VwGH vom 21.04.1971, 1804/69

VwGH vom 21.04.1971, 1804/69

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Kaupp, Hofstätter, Dr. Karlik und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Dr. Gerhard, über die Beschwerde des L und der O H in M, vertreten durch Dr. Werner Kuffarth, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 23, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat 1) vom , Zl. B 241/1-I/58, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1964 bis 1966, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der belangten Behörde, Finanzkommissär Dr. HH, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführer erwarben mit Kauf- und Leibrentenvertrag vom je zur Hälfte das bebaute Grundstück M., Wstraße 10. Dieses Grundstück dient unbestrittenermaßen zu 60 % betrieblichen Zwecken des Erstbeschwerdeführers, der seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 5 EStG ermittelt; der Erstbeschwerdeführer wies in seinen Bilanzen weder dieses betrieblich genutzte Grundstück noch die durch den Erwerb entstandene Rentenverpflichtung aus (diese wurde als Sonderausgaben geltend gemacht). Das Finanzamt anerkannte zunächst - bis zum Jahre 1967 - bei den Veranlagungen diese Vorgangsweise. Bei einer im Jahre 1967 durchgeführten, die Jahre 1964 bis 1966 erfassenden Betriebsprüfung vertrat der Prüfer den Standpunkt, daß das Grundstück im betrieblich genutzten Ausmaß von 60 v. H. in die Bilanz aufzunehmen und die anteilige Leibrente zu passivieren sei; nur die den nicht betrieblich genutzten Teil betreffenden Leibrentenzahlungen wertete der Prüfer als Sonderausgaben. Dieser Auffassung folgte das Finanzamt in den berichtigten Einkommen- und Gewerbesteuerbescheiden 1964 bis 1966. in der dagegen eingebrachten Berufung machten die Beschwerdeführer u.a. geltend, daß das Grundstück nur zu 30 % in die Bilanz aufgenommen werden dürfe, weil die Zweitbeschwerdeführerin zur Hälfte Eigentümerin in der Liegenschaft, jedoch an dem Betrieb des Erstbeschwerdeführers, ihres Ehegatten, nicht beteiligt sei. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise könne die Liegenschaftshälfte der Zweitbeschwerdeführerin nicht in die Bilanz des Erstbeschwerdeführers aufgenommen werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge, vertrat jedoch in der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein strittigen Frage dieselbe Auffassung wie das Finanzamt. Sie begründete die Auffassung damit, daß zum Betriebsvermögen vor allem die Wirtschaftsgüter gehören, die dem Betrieb objektiv zu dienen bestimmt sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie dem bilanzierenden gehören. Das Gebäude in M, W-straße 10 stelle eine wesentliche Grundlage für den Betrieb des Erstbeschwerdeführers dar. Nach der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgute zum Betriebsvermögen darnach zu beurteilen, ob es betrieblichen oder privaten Zwecken diene. Diese Rechtsauffassung habe im übrigen auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 1356/61, in einem gleichgelagerten Fall vertreten.

Gegen diesen Bescheid brachten die Beschwerdeführer gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein. Der Verfassungsgerichtshof gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom , B 55/69-11, keine Folge und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Erstbeschwerdeführer ist Vollkaufmann. Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG ist für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Zum Betriebsvermögen gehören vor allem die Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb objektiv zu dienen bestimmt sind, ohne Rücksicht darauf, ob sie in den Büchern als Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens ausgewiesen werden (notwendiges Betriebsvermögen). Im Beschwerdefall ist es unbestritten, daß das je zur Hälfte im Miteigentum der beiden Beschwerdeführer stehende Gebäude zu 60 % und in diesem Umfang ausschließlich betrieblichen Zwecken des Erstbeschwerdeführers dient. Strittig ist allein die Frage, ob das Gebäude mit diesem den betrieblichen Zwecken des Erstbeschwerdeführers dienenden Teil, ohne Rücksicht darauf, daß es zur Hälfte im Miteigentum der Zweitbeschwerdeführerin steht, als Betriebsvermögen anzusehen ist.

Die belangte Behörde ist im Tatsächlichen davon ausgegangen, daß die Zweitbeschwerdeführerin das Gebäude dem Betrieb des Erstbeschwerdeführers unentgeltlich gewidmet habe und daß sie in den Streitjahren in dessen Betrieb als Prokuristin mittätig gewesen sei, ferner davon, daß der Sachverhalt im Beschwerdefall dem Sachverhalt, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1356/61, Slg. Nr. 2580/F, zugrunde gelegen sei, gleichgelagert sei, weshalb nach der das Steuerrecht beherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise der betrieblich genutzte Teil der gegenständlichen Liegenschaft auch insoweit zum Betriebsvermögen des Beschwerdeführers gehöre, als er im bücherlichen Eigentum der Ehegattin des Beschwerdeführers stehe. Es ist nun richtig, daß, wirtschaftlich gesehen (§ 21 Abs. 1 BAO), die im grundbücherlichen Eigentum der Ehegattin des Beschwerdeführers stehende Liegenschaftshälfte (soweit sie objektiv dem Betrieb des Beschwerdeführers zu dienen bestimmt ist) dem Betriebsvermögen zugerechnet werden kann, dies jedoch nur dann, wenn der Beschwerdeführer die Nutzung derselben wie ein Eigentümer ausübt (§ 24 Abs. 1 lit. d BAO; vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. 1402/68). Die Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides reichen aber nicht aus, um dem Erstbeschwerdeführer auch jenen Teil der Betriebsliegenschaft, der im Miteigentum der Zweitbeschwerdeführerin steht, gemäß § 24 Abs. 1 lit. d BAO zuzurechnen. Die belangte Behörde hat nämlich konkrete Feststellungen lediglich darüber getroffen, daß die Zweitbeschwerdeführerin die in ihrem Eigentum stehende Liegenschaftshälfte dem Betrieb des Beschwerdeführers unentgeltlich gewidmet habe und daß sie in den Streitjahren im Betrieb des Beschwerdeführers als Prokuristin mittätig gewesen sei. Daraus ergibt sich aber noch nicht, daß die Zweitbeschwerdeführerin dem Erstbeschwerdeführer über die einem Nutzungsberechtigten üblicherweise zustehenden Befugnisse hinausgehende Rechte eingeräumt hat. Das von der belangten Behörde auch in der Sachverhaltsfrage herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 2580/F ist u.a. davon ausgegangen, daß der Unternehmer für betriebliche Zwecke umfangreiche Umbauarbeiten an dem Gebäude vorgenommen und hiefür in seinen Büchern den Bauaufwand aktiviert hat, weshalb es wie dann der Verwaltungsgerichtshof in rechtlicher Hinsicht ausgeführt hat, widersinnig gewesen wäre, nur die Umbaukosten dem Betrieb zuzurechnen, nicht aber auch das Gebäude als Teil des Betriebsvermögens anzusehen. Darüber enthält aber die Begründung des angefochtenen Bescheides keine Feststellungen. Der in der Bilanz zum aktivierte Aufwand für den Geschäftsumbau in Höhe von S 183.049,--, auf den sich der Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof zum Nachweis der Richtigkeit der Rechtsauffassung der belangten Behörde berufen hat, bietet einen wesentlichen Anhaltspunkt dafür, daß im Beschwerdefall ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Jedoch hätte die belangte Behörde dies in der Begründung des angefochtenen Bescheides festzustellen gehabt. Ferner wäre festzustellen gewesen, ob zwischen den Beschwerdeführern eine allfällige Vereinbarung hinsichtlich dieses Aufwandes für den Umbau getroffen worden war. Bemerkt sei, daß die Tatsache der Mitarbeit der Zweitbeschwerdeführerin im Betrieb des Erstbeschwerdeführers für die Frage, ob eine unbeschränkte Nutzung des dem Betrieb dienenden Teiles der Liegenschaft durch den Erstbeschwerdeführer gegeben ist, keine Bedeutung haben kann.

Aus diesen Erwägungen leidet der angefochtene Bescheid an einem Begründungsmangel, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 aufzuheben ist.

Eine Kostenentscheidung entfällt, da die Beschwerdeführer Kosten nicht verzeichnet haben.

Wien, am