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VwGH vom 23.11.1983, 82/13/0106

VwGH vom 23.11.1983, 82/13/0106

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Füszl, über die Beschwerde des JS in P, vertreten durch Dr. Johann Rathbauer, Rechtsanwalt in Linz, Pfarrgasse 4, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. GA 10-239/1980, betreffend die Bestrafung nach § 33 Abs. 1 FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz erkannte mit seiner Strafverfügung den Beschwerdeführer des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig und verhängte über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage), weil er im Bereich des näher genannten Finanzamtes "durch Abgabe unrichtiger Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen, sohin unter Verletzung der Wahrheits- und Offenlegungspflicht gemäß § 119 BAO vorsätzlich bewirkt" habe, "daß in den Jahren 1975 bis 1977 Abgaben des Staates, und zwar Umsatzsteuer von S 41.644,--, Einkommensteuer von S 10.035,-- und Gewerbesteuer von S 4.730,-- verkürzt" worden seien. Der Sachverhalt und die Schuldform seien auf Grund der Prüfungsfeststellungen und der Ausführungen des Verteidigers des Beschwerdeführers erwiesen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Einspruch. Das Vorgehen des Betriebsprüfers, aus dem bilanzmäßig als notwendiges Betriebsvermögen erfaßten Neubau "das zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung privat genutzte obere Gebäudegeschoß als von vornherein als Privatinvestition" anzusehen, könne für das Strafverfahren nicht von Bedeutung sein, weil dadurch nicht die Absicht des Beschwerdeführers bewiesen werde, "von vornherein die Gebäudehälfte für private Zwecke zu nutzen".

Das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz erkannte mit seinem Straferkenntnis den Beschwerdeführer - wiederum - des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig und verhängte gegen ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage), - jetzt aber - weil er im Bereich des näher bezeichneten Finanzamtes "dadurch, daß er unrichtige Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen nicht berichtigt hat, obwohl er erkannt hat, daß er der gemäß § 119 BAO obliegenden Pflicht nicht voll entsprochen hat und daß dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat, sohin unter Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 139 BAO vorsätzlich bewirkt" habe, "daß in den Jahren 1975 bis 1977 Abgaben des Staates, und zwar Umsatzsteuer von S 41.644,-, Einkommensteuer von S 10.035,-- und Gewerbesteuer von S 4.730,-- verkürzt" worden seien. Anläßlich einer die Jahre 1975 bis 1977 umfassenden Betriebsprüfung sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer den errichteten Neubau - und zwar das betrieblich niemals genutzte Obergeschoß - mit seiner Familie während der Betriebsprüfung bewohnt habe, obwohl er die Errichtungskosten als Betriebsausgaben geltend gemacht und die mit der Errichtung im Zusammenhang stehenden Vorsteuern zum Abzug gebracht habe; die der Bauverhandlung zugrunde gelegte Baubeschreibung habe das Bauwerk als "Einfamilienhaus" ausgewiesen und es sei ein Wohnbauförderungsdarlehen der Landesregierung für die Errichtung eines Einfamilienhauses in Anspruch genommen worden. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß ursprünglich eine "Musterwohnung" als Möbel- und Heimtextilienausstellungsraum statt einer Privatwohnung geplant gewesen sei, sei im Widerspruch zur Baubeschreibung und zum Darlehensantrag an die Landesregierung gestanden, "weshalb der Vorsteuerabzug zu 50 % nicht anerkannt wurde und 50 % der Errichtungskosten auf das Privatkonto übertragen wurden". Die Inanspruchnahme des Wohnbauförderungsdarlehens der Landesregierung sei ein Indiz dafür, daß der Beschwerdeführer "von vornherein die Absicht hatte, das Obergeschoß des Neubaues keiner betrieblichen Nutzung zuzuführen, weil gemäß § 1 Wohnbauförderungsgesetz 1968 eine Förderung nur für die Errichtung von Klein- und Mittelwohnungen und von Geschäftsräumen in solchen geförderten Baulichkeiten in Betracht kommt, wobei auf Geschäftsräume nicht mehr als ein Viertel der gesamten Nutzfläche der Baulichkeit entfallen darf". Weiters spreche "die bauliche Gestaltung dafür (das Obergeschoß besteht aus einer Küche, einem Speisezimmer, einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, zwei Kinderzimmern, einem Gästezimmer, einem Bad, einem WC und einem Vorraum) sowie die Tatsache, daß das Gebäude im Alleineigentum der Ehegattin" des Beschwerdeführers stehe. Aus diesen Umständen könne jedoch nicht "mit der in einem Strafverfahren nötigen Sicherheit auf die ursprüngliche Absicht des Beschwerdeführers geschlossen werden"; es sei "etwa denkmöglich, daß der Beschwerdeführer tatsächlich das Wohnbauförderungsdarlehen zu Unrecht in Anspruch genommen" habe. Insoweit komme "also den Ausführungen im Einspruch Berechtigung zu".

Der Beschwerdeführer übersehe allerdings hiebei, daß es darauf gar nicht anzukommen habe. Tatsache sei nämlich, daß das Obergeschoß des neu errichteten Gebäudes keiner betrieblichen Nutzung zugeführt wurde, womit die abgeänderten Bescheide mit einer Rechtswidrigkeit behaftet waren, weil Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden". Der dem gegenständlichen Verfahren "zugrunde gelegte Sachverhalt ist daher erwiesen". Aus der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung werde deutlich, "daß der Beschwerdeführer nicht nur wußte, wie der vorliegende Sachverhalt rechtlich zu beurteilen ist, sondern auch, daß sein Entschluß, das Obergeschoß des neu errichteten Gebäudes ausschließlich einer privaten Nutzung zuzuführen, bereits vor Prüfungsbeginn feststand". Da der Beschwerdeführer der durch § 139 BAO auferlegten Verpflichtung "nicht genügt hat, muß im Zusammenhalt mit seinen Ausführungen anläßlich der mündlichen Verhandlung auf seine vorsätzliche Handlungsweise geschlossen werden".

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. Die Nutzung eines Rohbaues könne vor der Fertigstellung in der Regel überhaupt nicht erfolgen. Solange er "nicht auf Dauer genutzt wird, muß daher ein solches Objekt bilanztechnisch so behandelt werden, wie es nach Absicht des (hier: wirtschaftlichen) Eigentümers letztlich auf Dauer verwendet werden wird - im gegebenen Fall also bis zur Absichtsänderung während der Betriebsprüfung - als Betriebsvermögen". Die "Vorgangsweise der Betriebsprüfung, nämlich, bereits in den Prüfungsjahren die halbe Haushälfte als privat zu behandeln, war lediglich wegen der steuerlichen Indifferenz für" den Beschwerdeführer "akzeptabel und stellt ein Entgegenkommen seinerseits an die Verwaltung dar, das nicht durch Strafmaßnahmen abgegolten werden sollte; richtig war sie" nach Ansicht des Beschwerdeführers "nicht".

Die Finanzlandesdirektion als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz wies mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung diese Berufung ab. In den Jahresabschlüssen 1975 bis 1977 seien die für die Errichtung eines Neubaues angefallenen Kosten zur Gänze als Betriebsausgaben geltend gemacht worden, obwohl der Bau zu 50 % der Privatsphäre des Beschwerdeführers zuzurechnen sei. Da der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt, als die Nutzung erstmals möglich wurde", "sie für seine Wohnbedürfnisse nützte", sei "das Gebäude von vornherein als Privatvermögen offenzulegen" gewesen. Der Anteil des Hauses, der dem Wohnbedürfnis diene, könne - der Beschwerdeführer ermittle seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 - nicht notwendiges Betriebsvermögen sein. Die Zuordnung ergebe sich "im vorliegenden Fall aus der erstmaligen Nutzung des Gebäudes und wirkt auch für die Zeit der Errichtung des Gebäudes; eine beabsichtigte Verwendung ist hier nicht zu untersuchen". Nach "den Feststellungen der Betriebsprüfung wurden vom Beschwerdeführer zu Unrecht die gesamten Baukosten als Betriebsausgaben geltend gemacht, sodaß unter Verletzung" des § 12 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 und des § 4 Abs. 4 EStG 1972 "eine Abgabenverkürzung in dem im Spruch genannten Zeitraum, Ausmaß und Höhe bewirkt wurde; damit ist aber der objektive Tatbestand einer Abgabenverkürzung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG verwirklicht". Der Beschwerdeführer habe wissen müssen, daß die Geltendmachung der gesamten Errichtungskosten als Betriebsausgaben in der Folge den Gewinn minderte und somit auch die gewinnabhängigen Abgaben, weiters, daß die Geltendmachung der gesamten Vorsteuern zu einer Kürzung der Umsatzsteuerzahllast führt". Es spreche die Tatsache, "daß ein Wohnbauförderungsdarlehen aufgenommen wurde, dafür, daß von vornherein die Absicht bestand, ein Gebäude vorwiegend zur Befriedigung des privaten Wohnbedürfnisses zu errichten; es ist nicht anzunehmen, daß ein den Gesetzen verbundener Bürger fraudulos ein Darlehen widmungswidrig in Anspruch nimmt". Die bauliche Gestaltung spreche ebenfalls dafür, daß das Obergeschoß von vornherein Wohnzwecken dienen und die Räume nicht für Ausstellungen verwendet werden sollten. In der "Niederschrift vom führt der Beschwerdeführer an, er habe ohnedies die Absicht gehabt, das ganze Haus aus dem Betriebsvermögen zu entnehmen und privat zu nutzen". Aus "dieser Aussage, aus den oben beschriebenen Tatsachen, sowie aus dem Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich, daß er den Neubau sofort einer privaten Nutzung zuführte, kann nur der Schluß gezogen werden, daß er von vornherein die der Privatsphäre zuzurechnenden Ausgaben als Betriebsausgaben geltend machen wollte und dabei eine bewirkte Abgabenverkürzung durchaus in Kauf nahm; der subjektive Tatbestand ist somit ebenfalls gegeben".

Der Beschwerdeführer behauptet in der gegen diese Berufungsentscheidung erhobenen Beschwerde, es liege "wegen des Fehlens der subjektiven Tatseite zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen keine strafbare Handlung vor"; dem "Gesetzesbefehl einer unverzüglichen Anzeige" sei aber "insofern nicht zuwidergehandelt" worden, "als der Zeitraum zwischen dem erstmaligen Bezug der Wohnung frühestens im September 1979 und dem Beginn der Prüfung nur minimal war und daher die Unverzüglichkeit der Anzeige nach Prüfungsbeginn noch gegeben gewesen wäre".

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. Gemäß § 119 Abs. 2 leg. cit. dienen der Offenlegung insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.

Gemäß § 139 BAO ist ein Abgabepflichtiger verpflichtet, hierüber unverzüglich der zuständigen Abgabenbehörde Anzeige zu erstatten, wenn er nachträglich, aber vor dem Ablauf der Verjährungsfrist erkennt, daß er in einer Abgabenerklärung oder in einem sonstigen Anbringen der ihm gemäß § 119 leg. cit. obliegenden Pflicht nicht oder nicht voll entsprochen hat und daß dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat oder führen kann.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Hat der Abgabepflichtige durch seine unrichtige Abgabenerklärung vorsätzlich die zu niedrige Festsetzung einer bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe bewirkt und dadurch eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen, dann ist die weitere Verletzung der Pflicht zur Erstattung einer Anzeige nach § 139 BAO nur mehr eine straflose Nachtat (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 333 f; Fellner, Finanzstrafgesetz, Neufassung 1975, Lfg. März 1983, § 33 Tz. 19; Sommergruber, Das Finanzstrafgesetz, 199).

Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift zur Beschwerde vertretenen Meinung wurde der Beschwerdeführer durch das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Straferkenntnis der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG nicht deshalb für schuldig erkannt, weil er durch ABGABE unrichtiger Abgabenerklärungen vorsätzlich bewirkt habe, daß Abgaben verkürzt worden seien, sondern deshalb, weil er unrichtige Abgabenerklärungen NICHT BERICHTIGT habe, "obwohl er erkannt hat, daß er der gemäß § 119 BAO obliegenden Pflicht nicht voll entsprochen hat und daß dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat, sohin unter Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 139 BAO vorsätzlich bewirkt hat, daß Abgaben verkürzt wurden".

Der Spruch des durch die angefochtene Berufungsentscheidung bestätigten Straferkenntnisses steht sowohl mit sich selbst als auch mit der Begründung der Berufungsentscheidung im Widerspruch. Mit sich selbst steht der Spruch im Widerspruch, weil er einerseits feststellt, der Beschwerdeführer habe erkannt, "daß er der gemäß § 119 BAO obliegenden Pflicht nicht voll entsprochen hat und daß dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt HAT", andererseits aber annimmt, daß der Beschwerdeführer - erst - durch die unterlassene Berichtigung unrichtiger Abgabenerklärungen die Abgabenverkürzung bewirkt hat. Mit der Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung steht der Spruch im Widerspruch, weil der Beschwerdeführer nach dieser Begründung "von VORNHEREIN die der Privatsphäre zuzurechnenden Ausgaben als Betriebsausgaben geltend machen wollte und dabei eine bewirkte Abgabenverkürzung durchaus in Kauf nahm."

Da der angefochtene Bescheid sohin keine hinreichende Aufklärung darüber gibt, warum die belangte Behörde dennoch zu dem Ergebnis kam, der Beschwerdeführer sei deshalb zutreffend der Abgabenhinterziehung schuldig erkannt worden, weil er die Anzeigepflicht nach § 139 BAO verletzt habe, ist dieser Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, 445, 1. Rechtssatz).

Die Entscheidung über die in der zuerkannten Höhe angesprochenen Kosten stützt sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221.

Wien, am