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VwGH vom 19.05.1969, 1562/68

VwGH vom 19.05.1969, 1562/68

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Frühwald, Hofstätter und Kobzina als Richter im Beisein des Schriftftührers Dr. Baran über die Beschwerde der M W in W, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Rechtsanwalt in Wien I, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA VI-681/68, betreffend Familienbeihilfe 1968, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am beim Finanzamt den Antrag auf Ausstellung einer Familienbeihilfenkarte ab für ihre drei minderjährigen Kinder, die sich in der Pflege der Stadt Wien befänden. Sie gab an, daß sie für jedes der Kinder monatlich Unterhaltsleistungen von S 100,-- erbringe, daß sich das älteste Kind seit Mai 1963, die beiden anderen seit der Geburt in Gemeindepflege befänden, weil die Wohnungsverhältnisse schlecht seien, und daß sie nicht wisse, ob und wann die Kinder aus der Gemeindepflege entlassen würden. In einer dem Finanzamt überreichten Abtretungserklärung stimmte sie der Überweisung der Beihilfen an das Bezirksjugendamt zu.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung ab, es liege weder Haushaltszugehörigkeit noch Kostentragung vor.

Die Beschwerdeführerin berief. Sie bewohne nur ein kleines Kabinett und sei nicht in der Lage, ihre Kinder zu sich zu nehmen. Aus diesem Grunde sei ihr nur die Möglichkeit geblieben, die Kinder in Pflege und Erziehung der Stadt Wien einweisen zu lassen. Bis 1967 habe das Jugendamt die Kinderbeihilfe bezogen, auf die sie aus dem Titel "bedürftige Mutter" Anspruch gehabt habe. Seit dem Inkrafttreten des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 werde ihr Anspruch auf Familienbeihilfe zu Unrecht nicht anerkannt. Es stehe ihr die Anspruchsberechtigung aus dem Titel der Haushaltszugehörigkeit der Kinder zu. Sie sei Haushaltsvorstand, durch die Leistung von je S 100,-- für den Unterhalt der Kinder sei die geforderte einheitliche Wirtschaftsführung gegeben. Die Erziehungsmaßnahmen endeten mit der Erreichung des Erziehungszweckes und könnten nur vorübergehender Natur sein. Ihre Kinder würden nach Erreichung des Erziehungszweckes und der beruflichen Ausbildung in ihrer Wohnung aufgenommen werden. Der Bescheid des Finanzamtes stelle Kinder, die das Glück haben, in der Geborgenheit einer Familie aufwachsen zu können, besser als solche Kinder, die, aus welchen Gründen immer, eine Erziehung im Schoße der Familie vermissen müssen, und sei daher verfassungswidrig.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit Bescheid vom ab. Mit dem Inkrafttreten des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 sei der bisherige Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe als "bedürftige Mutter" erloschen. Nach den Bestimmungen des § 2 des genannten Gesetzes sei zur Anspruchsberechtigung die Haushaltszugehörigkeit des minderjährigen Kindes erforderlich. Diese sei aber vorliegend nicht gegeben. Die von der Beschwerdeführerin aufgewendeten S 100,-

- für jedes Kind reichten nicht aus, um den Unterhalt der Kinder annähernd sicherzustellen, doch könne die Frage, ob die Voraussetzung der einheitlichen Wirtschaftsführung gegeben sei, dahingestellt bleiben. Unter einer vorübergehenden Abwesenheit der Kinder im Sinne der Bestimmungen des § 2 Abs. 5 des Gesetzes müsse in aller Regel ein Zustand verstanden werden, der von vornherein nur für kurze, absehbare Zeit, meist aus Gründen der Schulung, geplant sei. Dies komme besonders darin zum Ausdruck, daß die Kinder jederzeit nach Hause kommen könnten, um das Wochenende oder die Ferien daheim zu verbringen oder um im Falle einer Erkrankung dort Pflege zu finden. In diesem Belange habe die Beschwerdeführerin nur ausgeführt, daß nach dem Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz alle Erziehungsmaßnahmen nur vorübergehender Natur seien und daß die Kinder nach ihrer beruflichen Ausbildung in ihrer Wohnung aufgenommen würden. Unter diesen Umständen sei der Schluß berechtigt, daß der Aufenthalt der Kinder der Beschwerdeführerin außerhalb deren Wohnung kein vorübergehender sei und daher die Kinder nicht zum Haushalt der Beschwerdeführerin gehörten. Es fehle daher an den Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 376, betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (im folgenden hier FLAG: 1967 bezeichnet), hat auf Familienbeihilfe für ein in Abs. 1 des Gesetzes genanntes Kind eine Person u. a. dann Anspruch, wenn das Kind zu ihrem Haushalt gehört. Gemäß § 2 Abs. 5 dieses Gesetzes gehört zum Haushalt einer Person ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung unter Leitung dieser Person deren Wohnung teilt oder sich zu anderen als Erwerbszwecken vorübergehend außerhalb dieser Wohnung aufhält.

Damit also die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe für ein minderjähriges Kind wegen Zugehörigkeit zum Haushalt nach dem zweiten der im § 2 Abs. 5 FLAG. 1967 genannten beiden Tatbestände erfüllt werden, darf das Kind, wenn es die Wohnung des Anspruchsberechtigten nicht teilt, sich a) nur zu anderen als zu Erwerbszwecken, und b) nur vorübergehend außerhalb dieser Wohnung aufhalten. Die Beschwerdeführerin vertritt den Standpunkt, der Aufenthalt ihrer Kinder außerhalb der Wohnung sei deshalb nur ein vorübergehender, weil er spätestens mit der Erreichung des Erziehungserfolges ende. Sie habe stets bekundet, daß sie ihre Kinder spätestens nach Beendigung der öffentlichen Erziehung in ihrer Wohnung aufnehmen werde. Es könne daher derzeit nur von einer vorübergehenden Abwesenheit der Kinder aus ihrer Wohnung und damit von Haushaltszugehörigkeit gesprochen werden. Dazu erweist die Beschwerde auf das Fachschrifttum und einen Ministerialerlaß.

Nun kann mit diesen Ausführungen wohl dargetan werden, daß die Kinder sich zu anderen als Erwerbszwecken außerhalb der Wohnung der Beschwerdeführerin aufhalten, nicht aber, daß dieser Aufenthalt ein nur vorübergehender ist. Um ein Kind, das sich außerhalb der gemeinsamen Wohnung der Familie aufhält, noch als haushaltszugehörig ansehen zu können, darf der Aufenthalt des Kindes nicht solcherart sein, daß er zu einer Auflösung der Wohnungsgemeinschaft führt. Da der Aufenthalt nach der Ausdrucksweise des Gesetzes nur ein "vorübergehender" sein darf, läßt sich erkennen, daß die Abwesenheit von der bestandenen Wohnungsgemeinschaft nur eine zeitlich beschränkte sein darf und diese zeitliche Beschränkung, damit sie nicht zur Auflösung der Wohnungsgemeinschaft führt, nicht lange Zeit, also nur einen vorübergehenden Zeitraum, dauern darf, wie dies bei einer Ausbildung oder Schulbesuch der Kinder der Fall ist.

Daß dies aber für den vorliegenden Fall nicht zutrifft, hat die Behörde in überzeugender Weise dargetan. Sie konnte sich darauf berufen, daß die Beschwerdeführerin, die in dem von ihr verfaßten Antrag als Beruf selbst "Prostituierte" angab und nur ein Kabinett bewohnt, das 1957 geborene Kind im Jahre 1963 und die beiden später geborenen Kinder seit der Geburt in die Pflege der Stadt Wien zu überstellen gezwungen war. Sohin liegen Umstände vor, die der Behauptung der Beschwerdeführerin, der Aufenthalt ihrer Kinder außerhalb ihrer Wohnung sei ein nur vorübergehender, entgegenstehen und die Schlußfolgerung der Behörde, daß dieser kein nur vorübergehender sei, vollauf gerechtfertigt erscheinen lassen. Im übrigen ist im gegebenen Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, daß durch die Übergabe der Kinder in die Pflege und Erziehung der Stadt Wien von dieser weitgehend die wirtschaftliche und zur Gänze die erzieherische Obsorge für die Kinder, getragen wird. Es würde also bei der Gesetzesauslegung der Beschwerde das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Haushaltszugehörigkeit zu einem bloß fiktiven werden. Dies würde aber mit dem Grundgedanken des Familienbeihilfenrechtes nicht vereinbar sein, in dessen Sinn bei einer auf Dauer bestehenden öffentlichen Erziehung der Kinder nicht von ihrer Zugehörigkeit zum elterlichen Haushalt gesprochen werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 2093/F).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG.1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47, § 48 Abs. 2 und § 59 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.

Wien, am