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VfGH vom 24.02.2014, V39/2012

VfGH vom 24.02.2014, V39/2012

Leitsatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags auf Aufhebung eines Wiener Plandokuments hinsichtlich der Festsetzung der Bauklasse I für ein Grundstück in Unter St. Veit

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt und Vorverfahren

1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Nr 296/17, KG 01215 Unter St. Veit. Für das Grundstück ist im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument 6944 (im Folgenden: PD 6944), die Widmung Bauland-Wohngebiet und die Bauklasse I mit offener Bauweise ausgewiesen (W I o). Die bebaubare Fläche ist durch Baufluchtlinien begrenzt, wobei die vordere und hintere Baufluchtlinie jeweils parallel zur Wenzgasse mit einer Trakttiefe von 15,00 m verlaufen. Laut verbaler besonderer Bebauungsbestimmungen des PD 6944 ist die Errichtung von nur zwei Hauptgeschoßen zulässig (BB 2) und darf die maximal zulässige Gebäudehöhe um höchstens 1,50 m unterschritten werden (BB 5).

2. Unter Berufung auf Art 139 Abs 1 B-VG stellt der Eigentümer des Grundstücks hinsichtlich des PD 6944 den Antrag,

"die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Wien zur Festsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes vom , Pr.Zl.33 GPZ/97, kundgemacht am im Amtsblatt der Stadt Wien hinsichtlich des Grundstückes Nr 296/17 der EZ629 Grundbuch 01215 Unter St. Veit, Bezirksgericht Hietzing, somit des Eckgrundstücks an den Straßenzügen Kupelwiesergasse 2714 und Wenzgasse 5251, welches im Plandokument unter der Grundstücksadresse Kupelwiesergasse 10 ausgewiesen ist und seit Abschreibung die Grundstücksadresse Kupelwiesergasse 8 entsprechend Wenzgasse 15 aufzuweisen hätte, soweit dadurch für dieses Grundstück die Bauklasse W I und die Verbaubarkeit von weniger als einem Drittel der Grundstücksfläche und die Festsetzung der hinteren Baufluchtlinie parallel zur Wenzgasse statt parallel zur Kupelwiesergasse sowie die besondere Bebauungsbestimmung BB 2 festgesetzt wurde, als verfassungs- und gesetzwidrig auf[zu]heben."

3. Der Gemeinderat der Stadt Wien erstattete eine Äußerung, in der er dem Antrag entgegentritt und dessen Zurückweisung, in eventu dessen Abweisung beantragt. Die Wiener Landesregierung schloss sich dieser Äußerung vollinhaltlich an.

II. Prozessvoraussetzungen

1. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, dass das angefochtene Plandokument ohne Fällung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam geworden sei, weil eine von ihm geplante Verbauung nicht bewilligt werden könne. Es sei ihm aber nicht zumutbar, einen negativen Baubescheid zu erlangen, weil er für das Bauansuchen unter Aufwendung beträchtlicher Kosten ein vollständiges Projekt planen und entwerfen lassen müsste.

2. Gemäß Art 139 B VG erkennt der Verfassungsgerichts hof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art 139 Abs 1 letzter Satz B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

3. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Recht sprechung Individualanträge auf Verordnungsprüfung, mit denen die Aufhebung von Bestimmungen eines Flächenwidmungs- oder Bebauungs planes begehrt wurde, dann als unzulässig erachtet, wenn es dem betroffenen Liegenschaftseigentümer nach der in Betracht kommenden baurechtlichen Gesetzeslage ohne erheblichen Kostenaufwand (insbesondere den Aufwand für die Anfertigung der für eine Baubewilligung erforderlichen kostspieligen Planunterlagen) möglich und daher zumutbar war, in einem besonderen Verfahren einen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfbaren Bescheid zu erwirken, dessen Anfechtung im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung der Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung und zur Anregung ihrer von Amts wegen zu veranlassenden Überprüfung bietet (s. etwa VfSlg 11.227/1987 in Ansehung der behördlichen Vorprüfung nach der Kärntner Bauordnung oder VfSlg 11.348/1987 hinsichtlich des Antrags auf Widmungsbewilligung nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968).

Ein derartiger zumutbarer Weg steht dem Antragsteller nicht zur Verfügung (vgl. VfSlg 13.663/1993). Im gegebenen Zusammenhang kommt insbesondere die Erwirkung eines Bescheides, durch den die Bebauungsbestimmungen bekannt gegeben werden, im Sinne des § 9 der Bauordnung für Wien idF LGBl 61/1998 nicht in Betracht, weil gemäß Abs 4 dieses Paragraphen eine abgesonderte Berufung dagegen nicht zulässig ist, eine Berufung gegen einen solchen Bescheid vielmehr nur mit der Berufung gegen einen Bescheid verbunden werden kann, der sich auf die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen stützt (vgl. VfSlg 12.743/1991).

4. Der Antragsteller hat schon im Jahr 1996 im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung des PD 6944 um eine Erhöhung der Bauklasse angesucht und in diesem Zusammenhang einen Vorentwurf eines Wohnhauses der verordnungserlassenden Behörde übermittelt. Er hat damit konkrete Bauabsichten kundgetan. Einer Baubewilligung für das skizzierte Wohnhaus stünden aber die Bestimmungen des PD 6944 (s. Pkt. I.1.) entgegen. Es besteht daher für den Verfassungsgerichtshof kein Zweifel, dass das PD 6944 in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift.

5. Der vorliegende Individualantrag erweist sich daher als zulässig.

III. Erwägungen in der Sache

1. Der Antragsteller äußert gegen das PD 6944 folgende Bedenken:

1.1. Schon im Verfahren zu Erlassung des PD 6944 habe der Antragsteller gegen das PD 6944 Einspruch erhoben und eine Erhöhung der Bauklasse von W I o auf W II o sowie eine Vergrößerung der bebaubaren Fläche beantragt. Er habe schon damals darauf verwiesen, dass im Bereich des Planungsgebietes an allen Straßen und Querungen – insbesondere auch an der Kreuzung Kupelwiesergasse/Wenzgasse – Baukörper mit "höherer Widmung" vorhanden seien und dass die bauliche Ausnützbarkeit seines Grundstücks lediglich 20,27 % betrage. Dieses Ansuchen sei mit einem "ausgearbeiteten Projektentwurf" eingereicht worden. Wider Erwarten sei es letztlich trotz der generell positiven Beurteilung durch die Magistratsabteilungen 19 und 21 sowie der Bezirksvorstehung Hietzing zu keiner Änderung der Bebauungsbestimmungen hinsichtlich seines Grundstücks im PD 6944 gekommen.

1.2. Bei genauer Beurteilung ergebe sich, dass in der Kupelwiesergasse, aber auch in der Wenzgasse überwiegend die Bauklasse III und nur geringfügig die Bauklasse II gelte. Auch für die anderen drei Eckgrundstücke an der Kreuzung Kupelwiesergasse/Wenzgasse sei eine Verbauung in den Bauklassen II und III zugelassen. Lediglich für das Grundstück des Antragstellers gelte die Bauklasse I. Es sei aber durch nichts begründbar, auf seinem in Längsrichtung zur Kupelwiesergasse angeordneten Grundstück die Bauklasse I anzuordnen und dadurch eine Entwertung bzw. Enteignung vorzunehmen, nur weil zufällig ein Nachbar in der Wenzgasse in dieser Bauklasse gebaut habe. Eine sachliche und objektive Begründung dafür, warum der Verordnungsgeber meine, sich an der Verbaubarkeit entlang der Wenzgasse, statt an jener des wohl bedeutenderen Straßenzuges Kupelwiesergasse orientieren zu müssen, sei in den maßgeblichen Dokumenten nicht zu finden. Abgesehen davon würde im Bereich der Kreuzung Kupelwiesergasse/Wenzgasse ein absolut unsymmetrisches und untypisches "Kreuzungs-, Straßen- und Stadtbild" entstehen.

1.3. Hinzu komme, dass die verbaubare Fläche gemäß PD 6944 nur ca. 20 % der Grundstücksfläche betrage. Nach entsprechender Umwidmung könnte die verbaubare Fläche gesetzeskonform aber 33,3 % betragen, was zusammen mit einer Erhöhung der Bauklasse auf II (bei gleichzeitiger Beschränkung der Gebäudehöhe auf 10,50 m) mehr als eine Verdoppelung der Nutzfläche bedeuten würde.

1.4. Die österreichische Bundesverfassung gehe von der grundsätzlichen Anerkennung des Eigentumsrechtes und des Gleichheitsgrundsatzes aus. Die gegenständliche Eigentumsbeschränkung sei unsachlich und schränke die Dispositionsbefugnis des antragstellenden Eigentümers ohne Notwendigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unzumutbar ein.

1.5. Gemäß § 1 Bauordnung für Wien (im Folgenden: WBO) müsse die Vorsorge für Flächen für den erforderlichen Wohnraum in den Vordergrund gestellt werden. Es widerspreche diesen Leitsätzen, dass für das Grundstück des Antragstellers lediglich die Bauklasse I vorgesehen worden sei, weil damit nur eine geringere Anzahl von Wohnungen errichtet werden könne.

2. Die Bedenken treffen nicht zu:

2.1. Dem PD 6944 ist zu entnehmen, dass für die zwei an das Grundstück des Antragstellers nördlich anschließenden Grundstücke (Wenzgasse 17 und 17a) sowie für die schräg gegenüberliegenden Grundstücke Wenzgasse 14-18 ebenfalls die Bauklasse I und eine ähnlich hohe Beschränkung der bebaubaren Fläche festgelegt sind. In Anbetracht dieser Situation – insoweit sind die Entscheidungsgrundlagen bereits aus dem PD 6944 selbst erkennbar – konnte der Verordnungsgeber für das Grundstück des Antragstellers sowohl die Bauklasse I als auch die Bauklasse II festlegen.

2.2. Wenn der Verordnungsgeber sich für die Bauklasse I entschieden hat, dann ist diese Vorgangsweise auch durch § 1 Abs 2 Z 14 WBO gedeckt. Diese Bestimmung fordert die Bedachtnahme auf das Ziel der "Gewährleistung des Bestandes von Gebieten, die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdig sind". Den Verordnungsakten ist zu entnehmen, dass der Magistrat der Stadt Wien im Rahmen der Verordnungserlassung zu der Stellungnahme des Antragstellers (s. Pkt. III.1.1.) gemäß § 2 Abs 7 WBO am folgenden Bericht abgegeben hat:

"Bei der Stellungnahme handelt es sich um eine gewünschte Vergrößerung der bebaubaren Fläche, sowie um eine Erhöhung der Bauklasse. Auf Grund der Sensibilität des Bereiches (schräg gegenüber befindet sich z.B. das architektonisch wertvolle Objekt von Arch. J. Frank und O. Wlach) soll ein Gebäude wie in der gewünschten Größe (ca. zweifache Größe der jetzt zulässigen, bebaubaren Fläche, sowie Erhöhung der Bauklasse) keinesfalls errichtet werden dürfen. Lt. BO für Wien ist allerdings eine geringfügige Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe möglich.

Es wird empfohlen den Plan nicht zu ändern."

In diesem Bericht wurde im Zusammenhang mit dem Grundstück Wenzgasse 18 ebenfalls festgestellt, dass "in der Wenzgasse auf Grund der Nähe zu dem architektonisch bedeutenden Bauwerk von Arch. Frank und Arch. Wlach die Errichtung maßstabsfremder Gebäude zu unterbinden" sei.

Dem Verordnungsgeber kann nicht entgegengetreten werden, wenn er dem öffentlichen Interesse des Ortsbildschutzes iSd § 1 Abs 2 Z 14 WBO im Zusammenhang mit einem architektonisch historisch wertvollen Gebäude mehr Gewicht beigemessen hat als dem Umstand, dass das Grundstück des Antragstellers zum Teil von Grundstücken mit höherer Bauklasse umgeben ist und an sich auch eine höhere bauliche Ausnützbarkeit erlauben würde.

2.3. Dies ganz unabhängig davon, dass die behauptete Benachteiligung auch keine so krasse Benachteiligung des Liegenschaftseigentümers bedeutet, dass sie eine Rechtswidrigkeit des PD 6944 zur Folge haben könnte (anders als VfSlg 13.570/1993).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Der Antrag auf Aufhebung der Verordnung in dem im Pkt. I.2. angegebenen Umfang erweist sich sohin als unbegründet und ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.