VwGH vom 14.09.2001, 2000/02/0090
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Zeller, über die Beschwerde des WT in Wien, vertreten durch Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 63 - T 309/99, betreffend vorläufige Untersagung der Berufsausübung nach dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom wurde dem Beschwerdeführer die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes bis zur rechtskräftigen Beendigung des eingeleiteten Strafverfahrens vorläufig untersagt.
Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder ging davon aus, dass der Beschwerdeführer am zum Steuerberater und am zum Wirtschaftsprüfer bestellt worden sei. Seit Bestellung zum Steuerberater sei er der Kammer als selbständig tätig gemeldet und habe derzeit seinen Berufssitz an einer näher genannten Wiener Adresse. Er habe als Person zwei Steuerberater angestellt und für das Jahr 1998 Umsatz aus eigener Tätigkeit, somit aus Tätigkeiten, die nicht im Rahmen seiner Gesellschaft abgewickelt worden seien, gemeldet. Weiters sei er geschäftsführender Gesellschafter bei vier im einzelnen genannten Wirtschaftstreuhandgesellschaften. Bei der ersten sei er alleiniger Geschäftsführer, bei der zweiten zu 100 % Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer, bei der dritten vertrete er gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer, bei der vierten sei er zu 100 % Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer, der Prokurist sei nicht Wirtschaftstreuhänder.
Der Beschwerdeführer sei wegen versuchter Beitragstäterschaft zum gewerbsmäßigen schweren Betrug gemäß §§ 15, 12 iVm 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB angeklagt worden. Die Anklageschrift sei am von der Staatsanwaltschaft Wien beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingebracht worden. Der Bereicherungsvorsatz sei bei diesem Delikt Tatbestandsvoraussetzung; es liege ein möglicher Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Haftstrafe vor. Damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 99 Abs. 1 Z. 3 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, BGBl. Nr. 58/1999 - WTBG, gegeben.
Gemäß § 99 Abs. 2 WTBG sei von einer Suspendierung abzusehen, wenn die ordnungsgemäße Berufsausübung nicht gefährdet sei. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder führte sodann zum Begriff "ordnungsgemäße Berufsausübung" aus wie folgt:
"Der Begriff 'ordnungsgemäße Berufsausübung' lässt sich nur anhand der vom Gesetz geregelten Voraussetzungen zur Ausübung des Berufes definieren. § 8 WTBG führt unter anderem die besondere Vertrauenswürdigkeit, die in § 9 WTBG näher definiert wird, als Voraussetzung zur Bestellung an. In § 9 WTBG wird normiert, dass diese besondere Vertrauenswürdigkeit nicht gegeben ist, wenn Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen zu mehr als einjähriger Freiheitsstrafe, Verurteilungen wegen mit Bereicherungsvorsatz begangener strafbarer Handlungen oder Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen vorliegen. Die besondere Vertrauenswürdigkeit ist somit im weiteren Sinn als Gesetzestreue zu sehen. Gerade auf diese Gesetzestreue nimmt auch der Eid Bezug, den ein Wirtschaftsprüfer vor seiner Bestellung dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten abzulegen hat (§ 62 WTBG).
Nur auf Grund dieser besonderen Vertrauenswürdigkeit werden dem Berufsstand vom Gesetzgeber derart sensible Aufgabenbereiche, wie die Bilanzerstellung und insbesondere die Abschlussprüfung, ausschließlich übertragen. Insbesondere trifft dies auf Wirtschaftsprüfer zu, die mit ihren Bestätigungsvermerken über Richtigkeit von Geschäftsberichten die wesentliche Grundlage für wirtschaftliche Entscheidungen liefern.
Das Instrument der Suspendierung, der vorläufigen Untersagung der Berufsausübung, dient dazu, bis zu einer endgültigen Klärung mögliche Schäden zu vermeiden. Es dient so insbesondere zum Schutz der Klienten und in weiterer Folge allgemein der Konsumenten, die auf die Richtigkeit und Gesetzmäßigkeit der von einem Wirtschaftstreuhänder, insbesondere einem Wirtschaftsprüfer, erstellten Werke vertrauen."
Gerade dieses Vertrauen in die Werke des Beschwerdeführers könne jedoch bis zur endgültigen Klärung durch das Gericht auf Grund der erhobenen Beschuldigungen nicht gegeben sein. Tatbestandsmerkmal des Betruges nach § 146 StGB sei u.a. die vorsätzliche Täuschung eines anderen über Tatsachen. Sinn des Bestätigungsvermerkes eines Wirtschaftsprüfers sei jedoch gerade, mögliche Täuschungen in den Geschäftsberichten aufzudecken und zu unterbinden, um somit eine objektive Beurteilung eines Unternehmens zu gewährleisten. Als gewerbsmäßig definiere § 70 StGB das Vornehmen einer strafbaren Handlung mit der Absicht, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Gerade bei Verdacht, vorsätzlich zu einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen Täuschung beigetragen zu haben, die mit der Absicht begangen worden sei, sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, könne diese besondere Vertrauenswürdigkeit nicht gegeben sein. Bis zur gerichtlichen Klärung der Begehung der angelasteten Tathandlungen sei die ordnungsgemäße Berufsausübung gefährdet.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie den Bescheid der Kammer der Wirtschaftstreuhänder mit der Ergänzung bestätigte, dass die vorläufige Untersagung der Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gemäß § 99 Abs. 1 Z. 3 WTBG verfügt werde. Die belangte Behörde pflichtete der Begründung der Behörde erster Instanz vollinhaltlich bei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes, BGBl. I Nr. 58/1999 - WTBG -, lauten:
"§ 99. (1) Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes vorläufig zu untersagen bei
...
2. Einleitung einer Voruntersuchung gemäß § 91 der
Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631, wegen des Verdachtes
a) einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung,
die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, oder
b) einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen
gerichtlich strafbaren Handlung oder
c) eines gerichtlich strafbaren Finanzvergehens oder
3. Versetzung in den Anklagestand gemäß § 207 der Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631, wegen des Verdachtes einer der in Z 2 lit. a bis c aufgezählten Handlungen oder
...
(2) Von einer Suspendierung ist in den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 abzusehen, wenn die ordnungsgemäße Berufsausübung nicht gefährdet ist."
Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, ihm seien "die unter den Sachverhaltsfeststellung getätigten Ausführungen der Behörde erster Instanz" nie zur Stellungnahme vorgehalten worden, das "rechtliche Gehör" sei verletzt. Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob dem Verfahren der Behörde erster Instanz dieser behauptete Verfahrensmangel anhaftete, denn jedenfalls wurde dem Beschwerdeführer durch den Inhalt des Bescheides der Behörde erster Instanz Parteiengehör gewährt, weshalb der Verfahrensmangel im weiteren Verfahren jedenfalls nicht mehr gegeben ist.
Wenn der Beschwerdeführer einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides darin zu erblicken meint, dass die näheren "Tatbildmerkmale" und "Beweismittel" im angefochtenen Bescheid nicht enthalten seien, ist ihm zu entgegnen, dass es gemäß § 99 Abs. 1 Z. 3 WTBG nur auf die Versetzung in den Anklagestand wegen des Verdachtes einer der in Z. 2 lit. a bis c aufgezählten Handlungen ankommt.
Der Beschwerdeführer wendet sich - unter dem Blickwinkel des § 99 Abs. 2 WTBG - gegen die Heranziehung einer mangelnden Vertrauenswürdigkeit als Suspendierungsgrund und rügt als Verfahrensmangel, dass die Behörden keine sachverhaltsbezogenen Ermittlungen darüber angestellt hätten, ob und in welchem Ausmaß gerade ein so hoher Grad an Vertrauensunwürdigkeit vorliege, dass die Suspendierung auszusprechen gewesen sei. Mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Auslegung käme der Ausnahmetatbestand nach § 99 Abs. 2 WTBG nie zum Tragen.
Vorauszuschicken ist, dass die (oben zum Teil wörtlich wiedergegebene) Begründung des Bescheides der Kammer der Wirtschaftstreuhänder der in Bernbacher u.a., WTBG (2000), Anmerkungen 5 und 6 zu § 99, enthaltenen Meinung der Literatur entspricht.
Die Erläuterungen (1273 BlgNR 20. GP, Seite 75) enthalten zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen einen Suspendierungsbescheid in § 99 Abs. 4 WTBG die Aussage, dass damit "das Vertrauen der Allgemeinheit in eine korrekte Berufsausübung gesichert werden" soll.
Auch der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, dass die Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufes - wie im Übrigen jede Art von Treuhandschaft - besonderes Vertrauen der Klienten bzw. Treugeber in eine korrekte, gesetzeskonforme Ausübung des Berufes bzw. der Treuhandschaft voraussetzt. Die Auslegung der Wortfolge "ordnungsgemäße Berufsausübung" in § 99 Abs. 2 WTBG darf sohin nur unter diesem übergeordneten Aspekt erfolgen.
Dem Beschwerdeführer ist zwar dahingehend Recht zu geben, dass die Formulierung der belangten Behörde, die sich unter Hinweis auf § 9 WTBG auf alle Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen zu mehr als einjähriger Freiheitsstrafe, Verurteilungen wegen mit Bereicherungsvorsatz begangener strafbarer Handlungen oder Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen bezieht, in dieser Absolutheit über den Sinngehalt des § 99 Abs. 2 WTBG hinausgeht. Denn es kommt zur Beurteilung der Gefährdung der "ordnungsgemäßen Berufsausübung" auf die jeweilige konkrete Tathandlung an; nur solche Tathandlungen, die in Beziehung zur ausgeübten Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder stehen, sind geeignet, die ordnungsgemäße Berufsausübung gefährdet erscheinen zu lassen. Es ist jedoch unzweifelhaft, dass die dem Beschwerdeführer nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien zur Last liegende Tathandlung einen solchen Bezug zu seiner beruflichen Tätigkeit aufweist und in ihrer Art und Schwere eine besonders grobe Rechtsverletzung darstellt, weshalb die in ihrer Verallgemeinerung überschießende Begründung der belangten Behörde für den konkreten Fall im Ergebnis richtig ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am