VfGH vom 01.03.1994, V55/93
Sammlungsnummer
13689
Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der Widmung von Grundstücken als "Wohngebiet für förderbare Wohnbauten"; ausreichende Erhebung der und Befassung mit den Planungsgrundlagen über Zweitwohnsitze; Umwidmung in Einklang mit den Zielen der örtlichen Raumordnung
Spruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Antragsteller zu V45/93 ist Eigentümer der Grundstücke 151/2 und 291 EZ 126 Grundbuch 82111 Reith bei Kitzbühel (Tirol).
Diese Grundstücke sind nach der vom Gemeinderat der Gemeinde Reith bei Kitzbühel am beschlossenen, mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom genehmigten Änderung des Flächenwidmungsplanes als Wohngebiet für förderbare Wohnbauten nach § 12 Abs 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (TROG), LGBl. 4, gewidmet.
2. Der Antragsteller zu V55/93 ist Eigentümer des Grundstückes 290 EZ 865 Grundbuch 82108 Kitzbühel-Stadt. Dieses Grundstück ist nach der vom Gemeinderat der Stadtgemeinde Kitzbühel am beschlossenen, mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom genehmigten Änderung des Flächenwidmungsplanes ebenfalls als Wohngebiet für förderbare Wohnbauten nach § 12 Abs 3 TROG gewidmet.
3.a) Beide Antragsteller begehren gemäß Art 139 B-VG die (jeweilige) Aufhebung der sie betreffenden, oben zitierten Flächenwidmungspläne, soweit durch diese die genannten Grundstücke der Antragsteller als Wohngebiet für förderbare Wohnbauten gewidmet sind. Sie bringen hiezu vor, sie wollten ihre dort vorhandenen Häuser über eine Wohnnutzfläche von 150 m2 hinaus ausbauen, was durch die bekämpften Widmungen verhindert werde.
b) In den Anträgen werden zunächst (gleichlautende) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 12 Abs 3 TROG vorgebracht (s. hiezu unten Pkt. II.2.).
Sodann werden (im wesentlichen ebenfalls gleichlautende) Bedenken gegen die bekämpften Widmungen erhoben. Zum einen habe der Gemeinderat - heißt es im Antrag zu V45/93 - bei der Änderung des Flächenwidmungsplanes die Interessenlage der Grundeigentümer in keiner Weise berücksichtigt, was jedenfalls gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, zumal auch die aus der Umwidmung resultierende wirtschaftliche Entwertung der Liegenschaften damit gänzlich unberücksichtigt geblieben sei (Hinweis auf ). Zum anderen habe sich der Gemeinderat nicht damit auseinandergesetzt, ob die Planänderung auch den Zielen der örtlichen Raumordnung entspricht. Weiters habe der Gemeinderat die Erhebung der bedeutsamen Gegebenheiten und deren Festschreibung in einer Bestandsaufnahme unterlassen. Es seien auch keine zureichenden Überlegungen dahingehend angestellt worden, ob die infrastrukturellen Einrichtungen zu der vorgenommenen Widmung passen und ob diese Widmung eine sinnvolle weitere bauliche Entwicklung nicht erschwere. Der Gemeinderat habe vielmehr großflächig eine "W 2"-Widmung vorgenommen, obwohl ihm hätte klar sein müssen, daß für eine geordnete örtliche Raumplanung auch Bauten, welche lediglich im Rahmen einer "W 1"-Widmung möglich sind, vonnöten seien.
Das Vorbringen im Antrag zu V55/93 ist - wie bereits erwähnt - gleichlautend.
4. Die Tiroler Landesregierung hat in beiden Verfahren, der Gemeinderat der Stadtgemeinde Kitzbühel im Verfahren zu V55/93 eine Äußerung erstattet. In den Äußerungen wird die Abweisung der Anträge begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die gemäß § 187 ZPO iVm § 35 Abs 1 VerfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Die Anträge sind zulässig (zur Zulässigkeit der Anfechtung von Flächenwidmungsplänen in Tirol durch Grundeigentümer s. VfSlg. 12569/1990 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur sowie ).
2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 12 Abs 3 TROG als gesetzliche Grundlage der bekämpften Widmungen genügt - zwecks Vermeidung von Wiederholungen - der Hinweis auf das soeben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V55/92, in welchem sich der Verfassungsgerichtshof mit gleichlautenden Bedenken wie in den vorliegenden Anträgen ausführlich auseinandergesetzt und (auch unter Hinweis auf die Vorjudikatur) ausgesprochen hat, daß die genannte Gesetzesbestimmung weder gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums noch gegen den Gleichheitsgrundsatz oder gegen Art 6 Abs 1 StGG verstößt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat (betreffend Anträge anderer Grundeigentümer in Reith bei Kitzbühel) bereits in seinem Erkenntnis vom , V8/93, zur Umwidmung einer größeren Anzahl von Grundstücken in Wohngebiet für förderbare Wohnbauten gemäß § 12 Abs 3 TROG durch die auch hier maßgebliche Verordnung vom ausgeführt, der Gemeinderat habe, der Änderung der für die Planung bedeutsamen Umstände Rechnung tragend, auf der Basis des § 12 Abs 3 TROG zusammenhängende Teile des Gemeindegebietes als Wohngebiet für förderbare Wohnbauten widmen und auf diese Weise dafür Sorge tragen können, daß nicht Wohnungen geschaffen werden, welche baulich (hinsichtlich ihrer Größe und Ausgestaltung) stärker als andere Wohnungen als Zweitwohnsitz dienen könnten. Der Gemeinderat habe sich hiebei im Rahmen der in § 12 Abs 3 TROG enthaltenen Ermächtigung im Sinne einer Vorsorge für Wohnbauten, die an sich auch förderbar sind, gehalten, um auf diese Weise den vorhandenen Raum mittel- bzw. langfristig zu gestalten.
Dies gilt auch für die vorliegenden Fälle: Den Gegenäußerungen ist im Zusammenhang mit den vorgelegten Aktenunterlagen zu entnehmen, daß der (jeweilige) Gemeinderatsbeschluß auf statistischen Daten über Zweitwohnungen beruht (also eine Bestandsaufnahme im Sinn des § 9 TROG hinsichtlich der beabsichtigten Umwidmungen vorgenommen wurde) und sich der Gemeinderat mit der Planänderung eingehend auseinandergesetzt hat. Der Verfassungsgerichtshof teilt auch unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Anträge die Ansicht der Landesregierung, daß dem Verordnungsgeber angesichts des in Reith bei Kitzbühel und in Kitzbühel - unbestrittenermaßen - hohen Anteils von Zweitwohnsitzen nicht entgegengetreten werden kann, wenn er jene Gebiete, die ein besonders ungünstiges Verhältnis zwischen Haupt- und Zweitwohnsitzen aufweisen, sowie noch unverbautes Wohngebiet als Wohngebiet gemäß § 12 Abs 3 TROG widmet. Daß die hier maßgeblichen Grundstücke der Antragsteller zur Errichtung förderbarer Wohnbauten an sich ungeeignet seien und die Umwidmung dieser Grundstücke den Zielen der örtlichen Raumordnung geradezu widerspreche, behaupten auch die Antragsteller nicht. Hiebei konnte die in den Anträgen unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V239/91, behauptete wirtschaftliche Beeinträchtigung (keine Erweiterungsmöglichkeit bereits bestehender Bauwerke), die entschädigungslos hinzunehmen die Antragsteller für verfassungswidrig erachten, als keineswegs unverhältnismäßig und daher verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Korinek, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Enteignungsschutzes und des Enteignungsrechts in Österreich, in Korinek-Pauger-Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts (1994) 40ff) außer Betracht bleiben.
Zum Antragsvorbringen bleibt noch zu bemerken, daß die bekämpften Umwidmungen schon deshalb ohne jeden Einfluß auf die infrastrukturellen Einrichtungen sind, weil § 12 Abs 3 TROG lediglich die bauliche Gestaltung der bei dieser Widmungsart zulässigen Bauweise hinsichtlich der Größe und Ausgestaltung von Wohnungen beeinflußt (s. auch hiezu V8/93).
4. Die Anträge sind daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen.