VfGH vom 19.03.1986, V60/85
Sammlungsnummer
10839
Leitsatz
Flächenwidmungsplan F 3 der Stadtgemeinde Leonding; Bebauungsplan Nr. 49 "Wohnanlage Sonnenweiler" der Stadtgemeinde Leonding; kein Widerspruch des Flächenwidmungsplanes hinsichtlich einiger Grundstücke (Baulandenklave) zum Oö. ROG, insbesondere zu den Raumordnungsgrundsätzen des § 2 Abs 5 Z 3 letzter Satz und § 2 Abs 11 Z 3; mit Rücksicht auf einen faktisch bereits bestehenden Siedlungssplitter damit zusammenhängende geringfügige Erweiterung des Baulandes - sachliche Ausübung des Planungsermessens; kein Widerspruch zu § 15 Abs 1 zweiter Satz; infolge des Wegfalls der Bedenken gegen den Flächenwidmungsplan keine Bedenken gegen den Bebauungsplan
Spruch
I. Der Flächenwidmungsplan F 3 der Stadtgemeinde Leonding vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. November bis , sowie der Bebauungsplan Nr. 49 "Wohnanlage Sonnenweiler" der Stadtgemeinde Leonding vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 3. bis , soweit sich diese Pläne auf die Grundstücke Nr. 725/3, 725/4, 725/5, 725/6 und 725/7, alle KG Holzheim, beziehen, werden nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Dem Antrag des VwGH wird nicht Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Mit dem in Ausfertigung eines Beschlusses des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding (OÖ) als Berufungsbehörde ergangenen Bescheid vom wurde den Beteiligten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens B372/82 G und A H die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 725/7, KG Holzheim, erteilt. Der von der Bf. als Anrainerin gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hat die Oö. Landesregierung mit Bescheid vom keine Folge gegeben.
Gegen den Vorstellungsbescheid richtet sich die zu B372/82 protokollierte VfGH-Beschwerde, in welcher sich die Bf. in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
b) Mit dem in Ausfertigung eines Beschlusses des Gemeinderates der Stadtgemeinde Leonding als Berufungsbehörde ergangenen Bescheid vom wurde den Beteiligten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens B430/82 P und S S die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 725/6, KG Holzheim, erteilt. Der von der Bf. als Anrainerin auch gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hat die Oö. Landesregierung mit Bescheid vom keine Folge gegeben.
Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die zu B430/82 protokollierte VfGH-Beschwerde, in welcher sich die Bf. in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie wegen Anwendung gesetzwidriger V in ihren Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung dieses Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
2. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerden am beschlossen, die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes F 3 der Stadtgemeinde Leonding vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. November bis , soweit er die Grundstücke Nr. 725/6 und 725/7, beide KG Holzheim, betrifft, sowie des Bebauungsplanes Nr. 49 "Wohnanlage Sonnenweiler" vom , kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom
3. bis , soweit er die beiden oben genannten Grundstücke betrifft, von Amts wegen zu prüfen.
3. Weiters sind beim VwGH zu den Zlen. 82/05/0144, 82/05/0165 und 82/05/0173 drei Beschwerden betreffend Baubewilligungen auf den - unmittelbar neben den Grundstücken Nr. 725/6 und 725/7 (s. oben unter Punkt 1.a und b) liegenden - Grundstücken Nr. 725/3, 725/4 und 725/5 anhängig.
Der VwGH beantragt gemäß Art 139 Abs 1 B-VG iVm. Art 89 Abs 2 B-VG, die vom VfGH in Prüfung gezogenen V auch insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als sie sich auf die drei soeben genannten Grundstücke beziehen. Der VwGH verweist zur Begründung seines Antrages auf die im Prüfungsbeschluß des dargelegten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes, welche in gleicher Weise auch für jene Grundstücke Gültigkeit hätten, auf die sich die verwaltungsgerichtlichen Verfahren beziehen.
4. Der VfGH hat die Verordnungsprüfungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die bei den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpften Baubewilligungen wurden ua. unter Berücksichtigung der für die Grundstücke Nr. 725/3, 725/4, 725/5, 725/6 und 725/7 im Flächenwidmungsplan festgelegten Nutzungsart sowie unter Zugrundelegung des für diese Grundstücke geltenden Bebauungsplanes erteilt. Der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan sind daher bei Prüfung der beim VfGH und beim VwGH angefochtenen Bescheide insoweit anzuwenden.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind sowohl das von Amts wegen eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren als auch der Antrag des VwGH zulässig.
2. a) Der Flächenwidmungsplan F 3 wurde vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding am beschlossen, mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom genehmigt und durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 16. November bis kundgemacht.
b) Der die hier maßgeblichen Grundstücke umfassende Bebauungsplan Nr. 49 "Wohnanlage Sonnenweiler" wurde vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Leonding am beschlossen und in der Zeit vom 3. bis durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht.
c) Das Grundstück Nr. 725/2, KG Holzheim - aus welchem in der Folge durch Teilung die Grundstücke Nr. 725/3, 725/4, 725/5, 725/6 und 725/7 entstanden - war mit dem Änderungsplan F 35 vom 24. Feber 1978 als reines Wohngebiet gewidmet worden. Mit dem - nunmehr in Prüfung gezogenen - Flächenwidmungsplan F 3 hat der Gemeinderat sodann am für das gesamte Gemeindegebiet von Leonding einen (neuen) Flächenwidmungsplan erlassen, in welchem die Widmung der hier maßgeblichen Flächen keine Änderung erfuhr.
Den Plänen F 35 und F 3 ist zu entnehmen, daß die bezughabenden Grundstücke zusammen mit im Norden an sie unmittelbar angrenzenden, flächenmäßig etwa dreimal so großen Grundstücken eine als reines Wohngebiet gewidmete Enklave darstellen, welche im Süden, Westen und Norden von Grünland umgeben ist und im Osten von der Z-Straße begrenzt wird, an deren Ostseite wieder Grünland liegt. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß sich die Umwidmung durch den Plan F 35 nur auf das - damalige - Grundstück 725/2 bezogen hat, während die übrigen Grundstücke bereits Bauland waren, sodaß sich infolge des Planes F 35 die bereits bestehende Enklave nur vergrößert hat.
Die Grundstücke liegen im erweiterten Bereich der Turmlinie Leonding. In diesem Bereich soll ua. kein neues Bauland ausgewiesen werden, sofern nicht überwiegende öffentliche Interessen gegeben sind. Diese Festlegung ist in der Arbeit "Turmlinie Leonding, Schutzzone im Bereich des regionalen Grünzuges", herausgegeben vom Amt der Oö. Landesregierung, Landesbaudirektion, Abteilung Raumordnung und Landesplanung, 1976, enthalten, in welcher auf S 8 auch darauf hingewiesen wird, daß die in der vorliegenden Arbeit enthaltenen Aussagen als Bestandteil der überörtlichen Ziele und Festlegungen für die Flächenwidmung der Stadt Leonding und für die Stadt Linz gelten und der Stadt Leonding als Ziele und Festlegungen der überörtlichen Raumordnung gemäß § 15 Abs 2 des Oö. Raumordnungsgesetzes, LGBl. 18/1972 (Oö. ROG), übermittelt worden sind.
3. Die Bedenken des VfGH gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes gingen im wesentlichen dahin, daß nicht erkennbar sei, welche Erwägungen - abgesehen von den Wünschen von Bauwerbern - den Gemeinderat zur Widmung als reines Wohngebiet bewogen hätten. Diese Widmung scheine im Hinblick auf den (laut den Verordnungsakten in Leonding vorhandenen) Baulandüberhang weder mit dem Erfordernis des ersten Satzes des § 16 Abs 1 Oö. ROG noch - entgegen der Vorschrift des § 15 Abs 1 zweiter Satz dieses Gesetzes - mit den Zielen und Festlegungen der überörtlichen Raumplanung (Turmlinie Leonding) in Einklang zu stehen. Abgesehen davon scheine die in Prüfung gezogene Widmung weder dem Raumordnungsgrundsatz des § 2 Abs 5 Z 3 letzter Satz Oö. ROG, wonach auf die Erhaltung der den Verdichtungsräumen zugeordneten Landschaft Bedacht zu nehmen ist, noch dem Grundsatz des § 2 Abs 11 Z 3 Oö. ROG, wonach eine Durchsetzung der Landschaft mit Siedlungssplittern (Zersiedelung) verhindert werden soll, zu entsprechen.
Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes Nr. 49 sah der VfGH darin, daß einerseits die gegen den Flächenwidmungsplan geäußerten Bedenken auch gegen den Bebauungsplan bestünden und daß andererseits bei Wegfall der in Prüfung gezogenen Baulandwidmungen eine wesentliche Bedingung für die Erlassung des Bebauungsplanes nicht mehr gegeben sei.
4. Die Oö. Landesregierung verteidigt die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen V und weist zunächst darauf hin, daß die Baulandwidmung im Bereich des ursprünglichen Gesamtgrundstückes Nr. 725 der KG Holzheim bereits zu einem Zeitpunkt existiert habe, zu welchem die Bestimmungen des Oö. ROG noch nicht in Kraft gestanden seien. Der Gemeinderat von Leonding habe nämlich bereits am beschlossen, ua. den verfahrensgegenständlichen Bereich von Grünland in Bauland umzuwidmen. Allerdings seien keinerlei Unterlagen über eine ordnungsgemäße Kundmachung dieses Beschlusses vorhanden. In einem Brief des Bürgermeisters an die Bf. in den Anlaßbeschwerdeverfahren, M O, vom 19. Feber 1971 sei darauf hingewiesen worden, daß für die Umwidmung der Umstand maßgebend gewesen sei, daß die Grundparzelle 725/2 im Anschluß an ein Baugebiet liege, also lediglich eine Arrondierung des Baugebietes darstelle.
Die Oö. Landesregierung weist auch darauf hin, daß bei der Bekanntgabe der Ziele und Festlegungen der überörtlichen Raumordnung für den Bereich der "Turmlinie Leonding" damals rechtswirksam ausgewiesenes Bauland bzw. Flächen mit Bauplatzbewilligung als solche ersichtlich gemacht worden seien. Der Flächenwidmungsplan F 35 habe jedenfalls diese Ziele und Festlegungen beachtet. Im übrigen müsse den Bedenken des VfGH entgegengehalten werden, daß wohl nicht verlangt werden könne, daß bei jeder Flächenwidmungsplan-Änderung allfällig bereits vorhandene Siedlungs(bzw. Bauland)splitter beseitigt werden müßten.
5. Die vom VfGH geäußerten Bedenken treffen aus folgenden Erwägungen nicht zu:
Das Verordnungsprüfungsverfahren hat ergeben, daß die nördlich der hier maßgeblichen Grundstücke liegenden - ungefähr dreimal so großen - Parzellen seit langem verbaut sind. Nach einem Beschluß des Gemeinderates vom , das Grundstück Nr. 725/2 von Grünland in Bauland umzuwidmen (der offenbar niemals kundgemacht worden ist), wurde das Grundstück mit rechtskräftigem Bescheid vom zum Bauplatz erklärt (die Bauplatzerklärung ist in der Folge allerdings wieder erloschen). Dazu kommt, daß - unabhängig davon, ob die Festlegung der "Turmlinie Leonding" für den Gemeinderat verbindlich oder bloß eine ihm formlos zugekommene Bekanntgabe war - die hier in Rede stehende Baulandenklave auch in den Planunterlagen der Arbeit "Turmlinie Leonding" als bereits vorhanden berücksichtigt wurde.
Sicherlich hat der Verordnungsgeber auf die Raumordnungsgrundsätze des § 2 Abs 5 Z 3 letzter Satz Oö. ROG, wonach auf die Erhaltung der den Verdichtungsräumen zugeordneten Landschaft Bedacht zu nehmen ist, sowie des § 2 Abs 11 Z 3 Oö. ROG, wonach eine Durchsetzung der Landschaft mit Siedlungssplittern (Zersiedelung) verhindert werden soll, Bedacht zu nehmen. Angesichts der oben angeführten - bei der Planung ebenfalls mitzuberücksichtigenden - Gegebenheiten hat der Verordnungsgeber aber nicht gegen das Oö. ROG verstoßen, wenn er diesen Gegebenheiten größeres Gewicht beigemessen und im Flächenwidmungsplan F 3 die in Prüfung gezogenen Grundstücke (unverändert) als reines Wohngebiet gewidmet hat. Zwar wäre vor allem im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 Abs 11 Z 3 Oö. ROG auch eine Grünlandwidmung vertretbar gewesen. Gleichwohl kann der VfGH der (sachlichen) Ausübung des Planungsermessens (s. Korinek, Verfassungsrechtliche Aspekte der Raumplanung, 1971, S 32 f.; Fröhler - Oberndorfer, Österreichisches Raumordnungsrecht, 1975, S 33 f.) nicht entgegentreten, wenn der Verordnungsgeber mit Rücksicht auf einen faktisch bereits bestehenden Siedlungssplitter eine damit zusammenhängende geringfügige Erweiterung des Baulandes vornimmt. Ein ähnlicher Gedankengang ist dem Verordnungsgeber bereits im Jahre 1971 zugrunde gelegen (s. das von der Oö. Landesregierung wiedergegebene Schreiben des Bürgermeisters vom 19. Feber 1971).
Die Berücksichtigung der Baulandenklave in der Publikation "Turmlinie Leonding" wird durch eine von der Oö. Landesregierung vorgelegte interne Stellungnahme des Amtes der Oö. Landesregierung untermauert, wonach bei der Bekanntgabe der Ziele und Festlegungen der überörtlichen Raumordnung für den Bereich der "Turmlinie Leonding" damals rechtswirksam ausgewiesenes Bauland bzw. Flächen mit Bauplatzbewilligung als solche ersichtlich gemacht wurden und der Flächenwidmungsplan F 35 (mit welchem erstmals die Widmung als reines Wohngebiet erfolgte) jedenfalls diese Ziele und Festlegungen beachtet habe. Es kann somit - welche rechtliche Bedeutung der Publikation "Turmlinie Leonding" immer zukommt - auch das Bedenken nicht aufrechterhalten werden, daß der (hier zu prüfende) Flächenwidmungsplan F 3 diesbezüglich gegen die Vorschrift des § 15 Abs 1 zweiter Satz Oö. ROG verstieße.
6. Mit dem Wegfall der Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes ist auch den gegen den Bebauungsplan Nr. 49 geäußerten Bedenken der Boden entzogen.
7. Es ist somit auszusprechen, daß der Flächenwidmungsplan F 3 sowie der Bebauungsplan Nr. 49, soweit sie sich auf die hier bezughabenden Grundstücke beziehen, nicht als gesetzwidrig aufgehoben werden und dem Antrag des VwGH nicht Folge gegeben wird.