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VwGH vom 09.12.2004, 2000/14/0197

VwGH vom 09.12.2004, 2000/14/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des H M in L, vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Freistädter Straße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , GZ. RV 1004/1-10/2000, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom zur Einkommensteuer 1996 veranlagt. Das Finanzamt verfügte die Zustellung dieses Bescheides an die Adresse S-Weg. Auf Grund eines vom Beschwerdeführer am erteilten Nachsendeauftrags wurde der Bescheid nach erfolglosem Zustellversuch an der Nachsendeadresse P-Straße am hinterlegt und infolge Nichtbehebung am an das Finanzamt retourniert.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die (neuerliche) Zustellung des Einkommensteuerbescheides vom zu Handen des ausgewiesenen Rechtsvertreters und erhob zugleich "vorsichtshalber" Berufung gegen diesen Bescheid sowie den Rückstandsausweis vom . Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer wohne seit 1997 nicht mehr an der Adresse S-Weg. Er habe danach noch einige Zeit einen Wohnsitz an der Adresse P-Straße gehabt, wäre aber schon damals - so wie auch heute - ganzjährig in Spanien aufhältig gewesen. Wirksame Zustellungen in Österreich seien daher seit mehreren Jahren nicht mehr möglich. Der Beschwerdeführer sei 1995 in Pension gegangen und verfüge - von seiner Pension abgesehen - seit über kein Einkommen. Erst über Vorhalt der Pensionsversicherung habe er erfahren, dass eine Schätzung seines Einkommens für 1996 erfolgt sei.

Das Finanzamt wies die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 gemäß § 273 Abs. 1 BAO mit Bescheid vom zurück; dies mit der Begründung, die Berufungsfrist sei bereits abgelaufen. Aus einer Eingabe des vertretungsbefugten Anwalts des Beschwerdeführers an das Finanzamt vom ergebe sich, dass dieser von der Existenz eines Einkommensteuerverfahrens Kenntnis gehabt habe. Es wäre somit die - sich aus § 104 BAO iVm § 8 ZustellG ergebende - Pflicht des Beschwerdeführers bzw. seines Vertreters gewesen, die Adressänderung bekannt zu geben. Da dies unterlassen worden sei, habe das Finanzamt weiterhin an die aktenkundige Adresse wirksam zustellen können. Der Verstoß gegen die Meldepflicht habe zur Folge, dass eine durch die Behörde angeordnete Hinterlegung nach § 8 Abs. 2 ZustellG als rechtswirksam erfolgte Zustellung anzusehen sei. Die Sendung des Einkommensteuerbescheides 1996 mittels Rsb-Brief sei als behördliche Anordnung zur Hinterlegung nach versuchter Zustellung zu sehen. Zudem habe eine Meldeauskunft vom ergeben, dass der Beschwerdeführer an der Adresse P-Straße (noch) gemeldet sei. Der Einkommensteuerbescheid sei daher rechtswirksam zugestellt und in Rechtskraft erwachsen.

In seiner Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid wiederholte der Beschwerdeführer seine Ansicht, dass der Einkommensteuerbescheid 1996 nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, weil an der Adresse P-Straße keine Abgabestelle vorgelegen sei und die Behörde nichts unternommen habe, um die Abgabestelle festzustellen. Die Meldeanfrage sei erst nach Einbringen der Berufung erfolgt. Ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustellG wäre somit nicht möglich gewesen und der Bescheid nicht rechtswirksam hinterlegt worden. Der Beschwerdeführer wäre auch nicht zu einer Meldung nach § 8 Abs. 1 ZustellG verpflichtet gewesen, weil er seit keine wiederkehrenden Abgaben mehr abzuführen habe. Der Beschwerdeführer habe vom gegenständlichen Verfahren, das durch eine Schätzung eingeleitet worden sei, im Zeitpunkt der Zustellung keine Kenntnis gehabt. Das angesprochene Schreiben des Anwalts vom beziehe sich auf die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung für 1997. Außerdem gehe daraus hervor, dass der Beschwerdeführer seit zwei Jahren kein zu veranlagendes Einkommen mehr beziehe und er sein Veranlagungsverfahren beendet wissen wolle. Darüber hinaus hätte aufgrund der Vertretung durch den gefertigten Rechtsanwalt an diesen zugestellt werden müssen.

Über Vorhalt der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei an der seinen Namen tragenden M GmbH & Co KG beteiligt, welche im Jahr 1996 noch Umsätze erklärt habe, und zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass die KG im Voranmeldungszeitraum Jänner bis Dezember 1996 in Konkurs gewesen sei und der Beschwerdeführer aufgrund der daraus resultierenden Postsperre und des Verlustes der Geschäftsfähigkeit von den für die KG abgegebenen Erklärungen keine Kenntnis gehabt habe. Zur Frage der Vertretung durch den im Schuldenregulierungsverfahren des Beschwerdeführers aufgetretenen Rechtsanwalt wurde vorgebracht, dass das Finanzamt im Zurückweisungsbescheid vom selbst vom Vorliegen einer Vertretung durch diesen ausgegangen sei und sich dies auch aus dem erwähnten Schreiben vom ergebe. Im Übrigen hätte keine Schätzung erfolgen dürfen, da seit Einlangen des Schreibens vom das Nichtbestehen von zu veranlagenden Einkünften aktenkundig gewesen sei. Außerdem hätte die Behörde berücksichtigen müssen, dass unter der Adresse S-Weg keine Abgabestelle mehr bestanden habe, und den Bescheid nach Einholen einer Meldeauskunft neuerlich zustellen müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Nach Wiedergabe der Bestimmung des § 8 Abs. 1 ZustellG führte die belangte Behörde zunächst aus, dass gegen den Beschwerdeführer am ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei, bei dem auch das Finanzamt seine damals bestehenden Forderungen angemeldet habe - ein Umstand, der dem Beschwerdeführer auch bekannt sei. Da der Beschwerdeführer die letzte Teilquote des im Jahr 1998 bestätigten Zahlungsplanes erst im Jahr 2005 zu entrichten habe, sei das Einbringungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt beim Finanzamt anhängig und der Beschwerdeführer daher gemäß § 8 Abs. 1 ZustellG verpflichtet, die Abgabenbehörde von der Änderung seiner Abgabestelle zu informieren. Eine entsprechende Verpflichtung ergebe sich davon abgesehen aber auch aus der Bestimmung des § 104 BAO, weil der Beschwerdeführer aus seiner Beteiligung an der M GmbH Co KG im Jahr 1996 gemäß § 188 BAO festgestellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb (welche dem Einkommensteuerbescheid 1996 neben den Pensionseinkünften zu Grunde gelegt worden seien) bezogen habe. Durch die Unterlassung der Meldung habe die Behörde rechtswirksam an die im Akt ausgewiesene Adresse zustellen können. Die Sendung des Einkommensteuerbescheides mittels Rsb-Brief sei als eine durch die Behörde angeordnete Hinterlegung nach versuchter Zustellung zu beurteilen. Die Behörde habe (erst) durch ein Telefonat mit dem Postamt am von der Nachsendeadresse erfahren und - wie einem Aktenvermerk des Finanzamtes zu entnehmen sei - an diesem Tag eine nochmalige Zustellung des gegenständlichen Bescheides an diese Adresse (offenbar ohne Zustellnachweis) veranlasst. Durch die eingeholte Meldeauskunft vom habe sich bestätigt, dass der Beschwerdeführer seit an der Nachsendeadresse (P-Straße) gemeldet sei. Damit habe die Behörde ihre Verpflichtung, die aktuelle Abgabestelle in Erfahrung zu bringen, erfüllt. Auch sei der Einkommensteuerbescheid 1996 zu Recht nicht dem Rechtsanwalt zugestellt worden, weil der Beschwerdeführer nur im Schuldenregulierungsverfahren, nicht aber im Abgabenverfahren durch diesen vertreten worden sei und eine im Zeitpunkt der Zustellung bestehende Zustellbevollmächtigung des Beschwerdeführers zu Gunsten des Rechtsanwalts auch im Berufungsverfahren trotz entsprechender Ankündigung anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Anwalts nicht nachgewiesen worden sei.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet die Rechtswirksamkeit der mit erfolgten Hinterlegung des Einkommensteuerbescheides 1996 zunächst mit dem Vorbringen, die Zustellung hätte zuhanden seines Rechtsanwaltes erfolgen müssen, weil das Finanzamt aus den Schreiben vom und vom habe erkennen können, dass er nicht nur im Schuldenregulierungsverfahren, sondern auch in steuerlichen Belangen anwaltlich vertreten werde.

Diesem Einwand ist zu entgegnen, dass sich der einschreitende Rechtsanwalt in den angeführten Schreiben weder auf eine angeschlossene (oder bereits) vorliegende Vollmachtsurkunde noch auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen hat. Solcherart kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zur Feststellung gelangt ist, dass im Zeitpunkt der strittigen Zustellung keine gegenüber dem Finanzamt wirksame Zustellungsbevollmächtigung zugunsten des Rechtsanwalts bestanden hat. War zudem das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers im Jahr 1999 unstrittig bereits aufgehoben und eine Zustellung an den bestellten Masseverwalter daher nicht mehr geboten, ist der Beschwerdeführer zu Recht als Empfänger des Einkommensteuerbescheides bezeichnet worden.

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustellG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Abgabenbehörden erster Instanz gegenüber besteht gemäß § 104 BAO die Verpflichtung zur Mitteilung im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. auch so lange, als von ihnen Abgaben, ausgenommen durch Einbehaltung im Abzugswege zu entrichtende, wiederkehrend zu erheben sind.

Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG, soweit die Abgabenvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

In der Beschwerde wird ausdrücklich eingeräumt, dass der Beschwerdeführer die Änderung seiner Abgabestelle der Abgabenbehörde nicht mitgeteilt hat. Mit dem Vorbringen fehlender Kenntnis von der Anhängigkeit eines Steuerverfahrens bestreitet der Beschwerdeführer jedoch, dass er zu einer diesbezüglichen Mitteilung verpflichtet gewesen wäre.

Ob eine Verletzung der Meldepflicht vorliegt, kann im Beschwerdefall indes dahingestellt bleiben, weil der gegenständliche Zustellvorgang auch im Fall des Vorliegens einer entsprechenden Pflichtenverletzung aus folgenden Gründen keine rechtswirksame Zustellung bewirken konnte:

Eine Folge der Unterlassung der Mitteilung von der Änderung der Abgabestelle regelt das ZustellG im § 8 Abs. 2. Danach ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Eine Hinterlegung gem. § 8 Abs. 2 ZustellG ist gem. § 23 Abs. 1 leg. cit. von der Behörde anzuordnen. Eine solche Anordnung hat die Abgabenbehörde nicht getroffen und konnte sie dies auch nicht, weil ihr die Änderung der Abgabestelle gar nicht bekannt war. Eine Zustellung durch Hinterlegung an der der Abgabenbehörde zuletzt bekannt gegebenen Adresse (wie in jenen Fällen, die dem hg. Beschluss vom , 85/02/0282, Slg. Nr. 12.152/A, und dem Erkenntnis vom , 96/02/0253, zu Grunde lagen) ist im Beschwerdefall gleichfalls nicht erfolgt.

Die an der Nachsendeadresse durch das Zustellorgan erfolgte Hinterlegung wiederum konnte eine wirksame Zustellung nicht begründen, weil der Beschwerdeführer - von der belangten Behörde nicht bestritten - wegen Ortsabwesenheit nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Dass der gegenständliche Einkommensteuerbescheid dem Beschwerdeführer tatsächlich im Sinne des § 7 ZustellG zugekommen wäre, wodurch eine Heilung der zunächst unwirksamen Zustellung erfolgt wäre, wurde von den Abgabenbehörden nicht festgestellt und wird vom Beschwerdeführer ausdrücklich verneint. Vor dem Hintergrund dieser Sach- und Rechtslage ist die belangte Behörde zu Unrecht von einer wirksamen Zustellung des Einkommensteuerbescheides 1996 ausgegangen.

In ihrer Gegenschrift weist die belangte Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer auch im Falle der Unwirksamkeit des Zustellvorganges durch die Zurückweisung seiner Berufung nicht in Rechten verletzt sein könne. Habe es an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand in Gestalt eines rechtswirksam zugestellten Bescheides gefehlt, wäre die Berufung - wenn auch mit anderer Begründung - gleichfalls zurückzuweisen gewesen.

Es trifft zu, dass nur der Spruch eines Bescheides in Rechtskraft erwächst und den Beschwerdeführer in subjektiven Rechten verletzen kann. Im Beschwerdefall hat die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung "gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 ... gemäß § 273 Abs. 1 Bundesabgabenordnung zurückgewiesen".

§ 273 Abs. 1 BAO enthält in seiner lit. a den Zurückweisungsgrund der Unzulässigkeit (weil es beispielsweise an einen Anfechtungsgegenstand fehlt) und in seiner lit. b den Zurückweisungsgrund der mangelnden Rechtzeitigkeit. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, kann zur Auslegung eines im Spruch unklaren Bescheides seine Begründung herangezogen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0032, und vom , 96/16/0135). Aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides ergibt sich eindeutig, dass eine Zurückweisung nach lit. b leg. cit. erfolgt ist. Die belangte Behörde hat durch die Abweisung der dagegen gerichteten Berufung den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides übernommen und überdies auch in ihrer eigenen Begründung keinen Zweifel daran gelassen, dass von der Rechtswirksamkeit der Bescheiderlassung auszugehen ist und die Berufung daher zu Recht als verspätet gemäß § 273 Abs. 1 (lit. b) BAO zurückgewiesen wurde. Solcherart ist im Zurückweisungsbescheid eine Feststellung der wirksamen Erlassung des mit der Berufung bekämpften Bescheides zu erblicken und der Beschwerdeführer insofern in seinen Rechten verletzt, als damit auch über die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1996 abgesprochen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 83/10/0254, 0255, Slg.Nr. 11.410/A).

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am