VfGH vom 17.06.2020, WI4/2020
Leitsatz
Stattgabe der Anfechtung der Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Kottingbrunn; keine rechtmäßige Zustellung des Verbesserungsauftrags durch Einwurf in den Briefkasten des Vertreters der anfechtungswerbenden Wählergruppe anstelle einer RSb-Zustellung; offensichtliche Einflussmöglichkeit am Wahlergebnis durch Teilnahme einer weiteren Wahlpartei; Aufhebung der Wahl ab Prüfung der eingelangten Wahlvorschläge
Spruch
Der Anfechtung wird stattgegeben. Das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Kottingbrunn vom wird insoweit aufgehoben, als es der Prüfung der eingelangten Wahlvorschläge nachfolgt.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren
1. Die anfechtungswerbende Wählergruppe brachte durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter am fristgerecht bei der Gemeindewahlbehörde von Kottingbrunn (im Folgenden: Gemeindewahlbehörde) einen Wahlvorschlag für die durch die Verordnung der niederösterreichischen Landesregierung vom , LGBl 79/2019, für den ausgeschriebene Wahl zum Gemeinderat der Marktgemeinde Kottingbrunn ein. Insgesamt brachten somit folgende Parteien Wahlvorschläge ein:
"Die Grünen Kottingbrunn (Grüne)",
"SPÖ Kottingbrunn (SPÖ)",
"Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ)",
"Erste Bürgerliste für Kottingbrunn (1BFK)",
"NEUES KOTTINGBRUNN (NK)",
"Bürgermeister Christian Macho - Volkspartei Kottingbrunn (VP)",
"Bürgerliste PRO Kottingbrunn (BL PRO)" sowie
"Freie Wähler Kottingbrunn (FWK)".
2. In ihrer Sitzung vom beschloss die Gemeindewahlbehörde, die Wahlvorschläge mehrerer Wählergruppen, darunter auch jenen der anfechtungswerbenden Wählergruppe, auf Grund von Mängeln zur Verbesserung innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Tagen gemäß § 32 Abs 2 NÖ GRWO 1994 zurückzustellen. Der an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe adressierte Verbesserungsauftrag wegen fehlender Angaben der Geburtsorte und -daten der Wahlwerber wurde zur Zustellung mittels RSb-Briefes an einen Gemeindebediensteten übergeben. Dieser warf den Brief am an der Wohnadresse des Empfängers in den Briefkasten ein, nachdem er dort niemanden vorgefunden hatte, der zur Entgegennahme des Briefes berechtigt gewesen wäre.
3. In ihrer Sitzung vom beschloss die Gemeindewahlbehörde, den Wahlvorschlag der anfechtungswerbenden Wählergruppe gemäß § 32 Abs 2 litc NÖ GRWO 1994 als unzulässig zurückzuweisen, weil dem Verbesserungsauftrag bis zu diesem Tag nicht entsprochen worden sei. Mit Schreiben vom gleichen Tag, das nach erfolglosem Zustellversuch am mit einer am beginnenden Abholfrist hinterlegt wurde, wurde dieser Beschluss dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe mitgeteilt.
4. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe sowie dessen Stellvertreterin waren vom bis zum auf Grund eines Auslandsaufenthaltes von ihrer gemeinsamen Wohnadresse abwesend. Den Verbesserungsauftrag fanden sie nach eigener Angabe erstmals am in ihrem Briefkasten vor.
5. Die Wahl zum Gemeinderat der Marktgemeinde Kottingbrunn fand in der Folge am ohne Teilnahme der anfechtungswerbenden Wählergruppe als Wahlpartei statt. Das Ergebnis der Wahl wurde am kundgemacht.
6. Gegen dieses Ergebnis erhoben der zustellungsbevollmächtigte Vertreter sowie die übrigen Mitglieder der anfechtungswerbenden Wählergruppe eine Beschwerde an die Landes-Hauptwahlbehörde gemäß § 56 NÖ GRWO 1994, in der im Wesentlichen geltend gemacht wurde, dass der Verbesserungsauftrag vom nicht rechtmäßig zugestellt worden sei und daher erst mit dem als zugestellt gelte, als er dem Adressaten tatsächlich zugekommen sei. Dieser Beschwerde wurde mit Bescheid der Landes-Hauptwahlbehörde beim Amt der niederösterreichischen Landesregierung vom nicht stattgegeben. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Verbesserungsauftrag rechtmäßig zugestellt worden sei und innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Tagen keine Verbesserung erfolgt sei.
7. Mit der vorliegenden, auf Art 141 B-VG gestützten Anfechtung begehrt die anfechtungswerbende Wählergruppe die Aufhebung des Verfahrens zur Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Kottingbrunn am zur Gänze von Beginn an, in eventu die Aufhebung des Verfahrens dieser Wahl ab der Einleitung des Verfahrens nach § 32 NÖ GRWO 1994.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Es sei zweifelhaft, dass der mit der Zustellung beauftragte Gemeindebedienstete den Verbesserungsauftrag der Gemeindewahlbehörde am in den Briefkasten bei der Wohnadresse des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der anfechtungswerbenden Wählergruppe eingeworfen habe. Die Zustellung durch bloßen Einwurf in den Postkasten sei außerdem jedenfalls rechtswidrig gewesen, da es hiefür keine gesetzliche Grundlage im Zustellgesetz gebe. Der Verbesserungsauftrag könne somit erst mit dem Zeitpunkt als zugestellt gelten, in dem er dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe tatsächlich zugekommen sei, somit am . Da die Zurückweisung des Wahlvorschlages der anfechtungswerbenden Wählergruppe bereits vor diesem Zeitpunkt erfolgt sei, sei das Wahlverfahren jedenfalls rechtswidrig durchgeführt worden.
8. Die Landes-Hauptwahlbehörde legte den Wahlakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, der Anfechtung keine Folge zu geben. Begründend verweist die Landes-Hauptwahlbehörde auf die Ausführungen in ihrem Bescheid vom und führt insbesondere Folgendes aus:
"Zum in der Wahlanfechtung erstatteten Vorbringen, die Zustellung des Verbesserungsauftrages sei nicht gesetzeskonform erfolgt bzw erst am [,] darf nochmals auf die Bestimmung des § 32 Abs 2 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 (NÖ GRWO 1994), LGBl 0350 idgF, hingewiesen werden, wonach eine bestimmte Zustellungsform (etwa eingeschrieben und nachweislich) für die Zurückstellung eines mangelhaften Wahlvorschlages nicht normiert ist.
Zur Behauptung der Anfechtungswerber, im Zustellgesetz (ZustG), BGBl Nr 200/1982 idgF, sei eine Zustellung durch bloßes Einlegen in den Briefkasten nicht vorgesehen, darf auf die Bestimmung des § 26 ZustG verwiesen werden. Demnach kann ein Dokument, wenn eine Zustellung ohne Zustellnachweis verfügt wurde, durch Einlegen in den Briefkasten an der Abgabestelle zugestellt werden. In diesem Fall gilt gemäß Abs 2 leg. cit. die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt.
Im gegenständlichen Fall wurde die Zustellung des Verbesserungsauftrages durch den Gemeindemitarbeiter […] am im Wege einer Zustellung ohne Zustellnachweis faktisch durchgeführt. Dieser Vorgang wurde einerseits durch den Gemeindeboten selbst, wie auch durch [die Nachbarin des Empfängers] bestätigt. Für die Landes-Hauptwahlbehörde besteht, aufgrund der Deckung der beiden Aussagen, kein Grund an diesen unabhängig voneinander getätigten Erklärungen zu zweifeln.
Durch die Einholung der beiden Zeugenaussagen hat die Gemeindewahlbehörde auch der gesetzlichen Verpflichtung entsprochen, wonach im Zweifel die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen hat (§26 Abs 2 ZustG)."
9. Die Gemeindewahlbehörde brachte eine Stellungnahme ein, in der sie der Anfechtung entgegentritt und insbesondere Folgendes vorbringt:
"3. Zur Ausführung der Wahlanfechtung
3.1. Zur Zustellung des Verbesserungsauftrages […]
3.1.1. In der Beschwerde gemäß § 56 NÖ GRWO vom gab der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin erstmalig (!) an […], vom Verbesserungsauftrag am Kenntnis erlangt zu haben, indem er diesen in seinem Postkasten vorgefunden hätte. Darüber hinaus führte der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin aus […], den Verbesserungsauftrag 'am in Gegenwart des BH-Stellvertreters der BH Baden […] geöffnet [zu haben]'.
3.1.2. Zunächst ist fraglich, woher der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin über das angebrachte RSb-Formular am Kuvert des Verbesserungsauftrages am schon Bescheid wusste, um beim Vorsitzenden der Einschreiterin anzufragen 'wer den RSb übernommen hat' […], wenn er den Verbesserungsauftrag, den Ausführungen in der von ihm, 'in Kenntnis der strafrechtlichen Folgen der Abgabe einer unrichtigen eidesstättigen Erklärung' abgegebenen eidesstattliche[n] Erklärung vom folgend, erst am erhalten haben will?
3.1.3. Weiters ist fraglich, wie der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin und die Stellvertreterin des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der Anfechtungswerberin am zur Behauptung 'Die Vorgehensweise, dass angeblich ein Mitarbeiter der Gemeinde ein RSb Schreiben in unserem Namen unterfertigt entspricht nicht dem Gesetz' […] gelangen, wenn sie den Verbesserungsauftrag bis zu diesem Zeitpunkt nicht erhalten haben wollen? Überhaupt ist fraglich woher diese Information stammt.
3.1.4. Im Telefonat des Vorsitzenden der Einschreiterin mit dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Anfechtungswerberin am wurde vom Vorsitzenden der Einschreiterin lediglich die Information weitergegeben, dass der Verbesserungsauftrag per Boten – einem Mitarbeiter der Marktgemeinde Kottingbrunn – in den Postkasten an der Adresse [des Empfängers] eingeworfen wurde […]. Von der Zustellung eines RSb-Schreibens war darin nicht die Rede. Ebenso wenig von der Unterfertigung des RSb-Rückscheins durch einen Mitarbeiter der Gemeinde.
3.1.5. Noch viel fraglicher ist jedoch, was sich tatsächlich am ereignete. Dem e-Mail des BH-Stv. […] vom ist zu entnehmen, dass der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin in seinem Zimmer ein Kuvert im A4 Format (ein Kuvert für A4-formatige Schreiben wird als C4-Kuvert bezeichnet), das keinen Poststempel aufwies und der RSb-Rückschein dort erkennbar fehlte, öffnete, worin sich ein Schreiben befand, welches die Mitteilung enthielt, dass der Wahlvorschlag zurückgewiesen wurde […]. Offensichtlich befand sich, den Ausführungen des BH-Stv. […] zu Folge, im Kuvert des Verbesserungsauftrages vom (C4-Kuvert ohne Poststempel) das vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Anfechtungswerberin am beim Postpartner in 2542 Kottingbrunn behobene Schreiben vom hinsichtlich der Zurückweisung des Wahlvorschlages (versendet in einem C5-Kuvert). Wie das in einem C5-Kuvert versandte Schreiben hinsichtlich der Zurückweisung des Wahlvorschlages vom in das (keinen Poststempel aufweisende, da per Boten am in den Postkasten des zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Anfechtungswerberin eingeworfene) C4-Kuvert, des, dem Vorbringen des zustellungsbevollmächtigten Vertreter[s] der Anfechtungswerberin folgend, erst am vorgefundenen Verbesserungsauftrages vom gekommen ist, ist für die Einschreiterin nicht nachvollziehbar.
3.1.6. Ebensowenig nachvollziehbar ist, warum der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin dies dem Vorsitzenden der Einschreiterin nicht im Gespräch am mitteilte, sondern diesem sogar noch entgegen den Angaben des BH-Stv. […] mitteilte, dass er diesem nur das C5-Kuvert mit Poststempel, worin das Schreiben hinsichtlich der Zurückweisung des Wahlvorschlages vom enthalten war, zeigte, nicht allerdings das C4-Kuvert wie sodann in der Beschwerde vom ausgeführt.
3.1.7. Darüber hinaus hat der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Einschreiterin am noch die Vermutung in den Raum gestellt, dass die Zustellung am wahrscheinlich nicht in den Postkasten an der Adresse [des Empfängers], sondern an der Adresse [der Nachbarin des Empfängers] erfolgte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt, dem eigenen Vorbringen in der Beschwerde vom folgend, den Verbesserungsauftrag (seit ) bereits in Händen hielt […].
3.1.8. In der gegenständlichen Wahlanfechtung führen der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Anfechtungswerberin und die Stellvertreterin des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der Anfechtungswerberin erstmalig (!) an […], ein Schreiben des Bauamtes der Marktgemeinde Kottingbrunn am erhalten zu haben und stellen diesbezüglich die Vermutung auf, dass dieses Schreiben anstelle des Verbesserungsauftrages vom durch den Boten […] zugestellt wurde. Das Schreiben des Bauamtes der Marktgemeinde Kottingbrunn vom wurde von der zuständigen Sachbearbeiterin […] jedoch per Post abgefertigt und nicht dem Boten […] zur Zustellung übergeben.
3.1.9. Gemäß § 32 Abs 2 NÖ GRWO war der Wahlvorschlag NK, da er nicht den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 29 Abs 2 NÖ GRWO entsprach (fehlende Geburtsorte und Geburtsdaten der Bewerber) und insofern 'andere Mängel' iSd leg cit aufwies 'sofort zur Behebung der Mängel innerhalb einer Frist von drei Tagen zurückzustellen'. Darüber hinausgehende Vorschriften hinsichtlich der Zurückstellung – etwa in welcher Form diese zu geschehen hat – enthält die NÖ GRWO nicht. Insbesondere ist der NÖ GRWO nicht zu entnehmen, dass auf diesen Vorgang der 'Zurückstellung' eine bestimmte Form der Zustellung iSd ZustelIG anzuwenden ist. Demgegenüber hat der Gesetzgeber der NÖ GRWO in jenen Bereichen, wo er eine bestimmte Zustellungsform iSd ZustelIG angewendet wissen wollte, wie in § 39 Abs 4 Z 4 NÖ GRWO eine 'nachweisliche Zustellung', ausdrücklich darauf hingewiesen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass in allen anderen Fällen ein derartiges Erfordernis nicht gegeben ist und keine im ZustelIG vorgesehene Form der Zustellung erforderlich ist.
. Insbesondere scheidet für die Zurückstellung des Wahlvorschlages auch eine Zustellung durch Hinterlegung iSd § 17 ZustelIG aus, da diese im Falle einer dauernden Ortsabwesenheit des Empfängers gemäß § 17 Abs 3 ZustelIG unzulässig wäre. Sinngemäßes gilt für eine Zustellung iSd § 26 ZustelIG gemäß § 26 Abs 2 3. Satz leg cit. Sollten diese Bestimmungen nämlich tatsächlich für die Zurückstellung des Wahlvorschlages zur Verbesserung anwendbar sein, könnte ein zustellungsbevollmächtigter Vertreter einer Wahlpartei durch seine Ortsabwesenheit die Zurückstellung verunmöglichen, sodass in weiterer Folge sämtliche Fristen und Termine des (nicht im Einflussbereich der Einschreiterin stehenden) 'Wahlkalenders' gemäß NÖ GRWO nicht mehr eingehalten werden könnten.
. Aus § 71 Abs 2 NÖ GRWO ergibt sich zudem, dass die Tage des Postlaufes in die Fristen eingerechnet werden müssen. Nach der Intention des Gesetzgebers 'reisen' die von der Einschreiterin veranlassten Zustellungen demnach auf Risiko des jeweiligen Adressaten. Entscheidend ist demnach nicht der Zeitpunkt der Zustellung, sondern der Zeitpunkt der Abfertigung durch die Einschreiterin für den Fristenlauf.
. Eine, den Anforderungen einer nachweislichen Zustellung iSd ZustelIG, entsprechende Zustellung des Verbesserungsauftrages samt Retournierung des Wahlvorschlages war im gegenständlichen Fall daher nicht geboten. Daran ändert auch die Anbringung des RSb-Formulars samt Rückschein auf dem C4-Kuvert des Verbesserungsauftrages vom nichts. Diese wirkt nicht konstitutiv für die von der Einschreiterin in ihrer Sitzung vom verfügte Zurückstellung zur Verbesserung. Vielmehr erschöpft sich eine abweichende Zustellart, sofern eine solche überhaupt erfolgt sein sollte, im zusätzlichen Erfordernis der Beweisführung (vgl Larcher, Zustellrecht (2010), Rz 178).
. Der Zurückstellung des Wahlvorschlags NK wurde durch Einlegen des Verbesserungsauftrages samt Wahlvorschlag in die Abgabeeinrichtung des zustellungsbevollmächtigen Vertreters der Anfechtungswerberin durch den Boten […] am entsprochen. Der zustellungsbevollmächtige Vertreter der Anfechtungswerberin war seinen eigenen Angaben in der von ihm abgegebenen eidesstattliche[n] Erklärung vom folgend am an der Abgabestelle aufhältig und nicht ortsabwesend.
. Entgegen den Ausführungen der Anfechtungswerberin […] wäre selbst im Anwendungsbereich des ZustelIG eine Zustellung 'durch bloßen Einwurf der Sendung in den Briefkasten' gemäß § 26 ZustelIG zulässig.
. Selbst für den Fall, dass für die Zurückstellung eine nachweisliche Zustellung erforderlich gewesen sein sollte, was von der Einschreiterin jedoch ausdrücklich bestritten wird, ist ein allfälliger Zustellmangel durch das tatsächliche Zukommen des Verbesserungsauftrages an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Anfechtungswerberin geheilt.
. Aufgrund
i. der übereinstimmenden, glaubhaften Aussagen des, die Zustellung durchführenden Boten […] und der [Nachbarin des Empfängers], dass das Kuvert mit dem Verbesserungsauftrag und der Zurückstellung des Wahlvorschlages am in die Abgabeeinrichtung des zustellungsbevollmächtigen Vertreters der Anfechtungswerberin eingelegt wurde;
ii. der eidesstattlichen Erklärung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der Anfechtungswerberin die Abgabeeinrichtung am , und kontrolliert zu haben;
iii. der durch den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Anfechtungswerberin und die Stellvertreterin des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der Anfechtungswerberin, den eigenen Angaben zu Folge, bestehenden Kenntnis des fehlenden RSb-Rückscheins am zugestellten Verbesserungsauftrag vom trotz deren Ortsabwesenheit ([…] Wie sollte sonst eine Anfrage hinsichtlich des RSb-Rückscheins möglich sein, wenn das Schreiben mit dem aufgeklebten RSb-Formular zuvor nicht zugestellt wurde?), sowie
iv. den glaubhaften Angaben des BH-Stv. […]
ist vom tatsächlichen Zukommen und damit der Zustellung des Verbesserungsauftrages samt Zurückstellung des Wahlvorschlages NK am und nicht wie von den Anfechtungswerbern ausgeführt erst am auszugehen.
. Der Nachweis der gesetzmäßigen Zustellung kann, sofern kein ordnungsgemäßer Zustellnachweis iSd § 22 ZustelIG vorhanden ist, auch auf andere Weise geführt werden (vgl mwN). In analoger Anwendung der Bestimmung des § 26 ZustelIG und der zitierten Judikatur konnte von der Einschreiterin, den unter Punkt ausgeführten Überlegungen folgend, daher auch der Nachweis der erfolgten Zurückstellung des Wahlvorschlages NK zur Verbesserung erbracht werden. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Zustellwirkung nicht erst durch die Kenntnis vom Inhalt des Dokuments durch den Empfänger, sondern rein durch das Einlegen in den Briefkasten eintritt (vgl ; Larcher, Zustellrecht (2010), Rz 314 mwN).
. Sollte der Ansicht der Einschreiterin, wonach die Zustellung des Verbesserungsauftrages samt Zurückstellung des Wahlvorschlages NK am erfolgte, nicht gefolgt werden, ist fraglich, wo sich der Verbesserungsauftrag samt Wahlvorschlag NK von bis zu dem, vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter der Anfechtungswerberin und der Stellvertreterin des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der Anfechtungswerberin vorgebrachten Zeitpunkt des Auffindens am befunden hatte? Bei einem Wahlvorschlag handelt es sich um eine Urkunde, die im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken gebraucht wird, sodass dessen Verbleib im Zeitraum von bis auch abgesehen vom gegenständlichen Wahlverfahren von rechtlicher Bedeutung ist.
[…]
3.3. Zum Einfluss auf das Wahlergebnis […]
3.3.1. Die Anfechtungswerberin führt aus […], dass der Wahlvorschlag NK über 120 Unterstützungserklärungen umfasste und 'die Entziehung des passiven Wahlrechts [...] daher auf das Wahlergebnis jedenfalls von Einfluss [war].'
3.3.2. Die Anfechtungswerberin verwendete für die Unterstützungserklärungen entgegen der Bestimmung des § 29 Abs 6 NÖ GRWO, wonach die Wahlvorschläge der Verordnung der Landesregierung über die Gestaltung von Drucksorten zur Vollziehung dieses Gesetzes entsprechen müssen, eigene Tabellen für die Unterstützungserklärungen.
3.3.3. Der Wahlvorschlag NK wies als unterscheidende Parteibezeichnung „NEUES KOTTINGBRUNN" und als Kurzbezeichnung „NK" auf, während auf den Unterstützungserklärungen die Überschrift „Unterstützungserklärungen für Wolfgang Muhsger; Neues Kottingbrunn NK" angegeben war.
3.3.4. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Wahlrechtsbestimmungen als Formalvorschriften strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen (vgl WI6/2016 mwN). Es ist daher sogar zu hinterfragen, ob für den Wahlvorschlag NK überhaupt gültige Unterstützungserklärungen vorlagen, da diese auf 'Wolfgang Muhsger; Neues Kottingbrunn NK' und nicht wie am eingereichten Wahlvorschlag NK angegeben 'NEUES KOTTINGBRUNN NK' lauteten. Insofern müsste bei strikter Auslegung, wie sie vom Verfassungsgerichtshof typischerweise angewandt wird (vgl WI1/2019), von unzulässigerweise, verschiedenen Parteibezeichnungen ausgegangen werden, bei welchen keine Identität bestand.
3.3.5. Diesfalls wäre der Wahlvorschlag NK mangels hinreichender Unterstützungserklärungen gemäß § 29 Abs 2 lite NÖ GRWO nach § 32 Abs 2 lite NÖ GRWO zurückzuweisen gewesen, sodass die Zustellung des Verbesserungsauftrages vom überhaupt nicht erforderlich gewesen wäre und somit auch nicht von Einfluss auf das Wahlergebnis gewesen sein konnte.
[…]" (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
10. Die Wählergruppen "Erste Bürgerliste für Kottingbrunn (1BFK)", "Bürgerliste PRO Kottingsbrunn (BL PRO)" und "Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ)" brachten Stellungnahmen ein, in denen sie jeweils der Anfechtung entgegentreten und sich gegen die Aufhebung der Wahl aussprechen. Die Wählergruppe "Freie Wähler Kottingbrunn (FWK)" brachte eine Stellungnahme ein, in der sie sich der Anfechtung anschließt und für eine Aufhebung der Wahl ausspricht.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994 (NÖ GRWO 1994), LGBl 0350-0 idF LGBl 72/2019, lauten wie folgt:
"5. Abschnitt
Wahlwerbung
§29
Wahlvorschläge
(1) Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung beteiligen wollen (Wahlparteien), müssen ihre Wahlvorschläge spätestens um 12.00 Uhr des 39. Tages vor dem Wahltag ausschließlich im Original und ausschließlich in schriftlicher Form im Gemeindeamt einbringen. Das Datum und die Uhrzeit des Einlangens muß auf dem Wahlvorschlag vermerkt werden.
(2) Ein Wahlvorschlag muß enthalten:
a) eine unterscheidende Parteibezeichnung, die – einschließlich einer allfälligen Kurzbezeichnung – nicht mehr als sechs Worte umfassen darf; eine Kurzbezeichnung darf höchstens sechs alphanumerische Schriftzeichen der deutschen Sprache umfassen und gilt stets als ein Wort, auch wenn sie kein Wort ergibt,
b) die Liste der Wahlwerber; d.i. ein Verzeichnis von höchstens doppelt sovielen Bewerbern, als Gemeinderäte zu wählen sind, in mit arabischen Ziffern bezeichneter Reihenfolge. Die Bewerber müssen unter Angabe des Familiennamens, Vornamens, Geburtsdatums, Geburtsortes, Berufes und der Adresse sowie der Staatsangehörigkeit angegeben werden,
c) die Zustimmung der Wahlwerber zur Aufnahme in den Wahlvorschlag und deren Erklärung, sich nicht auf einem Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei in der Gemeinde um das Amt eines Gemeinderates zu bewerben,
d) die Bezeichnung eines zustellungsbevollmächtigten Vertreters und dessen Stellvertreters. Dieser ist Vertreter der Wahlpartei im Verkehr mit den Behörden und
e) in Gemeinden mit mehr als 1.000 Einwohnern die Unterstützung von mindestens zehn aktiv Wahlberechtigten der betreffenden Gemeinde, in Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern von soviel, als der Zahl der in den Gemeinderat zu wählenden Gemeinderatsmitglieder, und in Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern, als der doppelten Zahl der in den Gemeinderat zu wählenden Gemeinderatsmitglieder entspricht. Für die Einwohnergrenzen ist jeweils die am Tag der Wahlausschreibung vorausgegangene Volkszählung maßgeblich. Wahlwerber, die ihre Zustimmung zur Aufnahme in den Wahlvorschlag erklärt haben, werden in die Zahl eingerechnet. Jene Wahlparteien, die im zuletzt gewählten Gemeinderat vertreten waren, bedürfen keiner Unterstützungserklärungen. Gleiches gilt, wenn der Zustellungsbevollmächtigte einer Wahlpartei, die im zuletzt gewählten Gemeinderat vertreten war, der Gemeindewahlbehörde gegenüber schriftlich erklärt hat, daß diese Wahlpartei lediglich ihre Parteibezeichnung geändert hat, ansonsten aber Identität der Wahlpartei vorliegt.
(3) Die Unterstützer dürfen in einer Gemeinde nur eine Unterstützungserklärung für eine Wahlpartei leisten. Die Unterstützungserklärung, die ausschließlich in schriftlicher Form geleistet werden darf, muß die Aussage enthalten, daß der Unterstützer keine andere Wahlpartei in dieser Gemeinde unterstützt.
(4) Einzelne Unterstützungserklärungen dürfen nur bis zum Einlangen des Wahlvorschlages im Gemeindeamt zurückgezogen werden.
(5) Die Wahlbehörden sind zur Geheimhaltung der Unterstützungserklärungen nicht verpflichtet.
(6) Die Wahlvorschläge müssen der Verordnung der Landesregierung über die Gestaltung von Drucksorten zur Vollziehung dieses Gesetzes entsprechen.
§30
Wahlvorschläge ohne Parteienbezeichnung
Zustellungsbevollmächtigte Vertreter
(1) Wahlvorschläge ohne Parteienbezeichnung tragen den Namen des erstvorgeschlagenen Bewerbers (z. B. Wahlvorschlag Holzinger).
(2) Wenn ein Wahlvorschlag keinen zustellungsbevollmächtigten Vertreter und keinen Stellvertreter anführt, so gelten als zustellungsbevollmächtigter Vertreter und dessen Stellvertreter die Wahlwerber in der Reihenfolge des Wahlvorschlages. Fehlt nur der Stellvertreter, so gilt der erstangeführte Wahlwerber als Stellvertreter.
(3) Die wahlwerbende Partei kann den zustellungsbevollmächtigten Vertreter (Stellvertreter) jederzeit durch einen anderen Vertreter (Stellvertreter) ersetzen. Eine solche Erklärung muss an die Gemeindewahlbehörde gerichtet sein und bedarf der Unterschrift des letzten zustellungsbevollmächtigten Vertreters. Stimmt dieser nicht zu, so muss diese Erklärung von mehr als der Hälfte der Wahlwerber unterschrieben sein, die zum Zeitpunkt der Vorlage der Erklärung auf dem Wahlvorschlag aufscheinen.
(4) Wenn der Wahlvorschlag einer Wahlpartei auf Grund seiner Parteibezeichnung einer politischen Partei zugerechnet werden kann, kann der Austausch des zustellungsbevollmächtigten Vertreters entgegen den Bestimmungen des Abs 3 durch die Landesorganisation dieser politischen Partei erfolgen.
§31
Parteibezeichnungen
(1) Die Kurzbezeichnung muß gestrichen werden, wenn diese entgegen § 29 Abs. 2 lit.a mehr als sechs alphanumerische Schriftzeichen enthält. Die Parteibezeichnung muß gestrichen werden, wenn
a) diese mit der Parteibezeichnung (Kurzbezeichnung) einer im Landtag vertretenen Partei ident oder schwer unterscheidbar ist und die im Landtag vertretene Partei (durch ihre Landesorganisation) der Verwendung dieser Parteibezeichnung nicht zugestimmt hat oder
b) diese entgegen § 29 Abs 2 lit.a mehr als sechs Worte umfaßt.
Bestehen Zweifel am Vorliegen der Zustimmung nach lit.a, dann muß die Gemeindewahlbehörde diese Frage bei der Landesorganisation der jeweiligen Partei klären. Der Wahlvorschlag ist bei Streichung so zu behandeln, als ob er ohne ausdrückliche Parteibezeichnung eingebracht worden wäre (§30 Abs 1). Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter muss von der Streichung der Parteibezeichnung oder der Kurzbezeichnung sofort verständigt werden. Diese Verständigung ist gesondert nicht bekämpfbar.
(2) Wenn mehrere Wahlvorschläge dieselbe oder schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen (Kurzbezeichnungen) tragen, muß der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde die zustellungsbevollmächtigten Vertreter dieser Wahlparteien zu einer Besprechung einladen und versuchen, ein Einvernehmen über die Unterscheidung der Parteibezeichnungen (Kurzbezeichnungen) zu erreichen. Gelingt dies nicht, so müssen Parteibezeichnungen (Kurzbezeichnungen), die schon auf veröffentlichten Wahlvorschlägen bei der letzten Gemeinderatswahl enthalten waren, belassen werden. Die übrigen Wahlvorschläge müssen so behandelt werden, als ob sie ohne ausdrückliche Parteibezeichnung (Kurzbezeichnung) eingebracht worden wären.
§32
Prüfung und Verbesserung der Wahlvorschläge
(1) Die Gemeindewahlbehörde muß die Wahlvorschläge daraufhin überprüfen, ob sie den Voraussetzungen des § 29 Abs 2 entsprechen und die vorgeschlagenen Wahlwerber das passive Wahlrecht haben.
(2) Wenn der Wahlvorschlag
a) verspätet überreicht wird,
b) nicht im Original oder in schriftlicher Form überreicht wird,
c) keinen einzigen Wahlwerber enthält,
d) nicht die Zustimmung wenigstens eines Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag enthält oder
e) nicht über die notwendigen Unterstützungserklärungen verfügt,
unterbleibt die Zurückstellung zur Verbesserung und er ist als unzulässig zurückzuweisen. Liegen andere Mängel vor, ist der Wahlvorschlag sofort zur Behebung der Mängel innerhalb einer Frist von drei Tagen zurückzustellen. Wenn der Mangel nicht fristgerecht behoben wird, muß die Wahlbehörde von Amts wegen gemäß den § 30 und 31 vorgehen bzw die Parteiliste richtigstellen und erforderlichenfalls Namen von Wahlwerbern streichen.
(3) Wenn mehrere Wahlvorschläge den Namen desselben Wahlwerbers enthalten, muß dieser von der Gemeindewahlbehörde aufgefordert werden, binnen drei Tagen zu erklären, für welchen Wahlvorschlag er sich entscheidet. Auf den übrigen Wahlvorschlägen wird er gestrichen. Unterbleibt die fristgerechte Erklärung, wird er nur auf dem ersten eingelangten Wahlvorschlag, der seinen Namen enthält, belassen.
(3a) Wenn mehrere Wahlvorschläge den Namen desselben Unterstützers enthalten, muß dieser von der Gemeindewahlbehörde aufgefordert werden, binnen drei Tagen zu erklären, welchen Wahlvorschlag er unterstützt. Von den übrigen Unterstützungserklärungen wird er gestrichen. Unterbleibt die fristgerechte Erklärung, wird er nur auf dem ersten eingelangten Wahlvorschlag, der seinen Namen enthält, belassen. Dies gilt sinngemäß auch für den Fall, daß der Name derselben Person auf dem Wahlvorschlag einer Wahlpartei als Wahlwerber und auf dem Wahlvorschlag einer anderen Wahlpartei als Unterstützer aufscheint.
(4) Die von der Gemeindewahlbehörde nach Abs 2, 3 und 3a getroffenen Entscheidungen können gesondert nicht bekämpft werden.
[…]
10. Abschnitt
Wahlanfechtung
§56
Anfechtung der Wahl
Das Wahlergebnis kann von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben, und von jedem Wahlwerber, der behauptet, in seinem passiven Wahlrecht verletzt worden zu sein, durch Beschwerde angefochten werden. Die Anfechtung kann wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren erfolgen.
§57
Verfahren
Die Beschwerde muß schriftlich binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses bei der Gemeinde eingebracht werden. Die Beschwerde muß einen begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines Teiles davon enthalten. Der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde muß die Beschwerde innerhalb von drei Tagen samt den Wahlakten der Landes-Hauptwahlbehörde zur Entscheidung vorlegen.
[…]"
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit der Anfechtung
1.1. Gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, somit auch über die Anfechtung von Wahlen zum Gemeinderat (vgl VfSlg 19.247/2010, 19.278/2010, 19.981/2015). Nach Art 141 Abs 1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
1.2. Nach § 67 Abs 2 VfGG sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge vorlegten. Dazu nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, dass die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages das Ergebnis der Wahlanfechtung – wie hier – mitbestimmt, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Wahlvorschlag rechtswirksam erstattet wurde (zB VfSlg 18.932/2009, 19.021/2010, 20.024/2015 jeweils mwN). Die anfechtungswerbende Wahlpartei hat nach der Aktenlage jedenfalls einen Wahlvorschlag eingebracht.
1.3. Nach § 68 Abs 1 VfGG ist die Wahlanfechtung – soweit das in Betracht kommende Gesetz nicht anderes bestimmt – binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens oder, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet wird, binnen vier Wochen nach Zustellung einzubringen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann die Wahlanfechtung erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges eingebracht werden.
1.4. Gemäß § 56 NÖ GRWO 1994 kann das Wahlergebnis insbesondere von den zustellungsbevollmächtigten Vertretern der Wahlparteien, die einen Wahlvorschlag erstattet haben, durch Beschwerde angefochten werden. Diese Anfechtung kann wegen behaupteter Unrichtigkeit der Ermittlung des Wahlergebnisses oder wegen angeblich gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren erfolgen und muss gemäß § 57 NÖ GRWO 1994 schriftlich binnen zwei Wochen ab dem ersten Tag der Kundmachung des Wahlergebnisses bei der Gemeinde eingebracht werden. Der Vorsitzende der Gemeindewahlbehörde hat die Beschwerde innerhalb von drei Tagen samt den Wahlakten der Landes-Hauptwahlbehörde zur Entscheidung vorzulegen. Die Anfechtung der Wahl gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG beim Verfassungsgerichtshof ist gemäß § 68 Abs 1 VfGG erst in weiterer Folge binnen vier Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung zulässig.
1.5. Der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe hat eine Beschwerde gemäß § 56 NÖ GRWO 1994 eingebracht, in der unter anderem auch die in der vorliegenden Anfechtung behauptete Rechtswidrigkeit der Zurückweisung des Wahlvorschlages gerügt und beantragt wurde, die Landes-Hauptwahlbehörde möge "die Gemeinderatswahl vom in der Marktgemeinde Kottingbrunn wegen gesetzwidriger Vorgänge im Wahlverfahren aufheben". Der der Anfechtung gemäß Art 141 Abs 1 lita B-VG durch die NÖ GRWO 1994 vorgelagerte administrative Rechtsweg wurde somit eingehalten.
1.6. Die Landes-Hauptwahlbehörde hat der Beschwerde mit Bescheid vom , dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe zugestellt am , nicht stattgegeben. Die am beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Anfechtung erweist sich sohin als rechtzeitig.
1.7. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist die Anfechtung zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Wahlverfahren nur in den Grenzen der von der anfechtungswerbenden Partei in der Anfechtungsschrift behaupteten Rechtswidrigkeiten nachzuprüfen. Es ist ihm hingegen verwehrt, die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens darüber hinaus von Amts wegen einer weiteren Überprüfung zu unterziehen (vgl VfSlg 17.589/2005, 19.245/2010, 19.981/2015, 20.104/2016).
2.2. Die anfechtungswerbende Wählergruppe wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Wahlvorschlages wegen ungenutzten Ablaufs der Verbesserungsfrist und begründet dies damit, dass die gesetzliche Verbesserungsfrist von drei Tagen gemäß § 32 Abs 2 NÖ GRWO 1994 auf Grund eines Zustellmangels erst am und somit erst nach der bereits am von der Gemeindewahlbehörde beschlossenen, dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter am per Hinterlegung zugestellten Zurückweisung des Wahlvorschlages begonnen habe. Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Wahlvorschlages ist somit zu klären, ob der Verbesserungsauftrag rechtmäßig zugestellt wurde bzw wann die Zustellung wirksam wurde.
2.2.1. Die im ZustellG geregelten Zustellformen gelten gemäß § 1 leg.cit. grundsätzlich für die Zustellung von Schriftstücken im Rahmen der Hoheitsverwaltung und damit grundsätzlich auch im Wahlverfahren (vgl VfSlg 20.071/2016). Im vorliegenden Fall der Zustellung eines Verbesserungsauftrages nach § 32 Abs 2 NÖ GRWO 1994 finden somit die Bestimmungen des ZustellG Anwendung.
2.2.2. Zur Wahl der Zustellform bei der Erteilung eines Verbesserungsauftrages gemäß § 32 Abs 2 NÖ GRWO 1994 enthalten weder das genannte Gesetz noch das ZustellG Vorgaben. § 22 AVG ist gemäß ArtI Abs 3 Z 4 EGVG im Verfahren zur Wahl eines Gemeinderates nicht anwendbar. Es kommen daher grundsätzlich alle nach dem ZustellG zulässigen Zustellungsformen in Betracht. Damit oblag die Wahl der konkreten Zustellform im vorliegenden Fall allein der Gemeindewahlbehörde. Diese hat nach den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden – diesbezüglich unbestritten gebliebenen – Unterlagen eine Zustellung mittels RSb-Briefes verfügt und gemäß § 3 ZustellG einen Bediensteten der Gemeinde als Zusteller mit der Durchführung beauftragt.
2.2.3. Nach den im Wahlakt befindlichen niederschriftlichen Zeugenaussagen des mit der Zustellung beauftragten Gemeindebediensteten und einer Nachbarin des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der anfechtungswerbenden Wählergruppe, denen von keiner Seite substantiiert entgegengetreten wurde, warf der Gemeindebedienstete den an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe adressierten Verbesserungsauftrag der Gemeindewahlbehörde am an der Wohnadresse des Empfängers in den Briefkasten. Damit erfolgte jedoch weder die für die rechtswirksame Zustellung eines RSb-Briefes nötige Ausfolgung des Dokuments an den (Ersatz-)Empfänger gemäß § 13 bzw 16 ZustellG noch die für den Fall der Abwesenheit eines (Ersatz-)Empfängers vorgesehene Hinterlegung gemäß § 17 ZustellG. Der Einwand der Landes-Hauptwahlbehörde, dass durch den Einwurf in den Postkasten die Zustellung "im Wege einer Zustellung ohne Zustellnachweis faktisch durchgeführt" worden sei, geht schon insofern ins Leere, als eine solche Zustellung nicht von der konkreten Zustellverfügung gedeckt ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass eine Zustellung gemäß § 26 ZustellG mangels gegenteiliger gesetzlicher Bestimmungen im vorliegenden Fall grundsätzlich zulässig hätte sein können, da es nur auf die konkrete Zustellverfügung ankommt. Die fehlerhafte Zustellung des RSb-Briefes durch den Einwurf in den Briefkasten kann keinesfalls in eine Zustellung gemäß § 26 ZustellG umgedeutet werden (vgl Stumvoll, § 26 ZustG, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen3, rdb.at, Stand , Rz 3).
2.2.4. Auf Grund dieses Zustellmangels konnte gemäß § 7 ZustellG erst zu dem Zeitpunkt eine wirksame Zustellung erfolgen, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Die Beweislast hiefür trägt die Behörde (vgl etwa VwSlg 18.713 A/2013 mwN). "Tatsächlich zugekommen" ist eine Sendung jedoch nur dann, wenn sie den Empfänger selbst wirklich erreicht hat, wobei der bloße Einwurf in den Briefkasten – wie im vorliegenden Fall – hiefür noch nicht ausreichend ist (vgl VfSlg 14.289/1995 unter Bezug auf Walter/Mayer, Das österreichische Zustellrecht, 1983, 42). Nach den eidesstattlichen Angaben des zustellungsbevollmächtigten Vertreters der anfechtungswerbenden Wählergruppe (im Folgenden: Empfänger) fand dieser das Dokument erstmals am vor. Zwar weist die Gemeindewahlbehörde in ihrer Gegenschrift darauf hin, dass der Empfänger einerseits seinen Briefkasten, in den das Dokument bereits am eingeworfen worden sei, nach eigenen Angaben am 20., 23. und kontrolliert habe. Andererseits habe er – wie aus dessen Korrespondenz mit der Gemeinde ersichtlich sei – bereits vor dem Kenntnis davon gehabt, dass der RSb-Rückschein fehle und dieser vom Zusteller unterschrieben worden sei. Dass es vor diesem Hintergrund unmöglich ist, dass das Dokument dem Empfänger erst am tatsächlich zugekommen ist, kann jedoch nicht erkannt werden. Doch selbst wenn die Zweifel an der Aussage des Empfängers geteilt würden, wäre damit für die Gemeindewahlbehörde im Ergebnis nichts gewonnen. In diesem Fall bliebe nämlich offen, zu welchem bestimmten früheren Zeitpunkt das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist, wobei die Beweislast hiefür bei der Behörde liegt. Der bloße Hinweis darauf, dass der Empfänger den Briefkasten nach eigener Angabe am kontrolliert hat, ist für die Annahme eines tatsächlichen Zukommens an diesem (oder einem folgenden) Tag keinesfalls ausreichend. Ein tatsächliches Zukommen des Dokuments zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem kann im Übrigen weder aus dem Wahlakt noch aus den beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Stellungnahmen zweifelsfrei angenommen werden. Die von der Gemeindewahlbehörde am beschlossene, am zugestellte Zurückweisung des Wahlvorschlages der anfechtungswerbenden Wählergruppe erfolgte daher entgegen der Vorschrift des § 32 Abs 2 NÖ GRWO 1994 vor der Erteilung eines Verbesserungsauftrages. Das in der Folge ohne eine weitere Teilnahme der anfechtungswerbenden Wählergruppe durchgeführte Wahlverfahren erweist sich daher als rechtswidrig.
2.3. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist einer Wahlanfechtung nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muss darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein (Art141 Abs 1 dritter Satz B-VG iVm § 70 Abs 1 erster Satz VfGG): Dazu sprach der Verfassungsgerichtshof wiederholt aus, dass diese (zweite) Voraussetzung bereits erfüllt ist, wenn die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis von Einfluss sein konnte (vgl etwa VfSlg 11.738/1988, 19.278/2010, 19.345/2011, 19.734/2013, 19.981/2015, 20.071/2016).
2.3.1. Die Gemeindewahlbehörde wendet in ihrer Gegenschrift ein, dass die aufgezeigte Rechtswidrigkeit schon deshalb nicht ergebnisrelevant sei, weil der Wahlvorschlag der anfechtungswerbenden Wählergruppe auch aus einem anderen Grund als der unterbliebenen Verbesserung zurückgewiesen hätte werden müssen. Die Liste der Unterstützungserklärungen weise nämlich die Parteibezeichnung "Wolfgang Muhsger; Neues Kottingbrunn NK" auf, während der Wahlvorschlag auf "NEUES KOTTINGBRUNN" mit der Kurzbezeichnung "NK" laute. Der Wahlvorschlag wäre daher ohnehin auch mangels Vorliegens hinreichender Unterstützungserklärungen nach § 32 Abs 2 lite NÖ GRWO 1994 zurückzuweisen gewesen. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass sich sowohl aus der Niederschrift über die Sitzung der Gemeindewahlbehörde vom als auch aus dem Schreiben an den zustellungsbevollmächtigten Vertreter der anfechtungswerbenden Wählergruppe vom gleichen Tag ergibt, dass der Wahlvorschlag allein wegen des Unterbleibens einer Verbesserung und letztlich ausdrücklich gemäß § 32 Abs 2 litc NÖ GRWO 1994 zurückgewiesen wurde. Unabhängig davon, ob der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Prüfung der Ergebnisrelevanz das Vorliegen eines von der Gemeindewahlbehörde im konkreten Wahlverfahren nicht herangezogenen bzw – wie aus dem Wahlakt ersichtlich – noch nicht einmal thematisierten alternativen Zurückweisungsgrundes überhaupt zu berücksichtigen hätte, ist der vorliegende Einwand der Gemeindewahlbehörde schon insofern nicht zutreffend, als der behauptete alternative Zurückweisungsgrund nicht vorliegt:
2.3.2. Zwar enthält die Liste der Unterstützungserklärungen in der Tabelle zur Eintragung der Daten der Unterstützenden die Überschrift "Unterstützungserklärungen für Wolfgang Muhsger; Neues Kottingbrunn NK". Jedoch geht dieser Liste eine Seite voran, auf der unter Punkt I. die Parteibezeichnung "NEUES KOTTINGBRUNN" mit der Kurzbezeichnung "NK" angegeben und unter Punkt II. darauf hingewiesen wird, dass die in der anschließenden Liste gefertigten Wahlberechtigten "den Wahlvorschlag mit der oben stehenden Parteibezeichnung" unterstützen. Insgesamt besteht somit kein begründeter Zweifel daran, dass sich die Unterstützungserklärungen auf den von der anfechtungswerbenden Wählergruppe eingebrachten Wahlvorschlag mit der Parteibezeichnung "NEUES KOTTINGBRUNN" und der Kurzbezeichnung "NK" beziehen. Auch der Einwand, dass die anfechtungswerbende Wählergruppe ein Formular verwendet habe, das – lediglich hinsichtlich der Unterschriftenliste – von dem in der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom über die Gestaltung der Drucksorten zur Vollziehung der NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBL. 0350/2-0 idF LGBl 77/2019, vorgesehenen Formular 7 abweicht, hätte keine Zurückweisung des Wahlvorschlages begründen können, weil das im vorliegenden Fall verwendete Formular lediglich eine andere Formatierung, ansonsten jedoch sämtliche vom Gesetz und der genannten Verordnung geforderten Inhalte aufweist.
2.3.3. Durch die rechtswidrige Zurückweisung des Wahlvorschlages der anfechtungswerbenden Wählergruppe wurde eine Teilnahme dieser Wählergruppe als Wahlpartei an der Gemeinderatswahl der Marktgemeinde Kottingbrunn am ausgeschlossen. Damit ist jedoch die Einflussmöglichkeit der festgestellten Rechtswidrigkeit offensichtlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Teilnahme einer weiteren Wahlpartei das Wahlergebnis beeinflusst hätte (vgl VfSlg 1171/1929, 3977/1961, 8853/1980).
2.4. Um die Rechtswidrigkeit zu beseitigen, ist es erforderlich, die Wahl ab der Prüfung der eingelangten Wahlvorschläge aufzuheben. Die Gemeindewahlbehörde wird die geprüften Wahlvorschläge im zu wiederholenden Wahlverfahren allenfalls neuerlich zur Verbesserung gemäß § 32 Abs 2 NÖ GRWO 1994 zurückzustellen haben.
IV. Ergebnis
1. Der Anfechtung ist daher stattzugeben.
2. Das Verfahren zur Wahl des Gemeinderates der Marktgemeinde Kottingbrunn am ist insoweit aufzuheben, als es der Prüfung der eingelangten Wahlvorschläge nachfolgt.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2020:WI4.2020 |
Schlagworte: | Wahlen, Gemeinderat, Zustellung, VfGH / Wahlanfechtung |
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