verbundenen Tätigkeit bezogen auf die Gesamttätigkeit der Lenker unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am