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VwGH vom 17.12.2003, 2000/13/0220

VwGH vom 17.12.2003, 2000/13/0220

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Ottakringer Straße 57, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/166-10/00, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Gefolge einer bei der FB GesmbH durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung stellte die Prüferin u.a. fest, dass HB ihr Einzelunternehmen zum in die zur Fortführung des Betriebes (Bronzewarenerzeugung und Ziseleur) gegründete FB GesmbH eingebracht habe. Der Beschwerdeführer sei damals Geschäftsführer und später Alleingesellschafter der FB GesmbH geworden. Im "Besitz" des in die FB GesmbH eingebrachten Einzelunternehmens seien etwa 10.000 Stück Modelle gestanden, welche im Zuge der Einbringung in die FB GesmbH übertragen worden seien. Auf Grund der bereits erfolgten Abschreibung seien sie jedoch nicht mehr in die Bilanz aufgenommen worden. Weitere Modelle seien im Prüfungszeitraum nicht hinzugekauft worden. Die Modelle seien für die Produktion maßgebend und für die Bestellung durch die Kunden notwendig gewesen. Der Betrieb hätte ohne die Modelle nicht aufrecht erhalten werden können.

Mit Kaufvertrag vom habe die FB GesmbH die gesamten Betriebsmittel der K & Co GesmbH verkauft. Mit Kaufvertrag vom selben Tag habe der Beschwerdeführer die Modelle der K & Co GesmbH verkauft. Für die Modelle sei letztlich ein Kaufpreis von 5,400.000 S 1,000.000 S im Februar 1992 und 4,400.000 S im Mai 1992) entrichtet worden. In der Buchhaltung der FB GesmbH habe dieser Vorgang keinen Niederschlag gefunden. Da es denkunmöglich sei, dass sich diese Modelle im Privatvermögen des Geschäftsführers hätten befinden können, ordnete die Prüferin die Modelle dem Betriebsvermögen der FB GesmbH zu. Der Erlös aus dem Verkauf der Modelle stelle einen für die FB GesmbH steuerpflichtigen Umsatz dar.

Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 80 BAO als Haftenden für die von der FB GesmbH geschuldeten Abgaben in Höhe von rund 3,5 Millionen S in Anspruch. Die im Einzelnen aufgegliederten Abgaben setzten sich u.a. aus der Umsatzsteuer 1992 und 1993, der Kapitalertragsteuer 1992 sowie verschiedenen weiteren Abgaben für einzelne Zeiträume der Jahre 1996 bis 1999 zusammen. Die Abgaben seien bei der FB GesmbH uneinbringlich und der Beschwerdeführer habe seine abgabenrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt, die Abgaben fristgerecht zu entrichten.

Der Beschwerdeführer berief mit Schriftsatz vom sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen die der FB GesmbH gegenüber erlassenen Abgabenbescheide. Der Erlös aus dem Verkauf der Modelle durch den Beschwerdeführer sei auf Druck der B-Bank der FB GesmbH als Darlehen zur Verfügung gestellt worden, welche den Betrag für entsprechende Kreditrückzahlungen an die B-Bank verwendet habe. Mehr als zwei Jahre nach dem Verkauf habe das Finanzamt behauptet, die Modelle seien in die FB GesmbH eingebracht worden. Dies treffe nicht zu. Diese Sachverhaltsfiktion des Finanzamtes sei weder von der FB GesmbH noch vom Beschwerdeführer anerkannt worden. Selbst bei theoretischer Entstehung der Abgabenschuld sei der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer Vorsorge für die Abgabenentrichtung habe treffen müssen, nicht der Zeitpunkt gewesen, zu dem die Abgaben zu entrichten gewesen wären (nämlich im Juli 1992), weshalb in der Befriedigung des einzigen sonstigen Gläubigers der FB GesmbH, der B-Bank, im Gefolge des Verkaufs der Modelle und der Einigung eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten nicht erblickt werden könne. Der maßgebliche Zeitpunkt sei erst der des Abschlusses der Betriebsprüfung, also der . Zu diesem Zeitpunkt sei aber keine schuldhafte Pflichtverletzung mehr vorgelegen, denn die FB GesmbH habe zu diesem Zeitpunkt kein Vermögen mehr gehabt. Zusammenfassend habe der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der "theoretischen Abfuhrverpflichtung im Juli 1992" davon ausgehen können, weder Umsatz- noch Kapitalertragsteuerschulden zu haben und daher ohne weitere Folgen Verbindlichkeiten der B-Bank zu begleichen, wodurch die FB GesmbH zum leeren Mantel geworden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit statt, als die Haftung auf 2,948.416 S eingeschränkt wurde. Im Übrigen wies sie die Berufung ab. Die belangte Behörde schränkte die Haftung auf die Umsatzsteuer 1992 und 1993 und die Kapitalertragsteuer 1992 ein. Diese Abgaben seien im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsprüfung (am ) uneinbringlich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe die FB GesmbH keine Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt. Auf den Zeitpunkt der bescheidmäßigen Festsetzung der Selbstbemessungsabgaben komme es nicht an. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer sei somit "hinsichtlich der Umsatzsteuer 1992 der Juli 1992 - nach dem Vorbringen des (Beschwerdeführers( - bzw. der und hinsichtlich der Umsatzsteuer 1993 der auf Grund der Fälligkeit dieser Abgaben zu diesen Zeitpunkten laut Aktenlage" gewesen. Hinsichtlich der Kapitalertragsteuer 1992 könne deren Nichtabführung grundsätzlich nicht mit dem Fehlen von Geldmitteln für die Entrichtung entschuldigt werden. Dass der FB GesmbH zu den Fälligkeitsterminen der Umsatzsteuer keine Mittel zur Entrichtung zur Verfügung gestanden wären, habe er weder behauptet noch würde sich dies aus der Aktenlage ergeben. Gegenteilige Anhaltspunkte würden der Erlös aus den Kaufverträgen vom und den Umsatzsteuererklärungen zufolge in den Jahren 1993 und 1994 erzielte Umsätze in Höhe von beinahe 800.000 S und rund 45.000 S darstellen. Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Abgabenvorschreibung könnten nicht berücksichtigt werden, weil gegenüber der FB GesmbH Bescheide ergangen seien. Dem Einwand des Beschwerdeführers, im Juli 1992 hätten keine Anhaltspunkte für eine solche Abgabenschuld bestanden, halte die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftsatz vom entgegen, wonach außer Streit stehe, dass das Einzelunternehmen in die FB GesmbH eingebracht worden sei und die in Rede stehenden Modelle als "wertlos" zwar wohl in die FB GesmbH eingebracht, "danach als wertlos angesehen - möglicherweise buchhalterisch falsch - in die Bücher der GmbH nicht mehr aufgenommen worden seien". In einem näher bezeichneten zivilgerichtlichen Verfahren habe der Beschwerdeführer darüber hinaus einen mit datierten Aktenvermerk damit begründet, dessen Zweck sei die Sicherstellung gewesen, dass für den Fall, dass doch eine Umsatzsteuerpflicht entstehe, diese von der Käuferin der Modelle getragen werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die belangte Behörde hätte seine im Verwaltungsverfahren vorgebrachte Anregung übergangen, das Verfahren über die Haftungsinanspruchnahme gemäß § 281 BAO auszusetzen, bis über eine von der FB GesmbH gegen die Abgabenbescheide erhobene Berufung entschieden werde.

Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass einer Berufung erhebenden Partei kein subjektiv-öffentliches Recht auf das Unterbleiben einer Entscheidung über ihre Berufung eingeräumt ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2000/14/0083, und vom , 99/15/0238).

Der Beschwerdeführer war im in Rede stehenden Zeitraum unbestritten Geschäftsführer der FB GesmbH.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 97/13/0177).

Die in § 80 BAO dem Vertreter auferlegten Pflichten umfassen auch die rechtzeitige Entrichtung der für die Gesellschaft anfallenden Abgaben. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen (vgl. in ständiger Rechtsprechung abermals das erwähnte Erkenntnis vom ).

Mit seinen schon im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen gegen das Entstehen des Abgabenanspruch, betreffend den größten Teil der Umsatzsteuer 1992 sowie die Kapitalertragsteuer 1992, ist der Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach solche Einwendungen in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht in einem Haftungsverfahren geltend zu machen sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 97/14/0128). Über die vom Beschwerdeführer gegen die Abgabenbescheide erhobene Berufung wird die Behörde ohnehin zu entscheiden haben. Mit den Einwendungen gegen die an die FB GesmbH ergangenen Abgabenbescheide zeigt der Beschwerdeführer somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides auf.

Der Beschwerdeführer argumentiert, dass die belangte Behörde von einer Mittellosigkeit der FB GesmbH im Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsprüfung bei der FB GesmbH ausgegangen sei und ihn deshalb kein Verschulden an der von der Betriebsprüfung festgestellten Abgabenschuld treffe. Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass bei Abgaben, welche der Abgabenschuldner selbst zu berechnen und abzuführen hat, der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen ist, ob der Geschäftsführer seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachkam und ob die Gesellschaft die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, sich danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0006, und das zur ebenfalls eine Selbstbemessungsabgabe darstellenden Kommunalsteuer ergangene hg. Erkenntnis vom , 2001/13/0286).

Mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 98/17/0038, kann der Beschwerdeführer nichts für sich gewinnen. Der jenem Erkenntnis zu Grunde liegende Beschwerdefall betraf die Haftung für einen Betrag an Lohnsummensteuer für den Zeitraum Jänner 1985 bis Dezember 1989. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass es für die Prüfung der Haftungsvoraussetzungen nicht auf den Zeitpunkt der Festsetzung der Selbstbemessungsabgaben ankomme. In diesem Beschwerdefall führte zur Aufhebung des dort angefochtenen Bescheides, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ein schlüssiges Vorbringen erstattet hatte, ab 1987 seien ihm keine liquiden Mittel zur Abgabenentrichtung zur Verfügung gestanden, und dass die damals belangte Behörde darauf nicht eingegangen war.

Der Beschwerdeführer trägt vor, nach seiner Beurteilung und seinem Wissensstand habe für den Kaufpreis der Modelle zunächst weder Umsatzsteuer noch Kapitalertragsteuer entrichtet werden müssen und er habe deshalb keine entsprechenden Vorsorgen getroffen. Erst mit Abschluss der Betriebsprüfung bei der FB GesmbH seien diese Steuern "angefallen", womit er vorher "nicht einmal im Entferntesten" gerechnet habe. Mit diesem, ein Verschulden abstreitenden Vorbringen legt der Beschwerdeführer aber nicht dar, dass ihm etwa ein ein Verschulden ausschließender, nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum unterlaufen wäre (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 99/15/0253). Darüber hinaus hat die belangte Behörde nicht unschlüssig hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer in einem Zivilprozess einen mit dem Tag des Kaufvertrages über die Modelle datierten Aktenvermerk damit begründet hatte, Zweck des Aktenvermerkes sei gewesen, die Käuferin der Modelle solle die Umsatzsteuer tragen, falls diese doch angefallen sei. Weiters hob die belangte Behörde hervor, dass in dem vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Schriftsatz der FB GesmbH vom ausgeführt werde, dass die in Rede stehenden Modelle mit dem Einzelunternehmen in die FB GesmbH eingebracht worden, danach als wertlos angesehen und in die Bücher der GesmbH - möglicherweise buchhalterisch falsch - nicht mehr aufgenommen worden seien. Der belangten Behörde kann daher nicht erfolgreich entgegengetreten werden, wenn sie dem Beschwerdeführer hinsichtlich der unberichtigten Abgabenansprüche Verschulden angelastet hat.

Letztlich bringt der Beschwerdeführer vor, ihm seien als Geschäftsführer der FB GesmbH nicht erst ab Mitte 1994, sondern bereits seit 1993 liquide Mittel zur Entrichtung einer Umsatzsteuer oder sonstiger Abgaben nicht zur Verfügung gestanden. Mit diesem Vorbringen verstößt er allerdings gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG), worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend hinweist. Der bloße Umstand, aus den aktenkundigen Abgabenerklärungen habe sich für diese Jahre ein Verlust ergeben, sagt noch nichts zur Liquidität der FB GesmbH aus. Im Übrigen lassen die Beschwerdeausführungen über die teilweise Befriedigung des einzigen sonstigen Gläubigers, der B-Bank, auf das Vorhandensein von Mitteln schließen.

Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am