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VwGH vom 24.02.2004, 2000/14/0020

VwGH vom 24.02.2004, 2000/14/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des EW in D, vertreten durch Dr. Johann Kahrer und Dr. Christian Haslinger, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Dorfwirthstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat I) vom , Zl. RV 501/1- 10/1999, betreffend Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe 1. vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige- und Offenlegungspflicht, indem Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nicht abgeführt wurden, eine Abgabenverkürzung an Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum 1- 9/96 in Höhe von S 70.380,-- sowie Straßenbenützungsabgabe für die Zeiträume 1-11/96 in Höhe von S 68.098,-- bewirkt und

2. vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von - dem § 21 des UStG 1994 entsprechenden - Voranmeldungen für die Zeiträume 1-11/96 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von S 768.746,-- bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten. Dadurch habe er zu 1. die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG und zu 2. das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die - allein gegen die Anlastung des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und dem Strafausspruch gerichtete - Berufung des Beschwerdeführers ab.

Unstrittig ist folgender Sachverhalt: Am erstattete der Beschwerdeführer eine Selbstanzeige hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Finanzordnungswidrigkeit und Abgabenhinterziehung und ersuchte um Zahlungserleichterung. Dieses Ersuchen wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen, die ausständigen Abgaben derart zu entrichten, dass S 15.000,-- bis und die restliche Summe bis zum zu zahlen seien. Am stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Einleitung des Konkursverfahrens, das am eröffnet wurde und am in einen Zwangsausgleich mit einer 20 %igen Quote mündete. Diese Quote wurde vom Beschwerdeführer bezahlt.

Strittig ist allein, ob der Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung im Sinn des § 29 FinStrG zukam, obwohl die Abgaben nicht (in voller Höhe) unverzüglich entrichtet wurden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige).

Gemäß § 29 Abs. 2 leg. cit. tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offengelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend entrichtet werden.

Die belangte Behörde verneinte eine durch die Selbstanzeige des Beschwerdeführers eingetretene Straffreiheit im Wesentlichen mit der Begründung, dass zwar im Fall einer Entrichtung der Abgabenschulden gemäß den §§ 27 ff KO eine Anfechtung dieser Leistung möglich gewesen wäre, dass aber die faktische bzw. rechtliche Unmöglichkeit eines Selbstanzeigers zur Entrichtung der verkürzten bzw. nicht rechtzeitig entrichteten Abgaben infolge ihm fehlender Mittel keinen Aufschub seiner Verpflichtung zur Zahlung der strafrelevanten Abgabenbeträge bewirke. Nach § 158 Abs. 1 StGB sei zwar derjenige zu bestrafen, der nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, die Erfüllung einer Steuerpflicht könne aber nicht als Begünstigung des Fiskus nach § 158 Abs. 1 StGB verantwortlich machen. Es sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass die Befolgung eines Gesetzes nicht strafbar machen könne. Könne ein Straftäter aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Abgaben nicht zahlen, so könne der Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige eben nicht wirksam werden.

Damit unterliegt die belangte Behörde einem Rechtsirrtum. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem auch von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 93/15/0170, - unter Hinweis auf Rechtsprechung des OGH - dargelegt, dass eine unter Bedachtnahme auf insolvenzrechtliche Bestimmungen verminderte tatsächliche Abgabenentrichtung einer Schadensgutmachung im Sinn des § 29 Abs. 2 FinStrG entspreche. Es müsse dem die Ausgleichsquote erfüllenden Abgabenschuldner hinsichtlich der gesamten nur quotenmäßig getilgten Abgabenschulden Straffreiheit zugebilligt werden. Mehr als eine nach der Selbstanzeige den Abgabenvorschriften entsprechende Entrichtung des von ihm jeweils geschuldeten Abgabenbetrages sei vom Täter eines Finanzvergehens zur Erwirkung der Strafaufhebung nach § 29 Abs. 2 leg. cit. nicht zu verlangen.

Vorliegend ist unbestritten, dass eine Entrichtung der Abgabenschulden im Zeitpunkt des Eintritts des Terminsverlustes insolvenzrechtlichen Vorschriften widersprochen hätte. Dem gemäß konnte der Beschwerdeführer - wie im Fall des zitierten Vorerkenntnisses - (allein) durch die Selbstanzeige in Verbindung mit der nachträglichen Entrichtung der Zwangsausgleichsquote Straffreiheit erwirken.

Die belangte Behörde verneint die Erwirkung einer Straffreiheit mit der Begründung, dass auch eine Zahlung vor Konkurseröffnung, welche nach Anfechtung durch den Masseverwalter wieder an den Selbstanzeiger zurückgezahlt werden müsse, keine - durch die Bestimmungen der KO ergänzte - Entrichtung im Sinn des § 29 FinStrG darstellen könne. Damit sei derjenige Selbstanzeiger, der nicht entrichtet habe, demjenigen gleichgestellt, der zwar "vorerst gezahlt habe, dem jedoch der Abgabengläubiger den empfangenen Betrag nach Anfechtung durch den Masseverwalter wiederum zurückgeben" habe müssen. Dieses Argument trägt aber nichts zur Beantwortung der Frage bei, ob überhaupt eine Zahlung durch den späteren Gemeinschuldner zu verlangen ist. Wird diese Frage verneint, kann dem nicht zahlenden Gemeinschuldner ebenso wenig wie dem zahlenden Gemeinschuldner ein Vorwurf im Sinn der Verweigerung der Wohltat des § 29 FinStrG gemacht werden.

Nicht zielführend ist der Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/08/0100, vom , Zl. 93/08/0232, und vom , Zl. 97/08/0394, denen zufolge unbeschadet des Eintrittes einer Zahlungsunfähigkeit bzw. eines Antrages auf Konkurseröffnung die Zahlungsverpflichtung (grundsätzlich) weiter bestünde, ging es doch in den genannten Erkenntnissen um die Frage der Ungleichbehandlung der Gläubiger bzw. eines Verschuldens am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, nicht jedoch um das Ausmaß der für eine Straffreiheit zu verlangenden Schadensgutmachung.

Unzutreffend ist weiters die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation des bereits zitierten hg. Erkenntnisses Zl. 93/15/0170. Diesem Erkenntnis lag zwar zu Grunde, dass eine Selbstanzeige über verkürzte Umsatzsteuervorauszahlungen in Form einer Jahresumsatzsteuererklärung am beim zuständigen Finanzamt eingelangt ist, am das Ausgleichsverfahren eröffnet und mit Bescheid vom die Umsatzsteuer für das Jahr 1986 entsprechend der Jahreserklärung festgesetzt wurde; demnach war der die Selbstanzeige erstattende Beschuldigte nicht in der Lage, vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens die mittels Jahresumsatzsteuerbescheid 1986 festzusetzenden verkürzten Umsatzsteuern zu entrichten. Die belangte Behörde übersieht aber, dass in diesem Vorerkenntnis dem Beschwerdeführer nicht eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (betreffend Jahresumsatzsteuer) zur Last gelegt wurde, sondern - wie im vorliegenden Fall - eine Verkürzung der Umsatzsteuervorauszahlung unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. a leg. cit. Dem gemäß gleichen sich die beiden Fälle darin, dass nach der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigten Selbstanzeige im Hinblick auf insolvenzrechtliche Gläubigerschutzbestimmungen bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens keine Zahlung der Abgabenschuld mehr erfolgt ist.

Da somit die belangte Behörde der Selbstanzeige nach § 29 Abs. 1 FinStrG zu Unrecht nicht die strafbefreiende Wirkung zuerkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am