VwGH vom 08.04.1986, 82/05/0129
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gehart, über die Beschwerde der E und des FA in K, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 29/2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/2-V-8223, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, soweit die Vorstellung der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen wurde, aufgehoben.
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,--; der Zweitbeschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom wurde dem Zweitbeschwerdeführer bezüglich der in Abweichung vom genehmigten Bauplan ausgeführten Passage gemäß den §§ 112 und 113 der Bauordnung für Niederösterreich, Landesgesetz 8200-0, aufgetragen, bis spätestens Ende September 1981 den konsensmäßigen Zustand herzustellen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß es dem Zweitbeschwerdeführer vorbehalten bleibe, vor Ablauf dieser Frist einen Änderungsantrag beim Stadtbauamt einzubringen. Begründend wurde dargelegt, bei der am durchgeführten Verhandlung sei festgestellt worden, daß die Passage in Abweichung vom genehmigten Bauplan ausgeführt worden sei. Die Abweichung bestehe darin, daß der Durchgang nicht in geradliniger Fortsetzung des Gehsteiges vom Stadtplatz her in unverminderter Breite von 3,20 m bei Durchgangsöffnungen von 2 m Breite ausgeführt, sondern daß die Passage durch die Errichtung eines mittleren Schaukastens geteilt worden sei, wobei der Durchblick gestört und Mindestbreiten von 1,34 bzw. 1,56 m ausgeführt worden seien. In der Zustellverfügung des Bescheides wurde als "Beauftragter" allein der Zweitbeschwerdeführer bezeichnet. Auch entsprechend dem im Akt erliegenden Rückschein war dieser Bescheid ausschließlich an den Zweitbeschwerdeführer gerichtet. Aus dem Rückschein ist ersichtlich, daß der Bescheid am von der Erstbeschwerdeführerin (als Ersatzempfänger) übernommen wurde.
Auf Grund der dagegen von beiden Beschwerdeführern innerhalb offener Rechtsmittelfrist eingebrachten Berufung wurde mit dem in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom ergangenen Bescheid vom ausgesprochen, daß gemäß § 112 Abs. 1 und 2 der Niederösterreichischen Bauordnung der dem Bewilligungsbescheid vom entsprechende konsensgemäße Zustand herzustellen sei. Für die Behebung des Baugebrechens wurde unter Berücksichtigung der bisher eingelangten Anträge eine Frist bis gewährt. Hinsichtlich des Auftrages gemäß § 113 Niederösterreichische Bauordung wurde der Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens stattgegeben und der bekämpfte Bescheid in diesem Punkte aufgehoben. In allen anderen Punkten wurde die Berufung abgewiesen. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die gegenständliche Baulichkeit (Passage) abweichend von der mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom erteilten Baubewilligung errichtet und eine Benützungsbewilligung nicht erteilt worden sei. Im Hinblick auf die bereits erfolgte Baufertigstellung lägen somit nicht Mängel in der Bauausführung im Sinne des § 109 Niederösterreichische Bauordnung vor. Die Baubehörde erster Instanz sei daher richtigerweise von § 112 leg. cit. ausgegangen und habe nach Feststellung des konsenswidrigen Zustandes, der im übrigen durch die Berufung gar nicht betroffen (gemeint war wohl: bestritten) worden sei, die bekämpfte Verfügung im Sinne des § 112 Abs. 1 und 2 leg. cit. unter Einräumung einer angemessenen Frist getroffen. In diesem Punkt könne "dem Berufungswerber" nicht beigepflichtet werden, auch schon deshalb nicht, weil der konsenswidrige Zustand -
wie die Vorlage der sogenannten "Auswechslungspläne" zeige - noch immer bestehe und die erforderliche vom "Berufungswerber" aber durch die Behörde nicht erzwingbare Mitarbeit (Antragsprinzip) noch nicht den Erfolg gezeitigt habe, der zu einer Baubewilligung führen könnte. Die weiteren Ausführungen betreffen die teilweise Stattgebung der Berufung.
Die dagegen von den Beschwerdeführern rechtzeitig eingebrachte Vorstellung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach dem Akteninhalt sei es unbestritten, daß die Beschwerdeführer die Fußgeherpassage des auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück errichteten Wohn- und Geschäftshauses gegenüber den mit Bescheid vom 23. Mai (richtig: Februar) 1975 baubehördlich bewilligten Einreichplänen in wesentlich geänderter Ausführung, und zwar ohne entsprechende Bewilligung der Baubehörde, errichtet haben. Ein den Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung entsprechendes, ordnungsgemäß instruiertes Bauansuchen sei trotz nachweislicher Aufforderung durch die Baubehörde innerhalb der gesetzten Frist nicht eingebracht worden. Die Baubehörden erster und zweiter Instanz seien demnach nach Ansicht der Aufsichtsbehörde durchaus gesetzeskonform vorgegangen, wenn sie, gestützt auf die Bestimmung des § 112 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung, ausgehend von der Konsenslosigkeit der vorgenommenen Abänderungen das Vorliegen einer Bauordnungswidrigkeit angenommen und daher den Beschwerdeführern mit dem angefochtenen Bescheid den baupolizeilichen Auftrag zur Herstellung des der rechtskräftigen baubehördlichen Bewilligung entsprechenden Zustandes erteilt haben. Die Behauptungen der Beschwerdeführer über die Einbringung eines Ansuchens um Erteilung der nachträglichen baubehördlichen Bewilligung sei durch den gegenteiligen Akteninhalt, insbesondere die Aufforderung zur Einbringung eines entsprechend belegten Ansuchens, als widerlegt anzusehen, sodaß eine Unterbrechung des Bauauftragsverfahrens bis zur Entscheidung über ein derartiges Ansuchen nicht in Frage komme. Hierüber könne erst nach Vorliegen dieses Ansuchens durch die Baubehörde entschieden werden. Die Aufsichtsbehörde sei auf Grund der vorstehenden Erwägungen entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer der Auffassung, daß durch den angefochtenen, der Berufung teilweise stattgebenden Bescheid eine Verletzung ihrer Rechte auf Einhaltung eines den Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung entsprechenden Verfahrens nicht eingetreten sei. Bei dieser Sach- und Rechtslage müsse daher der Vorstellung der Erfolg versagt bleiben und sei spruchgemäß zu entscheiden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Berufungsbehörde und die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde haben übersehen, daß zur Einbringung einer Berufung - mit Ausnahme der Fälle, in denen ein Bescheid im Mehrparteienverfahren durch die Zustellung an eine Partei bereits dem Rechtsbestand angehört - gemäß § 63 AVG 1950 nur derjenige befugt ist, dem der Bescheid wirksam zugestellt oder verkündet worden und für den er auch seinem Inhalt nach bestimmt ist vgl. Erkenntnis vom , Zl. 541/71, (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 265, E 1 zu § 63 Abs. 5 AVG 1950). Nun ist dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides eindeutig zu entnehmen, daß der baupolizeiliche Auftrag lediglich an eine Person, und zwar, wie sich aus der Zustellverfügung und dem Rückschein ergibt, ausschließlich an den Zweitbeschwerdeführer gerichtet war, weshalb die Erstbeschwerdeführerin, die durch den Bescheid nicht belastet wurde, nicht zur Erhebung einer Berufung legitimiert war. Daran ändert auch nichts, daß die Erstbeschwerdeführerin den Bescheid als Ersatzempfänger (gemäß § 23 Abs. 1 AVG 1950 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 199/1982) für den Zweitbeschwerdeführer übernommen hat. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde hätte daher die Berufung der Erstbeschwerdeführerin als unzulässig zurückweisen müssen. Da die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde diesen Mangel des Berufungsbescheides nicht wahrgenommen hat, ist ihr Bescheid insoweit mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gegenüber der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
In tatsächlicher Hinsicht wird die von den Verwaltungsbehörden getroffene Feststellung, daß die Passage nicht entsprechend den im Bewilligungsbescheid vom enthaltenen Baupläne errichtet wurde, gar nicht bestritten. In der Beschwerde wird die Rechtsmeinung vertreten, ein baupolizeilicher Auftrag zur Herstellung des konsensgemäßen Zustandes dürfe nur dann ergehen, wenn ein Baugebrechen vorliege, durch welches die Standfestigkeit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz, oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden können.
Gemäß § 112 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 hat der Eigentümer einer Baulichkeit dafür zu sorgen, daß diese in einem der Bewilligung entsprechenden Zustand erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche die Standfestigkeit, die äußere Gestaltung, der Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden können, zu beheben. Kommt der Eigentümer einer Baulichkeit seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde gemäß § 112 Abs. 2 leg. cit. nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden ist, unter Gewährung einer angemessenen Frist die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun im Erkenntnis vom , Zl. 84/05/0063 (Hauer, Baurechtssammlung, Bd 2, Entscheidung Nr. 323), zu dieser Gesetzesstelle festgestellt, daß der Gesetzgeber hier offensichtlich das Wort Baugebrechen nicht im eigentlichen Sinn des Wortes, also betreffend eine Verschlechterung des ursprünglichen Bauzustandes, verstanden habe, wie dem Titel des Paragraphen "Vermeidung von Bauordnungswidrigkeiten" entnommen werden könne. Eine Bauordnungswidrigkeit sei aber nach der Definition dieses Begriffes im § 2 Z. 6 der Niederösterreichischen Bauordnung der Zustand eines Grundstückes oder einer Baulichkeit, welcher diesem Gesetz, dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan zuwiderlaufe. Ausgehend von der auf der Verwaltungsebene getroffenen und in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Feststellung, daß die Passage im Widerspruch zu der Baubewilligung vom errichtet wurde, ist somit das Vorliegen einer Bauordnungswidrigkeit und unter Zugrundelegung des zitierten Vorjudikates das Vorhandensein eines Baugebrechens zu bejahen. Damit kann aber der Zweitbeschwerdeführer durch die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages, den konsensgemäßen Zustand herzustellen - in Wahrheit handelt es sich um einen Auftrag, eine Bauordnungswidrigkeit zu beseitigen -, nicht in einem subjektiven Recht verletzt sein.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen hindert der Umstand, daß ein Ansuchen um nachträgliche Genehmigung der vorgenommenen Änderungen bereits eingebracht worden sei, nicht die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages, zumal dem Zweitbeschwerdeführer ohnehin bescheidmäßig die Möglichkeit eingeräumt wurde, ein nachträgliches Ansuchen um Genehmigung der Änderungen zu stellen, und sich überdies aus dem Wortlaut der vorstehend zitierten Rechtsvorschriften kein Anhaltspunkt für diese in der Beschwerde vertretene Rechtsmeinung ergibt.
Da es sohin dem Zweitbeschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war die Beschwerde ihm gegenüber gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Wien, am