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VfGH vom 01.10.1994, V64/94

VfGH vom 01.10.1994, V64/94

Sammlungsnummer

13888

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit eines Regulierungsplanes mangels Abänderung der Widmung einer Fläche als Verkehrsfläche trotz Nichtzuführung dieser Fläche zu dem mit der seinerzeitigen Enteignung verbundenen Zweck

Spruch

Der Regulierungsplan U II der Stadt Linz, beschlossen vom Gemeinderat der (ehemaligen) Stadt Urfahr am , wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Beschwerdeführerin im verfassungsgerichtlichen Verfahren zu B332/93 ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 113/1 KG Urfahr. An dieses Grundstück schließt das Grundstück Nr. 265/4 KG Urfahr an. Diese 110 m2 große Grundparzelle war ursprünglich Teil des Grundstückes Nr. 113/1, wurde jedoch am zum Zweck der Verbreiterung einer Straße in das öffentliche Gut abgetreten. Die Grundabtretung erfolgte aufgrund eines Baubewilligungsbescheides vom des Magistrats Linz-Urfahr für das Grundstück Nr. 113/1 und aufgrund eines Genehmigungsbescheides dieser Behörde vom für die Teilung des Grundstückes Nr. 113/1 in die Baugrundstücke Nr. 113/1 und 113/14. Beide Bescheide enthalten die Bedingung, daß der betreffende Grundstückstreifen kosten- und lastenfrei in das öffentliche Gut der Stadtgemeinde Linz abzutreten ist.

Die durch die Abtretung ermöglichte Straßenverbreiterung wurde bisher nicht durchgeführt.

b) Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom wurde ein auf § 18 Oberösterreichische Bauordnung (OÖ BauO), LGBl. 35/1976 idF LGBl. 82/1983, gestützter Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückstellung des Grundstückes Nr. 265/4 KG Urfahr abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung hat der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom keine Folge gegeben. Auch die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung blieb erfolglos, die Oberösterreichische Landesregierung gab ihr mit Bescheid vom ebenfalls keine Folge.

2. Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die zu B332/93 eingebrachte Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen, nämlich § 18 Abs 4 und Abs 7 OÖ BauO, in ihren Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Sowohl die Landeshauptstadt Linz als auch die Oberösterreichische Landesregierung haben in einer Äußerung bzw. Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat am von Amts wegen beschlossen, ua. aus Anlaß dieses Verfahrens die Verfassungsmäßigkeit der Abs 4 und 7 des § 18 OÖ BauO, LGBl. 35/1976 idF LGBl. 82/1983, zu prüfen. Mit Erkenntnis vom , G233,235/93, hat er die Wendung "4," in Abs 7 des § 18 OÖ BauO als verfassungswidrig aufgehoben, gleichzeitig aber ausgesprochen, daß der Abs 4 des § 18 leg.cit. nicht verfassungswidrig ist.

Der genannte Abs 4 lautet:

"Fallen Grundflächen, die für im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Verkehrsflächen abgetreten werden mußten, infolge einer Änderung des Bebauungsplanes nicht mehr unter diese Widmung, so ist ihre Zurückstellung dem früheren Grundeigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger,

a) wenn die Verkehrsfläche bereits hergestellt wurde, innerhalb von sechs Wochen nach der straßenrechtlichen Auflassung, wenn eine solche nicht erforderlich ist, nach der tatsächlichen Auflassung der Grundfläche als öffentliche Verkehrsfläche,

b) wenn die Verkehrsfläche noch nicht hergestellt wurde, innerhalb von sechs Wochen nach Änderung des Bebauungsplanes,

schriftlich anzubieten. Lehnt der frühere Grundeigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Anbotes die Zurückstellung der Grundflächen nicht schriftlich ab, so hat die Gemeinde die Zurückstellung innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten auf ihre Kosten zu bewirken. Ohne Entschädigung abgetretene Grundflächen sind ohne Entschädigung, gegen Entschädigung abgetretene Grundflächen sind gegen Rückerstattung der geleisteten Entschädigung - soweit sich diese nicht auf entfernte bauliche Anlagen bezog - zurückzustellen. Die Grundflächen sind auf Verlangen des früheren Grundeigentümers bzw. dessen Rechtsnachfolgers möglichst in dem Zustand zurückzustellen, in dem sie abgetreten wurden. Die Ablehnung der Zurückstellung durch den früheren Grundeigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger kann nicht widerrufen werden."

Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis seine Bedenken gegen den Abs 4 des § 18 OÖ BauO (s. den oben zitierten Beschluß vom ) nicht aufrechterhalten. Er hat dies - auf das Wesentliche zusammengefaßt - damit begründet, daß bei einer Konstellation wie der hier gegebenen aus dem Schutzzweck des Art 5 StGG und des Art 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK eine Verpflichtung des Verordnungsgebers abzuleiten ist, eine - zunächst rechtmäßige - Widmung als Verkehrsfläche zu ändern, wenn diese Fläche durch längere Zeit dem mit der Enteignung verbundenen Zweck nicht zugeführt wird.

5. Aufgrund der Erwägungen im genannten Erkenntnis zu G233/93 hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß der Beschwerde zu B 332/93 am beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit des - nunmehr der Landeshauptstadt Linz zugehörigen - Regulierungsplanes U II der (ehemaligen) Stadt Urfahr (Beschluß des Gemeinderates vom ) zu prüfen.

Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Beschluß wie folgt begründet:

"Die mit dem angefochtenen Bescheid versagte Zurückstellung des strittigen Grundstückes stützt sich (unter anderem) auf § 18 Abs 4 OÖ BauO (s. das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu G233,235/93, Pkt. IV.2.c). Sowohl die über den Zurückstellungsanspruch entscheidende Behörde wie (in der Folge) der Verfassungsgerichtshof haben hiebei zu prüfen, welchen Inhalt der bezughabende Bebauungsplan hat, um feststellen zu können, ob die in § 18 Abs 4 OÖ BauO vorausgesetzte Änderung des Bebauungsplanes erfolgt ist (diese Auffassung vertritt im übrigen auch die Oberösterreichische Landesregierung in ihrer im Verfahren zu G233/93 erstatteten Äußerung). Der angefochtene Vorstellungsbescheid wurde daher auch damit begründet, daß eine Änderung des Bebauungsplanes im vorliegenden Fall nicht erfolgt sei.

Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, daß der betreffende Bebauungsplan - hier nach der Aktenlage der (vom Gemeinderat der Stadt Urfahr anscheinend am beschlossene) Regulierungsplan U II, welcher nach der Übergangsbestimmung des § 26 Abs 2 OÖ ROG 1972 nach wie vor in Geltung stehen dürfte - präjudiziell ist.

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gehen - im Anschluß an die Erwägungen im Erkenntnis zu G233/93 - dahin, daß die hier maßgebliche Grundfläche in dem in Prüfung gezogenen Plan nach wie vor als Verkehrsfläche festgelegt ist (und zwar offensichtlich durch eine Straßenfluchtlinie). In einem Schreiben des Tiefbauamtes des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom an die Beschwerdeführerin heißt es dazu, daß 'die Parzelle 265/4 der KG Urfahr (öffentliches Gut der Stadt Linz) als Teil einer die Mühlkreisbahn begleitenden Straßenverbindung zwischen Rudolf- und der Hagenstraße vorgesehen war. Diese Straßenplanung ist heute als nicht mehr aktuell anzusehen. Im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan ist darüberhinaus auch keine Verbreiterung der ÖBB-Trasse ausgewiesen'.

Da seit der Grundabtretung (im Jahr 1950) auch schon ein (mehr als) erheblicher Zeitraum verstrichen ist, scheint die - eine Zurückstellung des Grundstückes hindernde - Festlegung als Verkehrsfläche nicht mehr rechtmäßig zu sein."

6. Die Oberösterreichische Landesregierung und der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz haben im Verordnungsprüfungsverfahren (kurze) Äußerungen abgegeben (s. auch den nachfolgenden Pkt. II.2), in welchen keine Anträge gestellt wurden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig (Prozeßhindernisse wurden nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht hervorgekommen).

2.a) Die Oberösterreichische Landesregierung führt in ihrer Äußerung zunächst aus, daß der in Prüfung gezogene Regulierungsplan U II nach wie vor in Geltung steht (Hinweis auf § 26 Abs 2 OÖ ROG 1972 und § 39 Abs 1 OÖ ROG 1994). Sodann meint die Landesregierung, die "damals" geplante Straßenverbindung zwischen der Rudolf- und der Hagenstraße sei immer eine von der Stadt verfolgte Absicht gewesen und habe sich nicht auf ein überregionales Konzept gegründet. Zu bedenken dürfe allerdings gegeben werden, daß die parallel zur hier in Rede stehenden Verkehrsfläche verlaufende Mühlkreisbahn derzeit als Teil einer künftigen Stadtbahntrasse in Diskussion stehe und ein notwendiger Ausbau zur Kapazitätssteigerung nicht ausgeschlossen werden könne.

b) Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz weist in seiner Äußerung darauf hin, daß der Regulierungsplan U II nicht mehr den städtebaulichen Zielen der Landeshauptstadt Linz entspreche und daher ein Aufhebungsverfahren im Sinne des OÖ ROG 1994 eingeleitet worden sei. Verfahrensakten über das Zustandekommen des Planes seien nicht mehr vorhanden.

3. Im Verordnungsprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entkräftet hätte.

Da der Verordnungsgeber seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, die Widmung als Verkehrsfläche zu ändern, obwohl diese Fläche durch längere Zeit dem mit der Enteignung (mit Bescheid verfügten Grundabtretung) verbundenen Zweck nicht zugeführt wurde (s. das bereits mehrfach zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G233,235/93 und die dort verwiesene weitere Judikatur, insb. VfSlg. 11849/1988), ist die in Prüfung gezogene Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art 139 Abs 5 B-VG.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Fundstelle(n):
JAAAE-29759