VwGH vom 08.11.1983, 82/14/0031

VwGH vom 08.11.1983, 82/14/0031

Beachte

Besprechung in:

83/14/0172;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde der X-Warenhandelsgesellschaft m.b.H, in V, vertreten durch Dr. Paul Meyer, Rechtsanwalt in Villach, 10.-Oktober-Straße 13, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. 151-III-1980, betreffend Zurücknahme einer Berufung gegen den Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheid 1978 sowie Zurückweisung einer Berufung gegen die Abweisung eines Fristverlängerungsantrages betreffend Mängelbehebungsfrist, und vom , Zl. 153-III-1980, betreffend Zurücknahme einer Berufung gegen die Lohnsummensteuermeßbescheide 1977 und 1978, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft m.b.H. wurde vom Finanzamt mit Schreiben vom aufgefordert, die Abgabenerklärungen für das Jahr 1978 betreffend Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer sowie die Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum bis einzureichen. Nach einer weiteren diesbezüglichen Erinnerung, einer Abweisung eines entsprechenden Fristverlängerungsansuchens, wiederholten Aufforderungen unter Androhung von Zwangsstrafen und Festsetzung solcher Strafen im Ausmaß von insgesamt S 10.000,-- (Bescheide vom , vom , vom und vom ) ermittelte das Finanzamt die genannten Besteuerungsgrundlagen im Schätzungsweg und setzte mit Bescheiden vom für das Jahr 1978 Umsatzsteuer in Höhe von S 130.498,-- zuzüglich Verspätungszuschlag in Höhe von S 13.050,-- sowie Körperschaftsteuer in Höhe von S 1.890,-- zuzüglich Verspätungszuschlag in Höhe von S 189,-- fest. Außerdem erließ das Finanzamt für denselben Zeitraum einen Gewerbesteuermeß- und Zerlegungsbescheid, in dem der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag mit S 2.290,-- festgesetzt wurde, sowie (auf Antrag des Magistrats der Stadt Wien) Lohnsummensteuermeßbescheide für die Jahre 1977 und 1978. Schließlich wurden noch die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für 1980 und die Folgejahre mit S 30.000,-- und der für die Gewerbesteuervorauszahlungen 1980 und Folgejahre maßgebende einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag mit S 2.290,-- festgesetzt.

Die Beschwerdeführerin erhob fristgerecht mit drei Schriftsätzen (eingelangt beim Finanzamt am ) gegen sämtliche genannten Bescheide Berufung. In der Begründung wurde lediglich behauptet, daß die im Schätzungsweg ermittelten Abgabenbemessungsgrundlagen nicht mit den Steuererklärungen, der Bilanz bzw. den tatsächlichen Zahlen übereinstimmten. Der Berufungsantrag lautete auf "Herabsetzung und Veranlagung gemäß unseren Steuererklärungen". Die Vorlage dieser Steuererklärungen wurde innerhalb einer Frist von drei Wochen in Aussicht gestellt.

Das Finanzamt erließ zwei Mängelbehebungsaufträge, die der Beschwerdeführerin am zugestellt wurden und mit denen sie aufgefordert wurde, die Berufungen bis zum zu begründen und zu erklären, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen beantragt würden, widrigenfalls die Berufungen als zurückgenommen anzusehen wären. Nicht betroffen von den Mängelbehebungsaufträgen waren lediglich die Berufungen gegen die Vorauszahlungsbescheide.

Am sprach der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, Walter M., beim Finanzamt vor. Am selben Tag langte beim Finanzamt ein mit datiertes Schreiben der Beschwerdeführerin ein, in dem auf ein, dem Finanzamt bis dahin nicht bekannt gewesenes Ansuchen um Verlängerung der Mängelbehebungsfrist vom Bezug genommen und um weitere Fristverlängerung bis ersucht wurde. Eine Ablichtung des Ansuchens vom war angeschlossen.

Mit zwei Bescheiden vom erklärte das Finanzamt sämtliche Berufungen (sohin auch jene gegen die Vorauszahlungsbescheide) gemäß § 275 BAO als zurückgenommen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Die Berufungen gegen die Abgabenbescheide hätten den Antrag enthalten, die Abgaben "auf Null zu setzen". Die Steuerklärungen seien zwischenzeitlich mit Schreiben vom nachgereicht worden. Für die Behebung der Mängel seien auf Grund der diesbezüglichen Fristsetzung durch das Finanzamt nur fünf Arbeitstage zur Verfügung gestanden.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. In ihrem Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies die Beschwerdeführerin nochmals auf die Kürze der Mängelbehebungsfrist hin, die auch deswegen nicht hätte eingehalten werden können, weil "das gesamte Personal" mit der "Bearbeitung der neuen Kollektionen" beschäftigt gewesen sei.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das oben erwähnte Fristverlängerungsansuchen vom betreffend die Mängelbehebungsfrist ab und begründete dies damit, daß die gesetzte Frist ausreichend gewesen sei, da die Beschwerdeführerin selbst erklärt habe, die Berufungsbegründung bzw. die noch fehlenden Unterlagen binnen drei Wochen nachzureichen: Weiters wurde bemerkt, daß das Original des Fristverlängerungsansuchens im Finanzamt nicht eingelangt sei.

Die Beschwerdeführerin erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung, die jedoch vom Finanzamt mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß die Abweisung eines Fristverlängerungsantrages eine nur das Verfahren betreffende Verfügung sei, die gemäß § 244 BAO mit einem abgesonderten Rechtsmittel nicht bekämpft werden könne.

Die Beschwerdeführerin erhob auch gegen den Zurückweisungsbescheid Berufung. Das Ansuchen um Fristerstreckung, "welche von seiten des Betriebes unerläßlich war", sei ordnungsgemäß eingereicht worden. Das Finanzamt hätte zumindest eine Nachfrist setzen müssen.

Die belangte Behörde hat sodann mit dem erstangefochtenen Bescheid

a) über die Berufung gegen den Bescheid, mit dem die Zurücknahme der Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermeßbetrag für 1978 sowie gegen die Vorauszahlungsbescheide betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für 1980 und die Folgejahre ausgesprochen worden war und

b) über die Berufung gegen den Bescheid, mit dem die Berufung gegen jenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen wurde, mit dem das Fristverlängerungsansuchen betreffend die Mängelbehebungsfrist abgewiesen worden war, wie folgt entschieden:

Der unter lit. a genannten Berufung wurde bezüglich der Vorauszahlungsbescheide stattgegeben, weil das Finanzamt diesbezüglich keinen Mängelbehebungsauftrag erlassen habe, sodaß auch eine Zurücknahmeerklärung unzulässig gewesen sei; im übrigen wurde die unter lit. a genannte Berufung abgewiesen. Die unter lit. b genannte Berufung wurde ebenfalls abgewiesen.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde auch die Berufung gegen den Bescheid, mit dem die Zurücknahme der Berufung gegen die Lohnsummensteuermeßbescheide 1977 und 1978 ausgesprochen worden war, abgewiesen.

Die belangte Behörde vertritt in der erstangefochtenen Entscheidung die Auffassung, daß die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die Abgaben- und Meßbescheide, in denen nur vorgebracht worden war, die Schätzung entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen, einen Mängelbehebungsauftrag erforderlich gemacht hätten, und daß die hiefür vom Finanzamt gesetzte Frist ausreichend gewesen sei. Es sei in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, daß bereits mehr als ein volles Jahr seit Ablauf der allgemeinen Frist für die Abgabe der Steuererklärungen 1978 verstrichen gewesen war und die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung selbst die Nachreichung der Steuererklärungen innerhalb von drei Wochen in Aussicht gestellt habe.

Die Zurückweisung der Berufung gegen den Fristverlängerungsantrag betreffend die Mängelbehebungsfrist habe das Finanzamt zutreffend damit begründet, daß gegen verfahrensleitende Verfügungen kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig sei.

Der zweitangefochtene Bescheid ist analog dem erstangefochtenen Bescheid begründet, soweit sich dieser mit der Frage der Zurücknahme der Berufungen der Beschwerdeführerin befaßt.

In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muß eine Berufung enthalten:


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a)
Die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b)
die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c)
die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d)
eine Begründung.
Entspricht eine Berufung diesen Erfordernissen nicht, so hat die Abgabenbehörde erster Instanz dem Berufungswerber gemäß § 275 BAO die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Die Berufungen gegen die oben genannten Bescheide enthalten nur den lapidaren Hinweis, daß die Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen nicht den tatsächlichen Verhältnissen bzw. den (noch nicht abgegebenen) Steuererklärungen entsprechen.
Als einziger Berufungsantrag findet sich die Formulierung: "Antrag auf Herabsetzung und Veranlagung gemäß unseren Steuererklärungen". Das Beschwerdevorbringen, es sei bereits in den Berufungen der
Antrag gestellt worden, "daß alle Vorschreibungen 1978 ... auf
Null gesetzt werden", ist sohin aktenwidrig. Abgesehen davon wären aber die Berufungen auch dann mit Mängeln behaftet gewesen, wenn ein solcher Antrag gestellt worden wäre, denn ohne die in Aussicht gestellten Abgabenerklärungen mangelte den Berufungen die erforderliche Begründung. Eine Behauptung, die sich lediglich darauf beschränkt, einen Bescheid als unrichtig zu bezeichnen, stellt nämlich noch keine Begründung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. d BAO dar.
Das Finanzamt war daher gemäß § 275 BAO verpflichtet, der Beschwerdeführerin die Behebung dieser inhaltlichen Mängel aufzutragen. Was nun die Angemessenheit der Mängelbehebungsfrist anlangt, so ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß diese Frist nicht als unangemessen kurz bezeichnet werden kann, wenn sie erst nach jenem Zeitraum endete, den die Beschwerdeführerin selbst zur Nachreichung der fehlenden Berufungsbegründung und damit zur Behebung des Berufungsmangels mit drei Wochen in Aussicht gestellt hat. Im Beschwerdefall kommt hinzu, daß das Finanzamt ein Jahr lang vergeblich bemüht war, die Beschwerdeführerin zur Abgabe der betreffenden Steuererklärungen zu bringen und in diesem Zusammenhang vier Zwangsstrafen im Ausmaß von insgesamt S 10.000,--

festgesetzt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zlen. 1921, 1922/70, ausgeführt hat, kann bei festgestellten Verzögerungen durch den Abgabepflichtigen eine kurze Mängelbehebungsfrist geboten sein, um ihn zur Ordnung zu verhalten. Die zehntägige, vom 23. April bis bemessene Mängelbehebungsfrist kann daher auch aus diesem Grund nicht als unangemessen bezeichnet werden.


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Die belangte Behörde kommt in den beiden angefochtenen Bescheiden in weiterer Folge zu dem Ergebnis, daß die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen den Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1978 sowie gegen den Gewerbesteuermeß- und Zerlegungsbescheid 1978 und den Lohnsummensteuermeßbescheid für die Jahre 1977 und 1978 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen zu erklären waren, weil dem vom Finanzamt zu Recht erteilten Mängelbehebungsauftrag von der Beschwerdeführerin nicht fristgerecht entsprochen worden war. Dem Ansuchen um Verlängerung der Mängelbehebungsfrist ddto. sei dabei keine Bedeutung beizumessen, weil einem solchen Ansuchen keine den Fristenlauf hemmende Wirkung zukomme. Die Berufung gegen die nachfolgende Abweisung des genannten Fristverlängerungsansuchens sei vom Finanzamt gemäß § 273 BAO in Verbindung mit § 244 leg. cit. zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden.
Mit dieser Argumentation verkennt die belangte Behörde den Sinn des § 244 BAO, wonach eine nur das Verfahren betreffende Verfügung, wie sie die Entscheidung über das streitgegenständliche Fristverlängerungsansuchen darstellt, nicht mit einem abgesonderten Rechtsmittel, sondern nur mit Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden kann. Als die Angelegenheit abschließender Bescheid ist im Beschwerdefall der Bescheid anzusehen, mit dem die Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die oben genannten Bescheide gemäß § 275 BAO als zurückgenommen erklärt wurde. Diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin auch tatsächlich angefochten und dabei ausdrücklich auf ihr Ansuchen betreffend Verlängerung der Mängelbehebungsfrist hingewiesen. Wenn sie nun den erst rund fünf Monate nach dem Zurücknahmebescheid ergangenen Bescheid über die Abweisung ihres Fristverlängerungsantrages gesondert mit Berufung angefochten hat, so ändert dies nichts daran, daß der Antrag auf Fristverlängerung bzw. das diesbezügliche Berufungsbegehren bei der Berufungsentscheidung betreffend die Zurücknahmeerklärung mitzuberücksichtigen gewesen wäre. Denn bei diesem Bescheid handelt es sich ja, wie bereits gesagt, um den die Angelegenheit im Rechtsmittelverfahren abschließenden Bescheid, mit dem nach dem Willen des Gesetzgebers auch über die Frage der Fristverlängerung, und zwar meritorisch, abzusprechen war. Mit anderen Worten: Die Berufung gegen die Abweisung des Fristverlängerungsantrages wäre von der belangten Behörde wie eine "Ergänzung" der noch offenen Berufung gegen den Bescheid betreffend die Zurücknahmeerklärung zu behandeln gewesen.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweisen sich beide angefochtenen Bescheide als inhaltlich rechtswidrig und waren daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 lit. f Abstand genommen werden konnte, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil der Schriftsatzaufwand mit dem in der genannten Verordnung vorgesehenen Pauschbetrag von S 8.060,-- begrenzt ist. Wien, am