VwGH vom 03.03.1982, 81/03/0227

VwGH vom 03.03.1982, 81/03/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde des PO in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien I, Spiegelgasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 70-IX/0 45/81/Str., betreffend Zurückweisung einer im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 erhobenen Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Sicherheitswachebeamter erstattete am die Anzeige, der Beschwerdeführer habe am um

16.38 Uhr in Wien 15, Neubaugürtel 5, einen Pkw, bei dem das rechte vordere Blinkerglas zersplittert gewesen und dadurch weißes statt gelbes Licht ausgestrahlt worden sei, und bei dem weiters die Stoßstange an der rechten Seite derart verbogen gewesen sei, daß bei einem Verkehrsunfall die Gefahr der Verursachung schwerer Verletzungen bestanden hätte, in einem somit den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen nicht entsprechenden Zustand in Betrieb genommen.

In den Akten über das im Hinblick auf diese Anzeige eingeleitete Strafverfahren befindet sich ein mit dem datiertes, als Straferkenntnis bezeichnetes Geschäftsstück, welches einen Abspruch im Sinne des § 44a VStG über eine vom Beschwerdeführer am um 16.38 Uhr in Wien 15, Neubaugürtel 5, begangene Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 enthält. Dieses Geschäftsstück wurde dadurch hergestellt, daß ein Formblatt nach Formular 37 der Verwaltungsformularverordnung 1951 ausgefüllt wurde. Auf dem Formular findet sich an dem für die Unterschrift vorgesehenen Platz ein Schriftzug.

In den Akten des Verwaltungsstrafverfahrens findet sich weiters eine am zur Post gegebene Berufung (datiert ) "gegen das Straferkenntnis vom 1979 04 04". Darin wird ausgeführt, "daß das Straferkenntnis formell nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, da eine Unterschrift an diesem Straferkenntnis nicht aufscheint, sodaß aus formellen Gründen ein Nichtakt vorliegt".

Die belangte Behörde erteilte der Erstbehörde am den Auftrag, eine Stellungnahme des "Erstreferenten" zur Einrede der fehlenden Unterschrift am Straferkenntnis vom einzuholen.

Dem chronologischen Zusammenhang nach ist hier ergänzend zu vermerken, daß sich am unteren Ende der Seite 2 des Geschäftsstückes vom ein handschriftlicher Vermerk befindet, welchem zufolge das Straferkenntnis neuerlich am zugestellt worden sei.

Mit Eingabe vom (bei der Bundespolizeidirektion Wien eingelangt am ) erhob der Beschwerdeführer "gegen das Straferkenntnis vom ", welches ihm am neuerlich zugestellt worden sei, "Berufung", in welcher er ausführte, es sei ihm völlig unklar, weshalb ihm nochmals ein Straferkenntnis zugestellt werde, obwohl ihm am ein gleichlautendes Straferkenntnis zugestellt worden sei und er dagegen bereits Berufung erhoben habe. Im übrigen erstattete der Beschwerdeführer die gleichen Berufungsausführungen wie in der am zur Post gegebenen Berufung.

In einem Aktenvermerk vom wurde festgehalten, der "Erstreferent" sei mit Wirkung vom in eine andere Organisationseinheit zur weiteren Dienstleistung versetzt worden. Dem Erstreferenten sei eine Stellungnahme zur fehlenden Unterschrift aufgetragen worden. Der Referent habe (offenbar statt dessen) eine neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses veranlaßt.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer auf Aufforderung der Erstbehörde u.a. die ihm im April 1979 zugegangene Ausfertigung des vorerwähnten Geschäftsstückes vom zur Verfügung. Die Ausfertigung trägt die offenbar von der Kanzlei des Beschwerdeführers angebrachte Datumsstampiglie vom . An dem für die Unterschrift vorgesehenen Platz findet sich ein Schriftzug. In der Eingabe vom , der die Ausfertigung des Geschäftsstückes vom angeschlossen ist, führte der Beschwerdeführer - unter Bezugnahme auch auf ein gegen ihn ergangenes Straferkenntnis wegen Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 - aus: "Wie ich bereits in meiner Berufung ausgeführt habe, sind die Straferkenntnisse aus formellen Gründen nicht gesetzmäßig ausgestellt, da auf diesen keinerlei Unterschriften aufscheinen, sondern lediglich Paraphen."

Mit Bescheid der belangten Behörde vom , Zl. MA 70-IX/O 37/79/Str., wurde das Straferkenntnis vom betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG 1950 eingestellt.

Der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid enthält folgende Einleitung und folgenden Spruch

"Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Schmelz, hat am zu Zahl Pst. 3429/Z/79, betreffend Herrn PO, ...., dessen Vertreter Herrn RA Dr. Wilhelm Klade, eine Straferkenntniskopie, datiert mit , wegen Übertretung des § 102 Abs. 1 KFG 1967 zugestellt.

Die dagegen eingebrachte Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen."

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Zustellung der bezughabenden Kopie des Originalstraferkenntnisses vom stelle keine Erlassung eines Bescheides dar, sodaß gegen diesen nicht erlassenen Bescheid ("Nichtbescheid") ein Rechtsmittel nicht zulässig sei. Die Berufung vom sei daher ohne näheres Eingehen auf die Berufungsausführungen als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebungstatbestände einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 18 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) müssen alle schriftlichen Ausfertigungen u.a. mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

Unter einer Unterschrift ist das schriftliche Bekenntnis zum Inhalt eines Schriftstückes durch den eigenhändigen Namenszug, der nicht unbedingt lesbar sein, jedoch charakteristische Besonderheiten aufweisen muß, zu verstehen. (Vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 24, Mannheim-1979.)

Die dem Beschwerdeführer nach Lage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens zu Handen seines Vertreters im April 1979 zugestellte Ausfertigung des Geschäftsstückes vom weist keine Beglaubigung der Kanzlei im Sinne des zweiten Satzes des 18 Abs. 4 AVG 1950, sondern an dem für die Unterschrift vorgesehenen Platz den bereits in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung erwähnten Schriftzug auf. Dieser Schriftzug entspricht - entgegen der vom Beschwerdeführer offenbar vertretenen Rechtsansicht, es handle sich um keine Unterschrift - dem Erscheinungsbild einer Unterschrift im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950. Es besteht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kein Zweifel daran, daß diese Unterschrift von einem Amtsorgan der Erstbehörde geleistet wurde und daß ihr die Bedeutung der Genehmigung der Erledigung vom zukommt.

Damit, daß die Ausfertigung dieser solcherart genehmigten Erledigung vom dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters im April 1979 zugestellt wurde, wurde somit das betreffende Straferkenntnis, das den Inhalt dieser Erledigung bildet, erlassen. Mit dem Zeitpunkt dieser Zustellung im April 1979 begann für den Beschwerdeführer die in § 51 Abs. 3 VStG 1950 vorgesehene Berufungsfrist von zwei Wochen zu laufen. Durch die Erhebung der Berufung vom hat der Beschwerdeführer von seinem Berufungsrecht auch Gebrauch gemacht.

Im Mai 1980, und zwar zweifellos nach Ablauf der Berufungsfrist, deren Lauf im April 1979 ausgelöst wurde, wurde in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache, wie dies der Beschwerdeführer in den einleitenden Worten seiner Eingabe (Berufung) vom selbst zum Ausdruck brachte, lediglich eine weitere - dem Beschwerdevorbringen zufolge neuerlich mit Unterschrift im Sinne des ersten Satzes des § 18 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) versehene und somit nicht bloß beglaubigte Ausfertigung des Straferkenntnisses vom zugestellt. Dieser bei Wahrung der Identität des Wortlautes des gegenständlichen Straferkenntnisses lediglich auf der Herstellung einer neuen Ausfertigung beruhende Zustellvorgang stellte, wie dies die belangte Behörde im ersten Halbsatz der Begründung des angefochtenen Bescheides im Ergebnis richtig erkannte, nicht die neuerliche Erlassung eines Bescheides (Straferkenntnisses) dar; das betreffende Straferkenntnis wurde vielmehr, wie dargelegt, bereits im April 1979 erlassen.

Die Eingabe des Beschwerdeführers vom enthält nicht etwa eine während der Dauer des Berufungsverfahrens zulässige, die Berufung vom ergänzende Begründung. (Vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse Slg. Nr. 7074/A/1967 und Slg. Nr. 7489/A/1969.) Vielmehr bildet diese Eingabe ihrem Inhalt nach ausschließlich eine nochmalige Berufung gegen das Straferkenntnis vom , von welchem dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters im Mai 1980 eine weitere Ausfertigung zugestellt wurde, ohne daß dadurch die Berufungsfrist, deren Lauf ab der Zustellung des Straferkenntnisses im April 1979 zu berechnen war, neuerlich in Gang gebracht worden wäre. Bei dieser Sach- und Rechtslage aber ist die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Berufung, die der Beschwerdeführer aus Anlaß der im Mai 1980 vorgenommenen Zustellung einer Ausfertigung des Straferkenntnisses vom einbrachte, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde in der Verwaltungsstrafsache, in der das Straferkenntnis vom erlassen wurde, und somit auch über das rechtliche Schicksal dieses Straferkenntnisses auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers vom zu entscheiden hatte und, wie in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung erwähnt, mit ihrem Bescheid vom , Zl. MA 70-IX/O 37/79/Str., auch bereits entschieden hat.

Da sich die vorliegende Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am