VfGH vom 14.03.2007, V82/06
Sammlungsnummer
18106
Leitsatz
Keine gesetzliche Grundlage für die zwingende Zuordnung von Bezügen aus der Tätigkeit als Lehrbeauftragter zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; Hinweis auf die Vorjudikatur
Spruch
Die Worte "Universitäten, Hochschulen," in § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zuordnung der Bezüge von Lehrbeauftragten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit werden sowohl in der Stammfassung, BGBl. II Nr. 287/1997, als auch in der Fassung BGBl. II Nr. 278/2000 als gesetzwidrig aufgehoben.
Die aufgehobenen Worte sind nicht mehr anzuwenden.
Der Bundesminister für Finanzen ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Zu B3246/05 ist beim Verfassungsgerichtshof die Beschwerde eines Dramaturgen, der im Rahmen eines remunerierten Lehrauftrages an einer Universität unterrichtet, gegen den Einkommensteuerbescheid für die Jahre 1999 bis 2001 des Unabhängigen Finanzsenates (in der Folge: UFS), Außenstelle Wien, anhängig. Die belangte Behörde qualifizierte die Bezüge aus der Tätigkeit als Lehrbeauftragter als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Diese Zuordnung ergab sich für die Jahre 1999 und 2000 aus § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zuordnung der Bezüge von Lehrbeauftragten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in der Stammfassung BGBl. II 287/1997 und der Fassung BGBl. II 278/2000 (in der Folge: Lehrbeauftragten-Verordnung), für das Jahr 2001 aus § 25 Abs 1 Z 5 EStG 1988, BGBl. 400 idF BGBl. I 142/2000.
Die Beschwerde rügt unter anderem die Gesetzwidrigkeit der Lehrbeauftragten-Verordnung, BGBl. II 287/1997. Der Verfassungsgerichtshof habe bereits mit dem Erkenntnis VfSlg. 15.811/2000 die Aufhebung der damals präjudiziellen Worte "Fachhochschulen" und "oder ähnlichen Bildungseinrichtungen" in § 1 der Lehrbeauftragten-Verordnung ausgesprochen, weil Aufgabe der Vollziehung lediglich die Konkretisierung des Gesetzes, nicht aber die eigenständige Grenzziehung zwischen Einkünften aus selbständiger und unselbständiger Arbeit sei. Aus dem gleichen Grund wäre die Verordnung auch für Lehrbeauftragte an Universitäten aufzuheben.
2. Rechtslage:
Gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lita EStG 1988, BGBl. 400 idF BGBl. I 106/1999, sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden und früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nach § 1 der ab anzuwendenden Lehrbeauftragten-Verordnung, BGBl. II 287/1997, zählen Bezüge aus der Tätigkeit als Lehrbeauftragter an Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen, Pädagogischen Akademien oder ähnlichen Bildungseinrichtungen zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 25 Abs 1 [Z1] lita EStG 1988. Mit hg. Erkenntnis vom , VfSlg. 15.811/2000, wurden die Worte "Fachhochschulen" und "oder ähnlichen Bildungseinrichtungen" in § 1 der Lehrbeauftragten-Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben; die Kundmachung der Aufhebung erfolgte am , BGBl. II 278/2000. Die gesamte Verordnung ist letztmalig für Lohnzahlungszeiträume, die vor dem enden, anzuwenden (§2 Lehrbeauftragten-Verordnung, BGBl. II 287/1997 idF BGBl. II 632/2003). Ab wurde mit BGBl. I 142/2000 in § 25 Abs 1 Z 5 EStG 1988 eine neue Regelung getroffen, wonach Bezüge von Vortragenden, die diese Tätigkeit im Rahmen eines von einer Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien-, Lehr- oder Stundenplanes ausüben, als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten, sofern die Lehrtätigkeit nicht an einer Erwachsenenbildungseinrichtung ausgeübt wird.
3. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der im Beschwerdefall präjudiziellen Teile der in Prüfung gezogenen Verordnung entstanden, die der Verfassungsgerichtshof wie folgt darlegte:
"Der Gerichtshof geht vorläufig davon aus, dass gegen die in Prüfung zu ziehenden Worte die gleichen Bedenken bestehen, die bereits zur Aufhebung der (damals allein präjudiziellen) Worte "Fachhochschulen" und "oder ähnlichen Bildungseinrichtungen" in VfSlg. 15.811/2000 geführt haben. Der Gerichtshof begründete diese Entscheidung wie folgt:
'... Der Bundesminister für Finanzen ist der Meinung, diese Anordnung bewege sich im Bereich des den Vollzugsorganen zukommenden Konkretisierungsermessens. Wieweit die Vollziehung bei der Abgrenzung von selbständigen und unselbständigen Einkünften tatsächlich zu einer Konkretisierung des Gesetzes ermächtigt ist, kann der Gerichtshof aber gleichfalls dahingestellt lassen. Denn selbst der Bundesminister hält die Verordnung für eine 'typisierende Annahme' eines Dienstverhältnisses, die als 'typisierende Pauschalierung' oder 'Durchschnittsbetrachtung' - also unter bewußter Außerachtlassung abweichender Erscheinungen - zulässig sei, sofern sie nicht zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führe.
Damit verkennt der Bundesminister indes die Aufgabe der Vollziehung, die sich in der Anwendung und Konkretisierung des Gesetzes erschöpft. Daß es dem Gesetzgeber in den Schranken des Gleichheitssatzes und des darin enthaltenen Sachlichkeitsgebotes freisteht, seine Regelungen auf typische Sachverhalte abzustellen und durch Pauschalierungen leichter handhabbar zu machen und die Festsetzung von Pauschalbeträgen nach Maßgabe bestimmter Gesichtspunkte in gewissem Umfang auch der Vollziehung zu überlassen, ändert nichts an der strengen Bindung der Vollziehung an das jeweils geltende Gesetz. Könnten Lehraufträge in der Tat nur in Form von Dienstverhältnissen erteilt werden, wäre gegen eine dieses mit genereller Wirkung klarstellende Verordnung nichts einzuwenden. Für eine Ermächtigung der Vollziehung, die Grenze zwischen Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit aus Gründen der Zweckmäßigkeit in Teilbereichen auch nur geringfügig zu verschieben, fehlt im Gesetz aber jeglicher Anhaltspunkt (und daher auch die erforderliche Umschreibung der Voraussetzungen).'
Da die Aufzählung der die Lehraufträge vergebenden Einrichtungen sowohl Universitäten als auch Hochschulen umfasst und unter den Begriff Hochschule möglicherweise auch eine Universität subsumiert werden kann, dürfte zur Beseitigung der allfälligen Gesetzwidrigkeit auch die Aufhebung dieses Wortes erforderlich sein."
4. Der Bundesminister für Finanzen nahm von einer Äußerung formlos Abstand.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Anlassbeschwerde oder die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Teile der Verordnung für die Entscheidung im Anlassbeschwerdeverfahren sprechen würden.
2. Auch die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken treffen zu. Der Bundesminister für Finanzen ist ihnen nicht entgegengetreten. Es genügt daher, auf die Gründe des im Prüfungsbeschluss wiedergegebenen Erkenntnisses VfSlg. 15.811/2000 zu verweisen, die in Anbetracht des damaligen Anlassfalles lediglich zur Aufhebung der (damals allein präjudiziellen) Worte "Fachhochschulen" und "oder ähnlichen Bildungseinrichtungen" mangels gesetzlicher Grundlage geführt haben. Die in jenem Fall zur Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Worte führende Überlegung, dass Aufgabe der Vollziehung lediglich die Konkretisierung des Gesetzes, nicht aber die eigenständige Grenzziehung zwischen Einkünften aus selbständiger und unselbständiger Arbeit sein kann, führt daher auch in diesem Fall zur Aufhebung der in Prüfung gezogenen Worte der Lehrbeauftragten - Verordnung.
3. Der Ausspruch, dass die als gesetzwidrig erkannten Worte nicht mehr anzuwenden sind, stützt sich auf Art 139 Abs 6 B-VG.
Die Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden weiteren Ausspruchs erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B-VG und § 60 Abs 2 VfGG iVm § 4 Abs 1 Z 4 BGBlG.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.