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VwGH vom 19.10.2001, 2000/02/0325

VwGH vom 19.10.2001, 2000/02/0325

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde 1. des CR und

2. der RR, beide in L, beide vertreten durch Dr. Robert Schuler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 6, gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Zl. LGv - 1335/2-00, betreffend grundverkehrsbehördliche Genehmigung,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Gegenschrift der NS, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29/2, wird zurückgewiesen.

Begründung

ad 1.) Zum Erstbeschwerdeführer:

Dieser ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin.

Der erstinstanzliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom wurde der Zweitbeschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters und dem Landesgrundverkehrsreferenten (nicht aber dem Erstbeschwerdeführer) zugestellt. Gegen diesen Bescheid hat ausschließlich die Zweitbeschwerdeführerin Berufung erhoben. Der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom erging an die Zweitbeschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters (nicht an den Erstbeschwerdeführer).

Bezüglich des Vorganges bei der Behörde erster Instanz wird auf die untenstehenden Ausführungen "ad 2.)" verwiesen.

Es erübrigt sich zu klären, ob dem Erstbeschwerdeführer nach § 8 AVG eine Parteistellung im grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahren hinsichtlich des Grunderwerbes durch seine Ehefrau zugekommen wäre. Bei Zutreffen seiner Behauptung, er sei Partei dieses Verfahrens, hätte er die Möglichkeit (gehabt), als übergangene Partei die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides zu begehren und diesen mittels Berufung zu bekämpfen bzw. im Mehrparteienverfahren auch bei bloßer Kenntnis des Bescheides Berufung zu erheben. Dies hat der Erstbeschwerdeführer unterlassen. Eine übergangene Partei hat jedoch nicht das Recht, einen letztinstanzlichen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen, ehe sie nicht durch Ergreifung der ihr auf Verwaltungsebene zukommenden Rechtsmittel den Instanzenzug ausgeschöpft hat (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/06/0054).

Da es dem Erstbeschwerdeführer an der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelt, war seine Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen. Somit ist aber auch auf alle inhaltlichen Vorbringen in der Beschwerde, die sowohl den Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin betreffen, in Bezug auf den Erstbeschwerdeführer nicht einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich insoweit auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

ad 2.) Die Zweitbeschwerdeführerin, eine kroatische Staatsbürgerin, (Ehefrau des Erstbeschwerdeführers, eines österreichischen Staatsbürgers, der als selbständiger Arzt in Österreich tätig ist), zeigte am gemäß § 23 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl. für Tirol Nr. 61 idF LGBl. Nr. 75/1999 - T-GVG, einen zwischen NS als Verkäuferin einerseits und dem Erstbeschwerdeführer und ihr andererseits am abgeschlossenen Kaufvertrag betreffend Erwerb des Wohnungseigentums an einer näher bezeichneten Liegenschaft an. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als Grundverkehrsbehörde erster Instanz versagte gemäß § 9 Abs. 1 lit. a iVm § 12 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 lit. c T-GVG die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Die Behörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung damit, dass die Zweitbeschwerdeführerin kroatische Staatsbürgerin sei. Der Erwerb des Eigentums im Zusammenhang mit Ausländern bedürfe der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde. Eine solche dürfe nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für den Rechtserwerb an Baugrundstücken vorlägen, der Rechtserwerb staatspolitischen Interessen nicht widerspreche und ein öffentliches Interesse am Rechtserwerb durch Ausländer bestehe. Es könne kein öffentliches Interesse am Rechtserwerb durch die Zweitbeschwerdeführerin abgeleitet werden. Auf Grund der von der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Berufung führte die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser brachte der Vertreter der Zweitbeschwerdeführerin vor, "es sei zu berücksichtigen, dass die BW (gemeint: die "Berufungswerberin") seit über zwei Jahrzehnten Landesbewohnerin in Tirol sei. Die derzeit benutzte Mietwohnung in L werde aufgegeben. Die BW sei Eigentümerin einer kroatischen Liegenschaft. Aus dem Erlös des Verkaufes dieser Liegenschaft werde der vorliegende Wohnungskauf finanziert. Es werde das Vermögen der BW aus dem Ausland nach Tirol transferiert."

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom als unbegründet ab.

Auch die belangte Behörde ging davon aus, dass sie die im T-GVG enthaltenen Vorschriften betreffend den Rechtserwerb durch Ausländer anzuwenden habe und sah kein öffentliches Interesse an einem Grunderwerb durch die Zweitbeschwerdeführerin gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Zweitbeschwerdeführerin bringt vor, dass dem grundverkehrsrechtlichen Verfahren weder der Erstbeschwerdeführer noch die Verkäuferin als Partei beigezogen worden seien. Die Zweitbeschwerdeführerin zeigt nicht auf, inwiefern sie durch die Nichtbeiziehung anderer Personen als Parteien in ihren subjektivöffentlichen Rechten verletzt worden sei. Die von ihr erwähnte Bestimmung des § 12 Wohnungseigentumsgesetz, BGBl. Nr. 417/1975 idF BGBl. I Nr. 7/1997, wonach bei gemeinsamem Wohnungseigentum von Ehegatten ihre Anteile am Mindestanteile zu verbinden sind, betrifft nur den Erwerb des Wohnungseigentums durch die Einverleibung in das Grundbuch. Sie hat aber keinen Einfluss auf das - eine Bedingung für die rechtsgültige Einverleibung - vorgelagerte grundverkehrsbehördliche Verfahren betreffend Genehmigung von Rechtserwerben, die erst nach dessen Abschluss rechtsgültig in das Grundbuch einverleibt werden dürfen (vgl. §§ 31 ff T-GVG).

Des Weiteren wird vorgebracht, dass die belangte Behörde "das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt" habe, weil sie "Europarecht ausgelegt" habe, obwohl dessen Auslegung "ausschließlich dem EuGH" zustehe. Damit erachtet sich die Zweitbeschwerdeführerin offenbar (auch) im Recht auf den gesetzlichen Richter, einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, als verletzt. Zur Prüfung der Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen (vgl. zB. den hg. Beschluss vom , Zl. 2001/02/0111). Sollte das Vorbringen jedoch dahin zu verstehen sein, dass die belangte Behörde zur Entscheidung unzuständig gewesen sei, kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen, hat doch gegebenenfalls jede Behörde "Europarecht" anzuwenden und daher - ungeachtet der dem EuGH zustehenden Zuständigkeit - auch auszulegen.

In der Beschwerde wird sodann die Auffassung vertreten, dass bei Anwendung des "Europarechtes" der "Rechtserwerb der Ehegatten

... ohne förmliches Genehmigungsverfahren .... zuzulassen" wäre.

Hiezu wird in der Beschwerde ausgeführt:

"Allein schon auf Grund der Kapitalverkehrsfreiheit darf eine Diskriminierung eines Rechtserwerbers auf Grund seiner Staatsbürgerschaft nicht erfolgen.

Es ist gesicherter Rechtsbestand, dass bei der Nomenklatur von Kapitalverkehrsgeschäften von besonderer Bedeutung die Immobilieninvestitionen sind.

Es handelt sich hier um den Grundstückserwerb unabhängig von Staatsangehörigkeit auch als reine Kapitalanlage (Lenz in EG-Vertrag Kommentar 1. Auflage, Seite 343 Rz 4 und Eckhoff, in Bleckmann Rn. 1176."

Art. 56 EG lautet:

(1) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

(2) Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

Im gegenständlichen Fall kommt Art. 56 EG allerdings von vornherein nicht zu Anwendung, weil es sich nicht um einen Kapitalverkehr oder Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern handelt. Denn die Zweitbeschwerdeführerin hat ihren Hauptwohnsitz in Österreich, es ist beim angezeigten Ankauf einer Wohnung in Tirol kein Auslandsbezug vorhanden. Auch der Umstand, dass allenfalls ein Teil des Kapitals aus dem beabsichtigten Verkauf einer in Kroatien gelegenen, im Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin stehenden Liegenschaft kommen soll, macht den angezeigten Rechtserwerb in Tirol nicht zu einem Kapitalverkehr mit Auslandsbezug im Sinne des Art. 56 Abs. 2 EG, weil die allenfalls beabsichtigte Übertragung des Verkaufserlöses der kroatischen Liegenschaft (dass der Verkauf tatsächlich abgeschlossen sei, wird gar nicht behauptet) nach Österreich nur ein in der Zukunft liegender möglicher Kapitaltransfer ist, der als solcher zudem durch die Entscheidung der Landesgrundverkehrskommission in keiner Weise behindert würde.

Weiters wird in der Beschwerde auf Art. 39 EG Bezug genommen.

Dabei übersieht die Zweitbeschwerdeführerin, dass die in Titel III, Kapitel 1 "Die Arbeitskräfte", Art. 39 bis 42 geregelte Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten (Art. 39 Abs. 2 EG) lediglich die unselbständige Erwerbstätigkeit von Angehörigen der Mitgliedstaaten umfasst. Die Zweitbeschwerdeführerin ist als kroatische Staatsbürgerin keine Angehörige eines Mitgliedstaates, weshalb sie sich auf kein unmittelbares, aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit resultierendes Recht berufen kann.

Aber auch aus ihrer Eigenschaft als Familienangehörige vermag die Zweitbeschwerdeführerin kein Recht aus Art. 39 EG abzuleiten:

Der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin ist nämlich selbständiger Arzt und daher kein Arbeitnehmer (vgl. Scheuer in Lenz2 (Herausgeber), EG-Vertrag, Kommentar, zu Art. 39, S 409, Rz 6 und 7 sowie die dort zitierte Rechtsprechung). Eine Frage der Schlechterbehandlung der Ehefrau eines österreichischen Staatsbürger gegenüber einer Ehefrau eines Angehörigen eines EU-Mitgliedstaates kann sich aus diesem Aspekt daher nicht stellen.

Die Zweitbeschwerdeführerin beruft sich sodann auf die "Niederlassungsfreiheit nach Art. 48 EG".

Dieser Artikel regelt die Gleichstellung von Gesellschaften. Da der Ehemann der Beschwerdeführer nie behauptet hat, in einer Gesellschaft tätig zu sein, sondern nach den Angaben der Beschwerdeführer klar ist, dass er als selbständiger Arzt nicht in einer Gesellschaftsform in Österreich niedergelassen ist und die Zweitbeschwerdeführerin in dieser Ordination mitarbeitet, ist aus Art. 48 EG für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen.

Sollte die Zweitbeschwerdeführerin allerdings das Recht der "freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats" (Art. 43 EG) meinen, so übersieht sie Folgendes:

Obwohl sich nach dem Wortlaut nur Angehörige eines anderen Mitgliedstaates auf Art. 43 EG berufen können, können sich nach Lehre und Judikatur Inländer, die einen gemeinschaftsrechtlich relevanten Sachverhalt erfüllen (zB. Erwerb eines ausländischen Diploms), bzw. deren Angehörige, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, deren Rechte sich aber von ersteren ableiten, ihrem Heimatstaat gegenüber auf die durch das Gemeinschaftsrecht gewährten Vorteile berufen (vgl. Scheuer in Lenz2, aaO. zu Art. 43 EG, S 476, Rz 6, sowie die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH). Dass ein von Art. 43 EG umfasster gemeinschaftsrechtlich relevanter Sachverhalt durch den Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin oder sie selbst erfüllt werde, ist weder dem Vorbringen der Beschwerdeführer noch dem Verwaltungsakt zu entnehmen.

Bei fehlender gemeinschaftsrechtlicher Anknüpfung ist die Behandlung von Inländern bzw. deren Angehörigen, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind, als interner Sachverhalt gemeinschaftsrechtlich unerheblich, so dass deren Schlechterstellung aus der Warte des Gemeinschaftsrechts zulässig ist (vgl. wieder Scheuer in Lenz2, aaO. zu Art. 43 EG, S 476, Rz 6, sowie die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).

Insofern die Zweitbeschwerdeführerin eine Verletzung des "Gleichheitsgebotes" bzw. der "Bestimmungen des Gesetzes gegen die rassistische Diskriminierung" zu erblicken meint, ist ihr zunächst neuerlich zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung der behaupteten Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht berufen ist. Zudem ist sie auf den in der gegenständlichen Sache ergangenen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 2148/00-13 hinzuweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften nach dem Vorbringen in der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde als so wenig wahrscheinlich erkannt hat, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Gründe, die von den Beschwerdeführern geäußerten Bedenken erneut an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Mangels eines im gegenständlichen Fall vorliegenden europarechtlichen Anknüpfungspunktes gehen auch die von den Beschwerdeführern aus dem Klaus Konle gegen Republik Österreich, Rs C 302/97, Slg. 1999, I-3122, gezogenen Schlüsse fehl.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides, dass im Sinne des § 13 Abs. 1 lit c T-GVG kein öffentliches Interesse an einem Grunderwerb durch die Zweitbeschwerdeführerin gegeben sei, wird in der Beschwerde nicht bekämpft und ist auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Die Gegenschrift der NS war zurückzuweisen, weil sie ungeachtet der Bezeichnung in der Beschwerde und der Ermöglichung der Erstattung von Stellungnahmen durch den Verwaltungsgerichtshof nicht "mitbeteiligte Partei" ist. Ihre durch den zu Grunde liegenden Kaufvertrag dokumentierte rechtlich geschützte Interessenlage steht nicht im Widerspruch zu den rechtlichen Interessen der Beschwerdeführer, zumal es auf (spätere) Motive der Verkäuferin und ihre allfällig geänderten wirtschaftlichen Interessen nicht ankommt (vgl. Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 100).

Wien, am