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VwGH vom 25.03.1960, 1313/57

VwGH vom 25.03.1960, 1313/57

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Klein als Schriftführer, über die Beschwerde des JA in W gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl.VI - 1800/57, betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer 1955 zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten des Verwaltungsgerichtshofverfahrens wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Lehrer an der Modeschule der Stadt Wien und daneben selbstständig erwerbstätig, da er Plakate, Buchumschläge und Prospekte für industrielle Erzeugnisse entwirft. Er erzielte hiebei im Jahre 1955 Umsätze von insgesamt S 33.435,65.

Das Finanzamt behandelte bei der Veranlagung für das Jahr 1955 die aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Werbegrafiker erzielten Einkünfte als solche aus gewerblicher Tätigkeit und unterwarf sie der Gewerbesteuer, bzw. die betreffenden Umsätze der Umsatzsteuer.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er führte aus, dass er seit vielen Jahren Mitglied der Künstlervereinigung "Wiener Secession" sei, welche nur Künstler in ihre Gemeinschaft aufnehme. Seine Arbeiten, die sich auf das Entwerfen von Plakaten und andere gebrauchsgraphische Entwürfe erstrecken, seien rein künstlerischer Art und bei verschiedenen künstlerischen Wettbewerben wiederholt mit Preisen ausgezeichnet worden.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, dass als künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG nur eine solche Tätigkeit aufgefasst werden könne, die Kunstwerke entweder schafft oder im Falle des reproduzierenden Künstlers - sie vollendet wiedergibt. Nach der Verkehrsauffassung seien Plakate und Werbeschriften Gegenstände, die einem bestimmten wirtschaftlichen Zweck, im besonderen Falle Werbungszwecken, dienen, nicht Kunstwerke, auch wenn sie gewissen ästhetischen Gesetzen entsprechen. Zum Begriff eines Kunstwerkes gehört es, dass es um seiner selbst willen und nicht zu einem bestimmten Gebrauchszweck des täglichen Lebens geschaffen werde. Da die Tätigkeit des Steuerpflichtigen diesen Voraussetzungen nicht entspreche und sie auch nicht den anderen im § 18 EStG beispielhaft aufgezählten Tätigkeiten ähnlich sei, habe der Berufung ein Erfolg versagt bleiben müssen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zählen gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG auch die Einkünfte aus freien Berufen. Zu den freien Berufen gehören insbesondere die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die Berufstätigkeit der Ärzte, Dentisten, Rechtsanwälte und Notare, der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker, der Wirtschaftstreuhänder und ähnlicher Berufe.

Gemäß § 4 Z. 13 UStG 1934, in der für das Jahr 1955 geltenden Fassung, sind umsatzsteuerfrei die Umsätze aus der Tätigkeit als Privatgelehrter, Künstler, Schriftsteller, Handelsagent, Versicherungsvertreter oder Werbevertreter, soweit diese Umsätze im Kalenderjahr S 36.000,-- nicht übersteigen.

Auf Grund dieser Gesetzesstellen ist somit im vorliegenden Falle zu prüfen, ob der Beschwerdeführer "Künstler" ist, bzw. ob er eine "künstlerische Tätigkeit" ausübt. Nun ist als Künstler derjenige anzusehen, der eine persönliche eigenschöpferische Tätigkeit in einem Kunstzweig auf Grund künstlerischer Befähigung entfaltet. Die Anerkennung als Künstler setzt somit jedenfalls das Vorhandensein einer künstlerischen Befähigung voraus, die sich nicht immer leicht feststellen lässt und daher meist von Fall zu Fall geprüft werden muss. Dabei ist eine solche Prüfung noch, verhältnismäßig leicht in jenen Fällen, in denen ein Künstler auf Grund einer abgeschlossenen vollwertigen künstlerischen Hochschulbildung (z.B. Akademie der bildenden Künste, Musikakademie usw.) seine Kunst ausübt. Wer z. B. an einer Akademie der bildenden Künste den Grad eines "akademischen Malers" erworben hat, hat damit den Nachweis erbracht, dass er die Tätigkeit eines Kunstmalers ausüben kann. Er hat darüber hinaus einen weiteren Nachweis für seine künstlerische Befähigung nicht mehr zu erbringen, so daß der künstlerische Wert seiner Leistungen, solange diese rein im Bereiche seiner Kunst liegen, im einzelnen nicht mehr nachzuprüfen ist. Soweit er sich allerdings praktisch auf rein wirtschaftlichen Gebieten betätigt und mit typischen Gewerbebetrieben in Wettbewerb tritt, wird auch bei ihm eingehend geprüft werden müssen, ob es sich bei dieser seiner Tätigkeit ganz überwiegend um eine künstlerische oder bloß um eine solche handelt, die nicht aus dem Rahmen des üblich Gewerbsmäßigen herausfällt. Dies schon deswegen, um nicht eine vom Gesetzgeber ungewollte steuerliche Differenzierung einer ansonsten gleichartigen Tätigkeit bloß aus der Person des Ausübenden abzuleiten und so die Wettbewerbsfähigkeit des Nichtkünstlers auf dessen angestammten Erwerbsgebiet gegenüber dem Künstler zu beeinträchtigen.

Fehlt dagegen eine Hochschul- oder sonstige vollwertige künstlerische Vorbildung, so lässt es sich grundsätzlich nicht vermeiden, dass das Finanzamt eine Prüfung vornimmt, ob die vom Beschwerdeführer entfaltete Tätigkeit tatsächlich als künstlerische Tätigkeit zu werten ist. Hiebei wird unter Umständen zu berücksichtigen sein, ob sich der Beschwerdeführer bereits einen gewissen künstlerischen Ruf erworben, ob er sich an künstlerischen Wettbewerben beteiligt und dabei Preise erzielt hat; auch die Mitgliedschaft des Steuerpflichtigen in einem Berufsverband der Künstler sowie das Gutachten von Kunstsachverständigen über die Künstlereigenschaft des Steuerpflichtigen werden allenfalls bei der Beurteilung heranzuziehen sein, ohne dass hiedurch allerdings die Behörde in der freien Würdigung solcher Beweise irgendwie gebunden wäre.

Das wichtigste Kennzeichen für die Künstlereigenschaft ist, dass sie nicht ausschließlich durch Lernen bzw. Übung erworben werden kann. Allerdings wird auch der Künstler nur in den seltensten Fällen "als Künstler geboren" sein, d. h. auf einem bestimmten Gebiete so überragende Anlagen besitzen, dass er nichts oder kaum etwas zu lernen braucht. Auch der Künstler muss also seine Kunst im wesentlichen Umfang erlernen. Soll jedoch seine Leistung eine künstlerische sein, so darf er sich nicht darauf beschränken, Erlernbares oder Erlerntes wiederzugeben; es muss vielmehr beim Künstler etwas Persönliches und Eigenschöpferisches hinzukommen, das eben nur der Künstler infolge seines angeborenen Talentes hinzuzugeben vermag (vgl. Urteile des ehemaligen Reichsfinanzhofes vom , RStBl. l939, S. 963, und vom

19. Apri1 1944, RStBl. 1944, S. 509). Was also mehr oder weniger jeder mit durchschnittlichen Fähigkeiten ausgestattete Mensch bei Anwendung gehörigen Fleißes und entsprechender Sorgfalt herzustellen vermag, ist - mag es auch noch so ansprechend sein - niemals ein Kunstwerk. Hiezu ist immer ein gewisses Talent, eine eigenschöpferische Gestaltungskraft erforderlich, über die eben nur jemand verfügt, der künstlerische Befähigung, besitzt. Allerdings haben bei der Beurteilung des künstlerischen Charakters eines Werkes rein subjektive Anschauungen auszuscheiden.

Mit allen diesen Fragen hat sich die belangte Behörde im vorliegenden Falle nicht auseinander gesetzt. Sie glaubte vielmehr, eine künstlerische Tätigkeit des Beschwerdeführers schon deshalb verneinen zu können, weil Plakate und Werbeschriften, die einem bestimmten wirtschaftlichen Zweck, insbesondere Werbezwecken dienen, keine Kunstwerke seien, auch wenn sie gewissen ästhetischen Gesetzen entsprechen; denn es gehöre zum Begriff eines Kunstwerkes, dass es um seiner selbst willen und nicht zu einem bestimmten Gebrauchszwecke des täglichen Lebens geschaffen werde.

Diese Auffassung ist jedoch zu eng. Wenn ein Werk tatsächlich eine künstlerische Schöpfung ist, so bleibt es auch dann ein Kunstwerk, wenn es wirtschaftlichen, bzw. Gebrauchszwecken dienen soll.

Das gilt auch von einem künstlerisch gestalteten Plakat oder sonstigem Reklameentwurf, der auch dann noch ein Kunstwerk ist, wenn er ausschließlich Werbezwecken dient (vgl.Urteil des ehemaligen Reichsfinanzhofes vom , RStBl. 1943 S. 411).

Es wäre daher Aufgabe der belangten Behörde gewesen, nach den oben dargelegten Gesichtspunkten zu prüfen, ob die vom Beschwerdeführer im Jahre 1955 hergestellten Reklameentwürfe in ihrer überwiegenden Mehrzahl als grafische Kunstwerke anzusehen seien oder ob es sich dabei bloß um Erzeugnisse gehandelt habe, die das Niveau einer erlernbaren Technik nicht überschritten. Da die belangte Behörde diese Prüfung unterließ, blieb der vorliegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden musste.

Ein Zuspruch von Kosten konnte nicht stattfinden, da der Beschwerdeführer im vorausgegangenen Verfahren auch im Fall eines Obsiegens keinen Anspruch auf Kostenersatz gehabt hätte (§ 47 Abs. 1 VwGG).

Von der Durchführung einer Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG abgesehen.

Wien, am