VfGH vom 27.06.2001, V29/01

VfGH vom 27.06.2001, V29/01

Sammlungsnummer

16233

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Bausperreverordnung mangels hinreichender Bestimmtheit der Darstellung der angestrebten Ziele im Sinne des Nö Raumordnungsgesetzes

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Wienerwald vom (Bausperre gemäß § 23 NÖ Raumordnungsgesetz 1976), kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 24. Oktober bis , war gesetzwidrig.

Die Niederösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Gemeinde Wienerwald hat am eine Verordnung folgenden Inhalts erlassen:

"§1

Gemäß § 23 NÖ Raumordnungsgesetz legt die Gemeinde Wienerwald eine Bausperre für den, in der dem Verordnungstext beiliegenden und mit dem Hinweis auf diese Verordnung versehenen Plangrundlage, gelb gekennzeichneten Bereich fest.

Dieser Bereich betrifft alle Grundstücke mit der derzeitigen Widmung Grünland in der Katastralgemeinde Dornbach. Wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung ist die angeschlossene Plandarstellung, in welcher der von der Bausperre betroffene Bereich gelb dargestellt ist.

§2

Ziel der Bausperre

Die Gemeinde Wienerwald beabsichtigt für diesen Bereich, die langjährig auf diesem Gelände bestehende Nutzung im Landschaftsschutzgebiet Wienerwald, neu zu überdenken.

Bevor eine Abänderung der festgelegten Widmung erfolgt, muß zunächst überprüft werden, inwiefern eine andere Nutzung, als die derzeit Festgelegte, dem NÖ Raumordnungsgesetz und dem rechtskräftigen örtlichen Raumordnungsprogramm der Gemeinde Wienerwald, insbesondere den darin festgelegten Zielen entspricht.

Das von dieser Bausperre betroffene Areal (der Bereich) befindet sich in der Katastralgemeinde Dornbach, beinhaltet alle, als Grünland-Landwirtschaft im derzeit gültigen Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Grundstücke. Angrenzende, jedoch in anderen Katastralgemeinden einliegende Widmungen sind dadurch nicht betroffen.

Die derzeit rechtskräftige Widmung für den betroffenen Bereich ist Grünland-Landwirtschaft (Gl). Diese Flächen werden derzeit als Wiesen, Weiden und teilweise als Acker genutzt.

Die festgelegte Flächennutzung ergab sich zum Zeitpunkt der Erlassung des örtlichen Raumordnungsprogrammes aufgrund der betriebenen Grundlagenforschung sowie unter Miteinbeziehung des damals rechtskräftigen Flächenwidmungsplanes.

Inwiefern eine Änderung der Flächennutzung allerdings tatsächlich realisierbar ist, muß erst genauer überprüft werden, daher entschließt sich der Gemeinderat hiermit für den entsprechenden Bereich eine Bausperre zu verordnen, insbesondere um diese Überprüfung zu realisieren.

Diese Bausperre gilt entsprechend dem Gesetz nur für solche Maßnahmen, die den Zweck der Bausperre gefährden und sie tritt spätestens nach Inkrafttreten der in Ausarbeitung befindlichen Abänderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bzw. gemäß Abs 2 NÖ Raumordnungsgesetz außer Kraft.

§3

Diese Verordnung tritt gemäß § 59 Abs 2 NÖ Gemeindeordnung, mit dem ersten Tag der Kundmachung in Kraft."

Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 24. Oktober bis kundgemacht.

2. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine zu B2355/98 protokollierte, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:

2.1. Mit Ansuchen vom , eingelangt bei der Gemeinde Wienerwald am , beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 14 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (idF NÖ BauO 1996) die Bewilligung zur Errichtung eines Buschenschankgebäudes, eines Pferdestalles, eines Pferdeunterstandes sowie eines Wohnhauses auf der Liegenschaft EZ 31 (Grundstück Nr. 92 und 93/1), KG Dornbach.

2.2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Wienerwald vom wurde dieser Antrag abgewiesen.

2.3. Die am dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Wienerwald vom mit der Begründung abgewiesen, dass für das gegenständliche Grundstück derzeit eine Bausperre gemäß § 23 Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 1976 (idF NÖ ROG 1976) bestehe.

2.4. Am erhob der nunmehrige Beschwerdeführer Vorstellung gegen diesen Bescheid, welche mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom abgewiesen wurde.

2.5. Gegen diesen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung richtet sich nunmehr die eingangs erwähnte, zu B2355/98 protokollierte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Gesetzwidrigkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Wienerwald vom sowie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) behauptet.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof beschloss aus Anlass dieser Beschwerde am gemäß Art 139 Abs 1 B-VG, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Wienerwald vom (Bausperre gemäß § 23 NÖ ROG 1976) von Amts wegen zu prüfen.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ging dabei vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig sei und er bei seiner Entscheidung darüber die gegenständliche Bausperrenverordnung anzuwenden habe.

1.2. In der Sache legte der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken wie folgt dar:

"Der Verfassungsgerichtshof geht im Hinblick auf die Vorjudikatur (vgl. insbesondere VfSlg. 7287/1974, 9910/1983, 10.953/1986, 14.376/1995 zu Bausperren hinsichtlich beabsichtigter Änderungen des Bebauungsplanes, 11.743/1988 zur Bausperre hinsichtlich einer beabsichtigten Änderung des Raumplanes) vorläufig davon aus, dass die in die Bausperre gemäß § 23 Abs 1 NÖ ROG 1976 aufzunehmende 'Darstellung der anzustrebenden Ziele' die - soweit als möglich konkretisierten - Änderungsabsichten zu umfassen hat, die der geplanten Umgestaltung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes, als dessen wesentlicher Teil der Flächenwidmungsplan (§13 Abs 2 und 3 NÖ ROG 1976) anzusehen ist, zugrunde liegen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur (vgl. VfSlg. 11.743/1988, 13.150/1992, 15.347/1998, ua. auch zur Rechtslage in Niederösterreich) die Auffassung vertreten, dass anlässlich der Verhängung einer Bausperre die beabsichtigten Änderungen des Raumplanes in der kundgemachten Verordnung soweit zum Ausdruck zu bringen sind, dass die Verordnung über die Bausperre einen Maßstab für die baubehördliche Entscheidung im Einzelfall liefert und die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ermöglicht.

Die in der vorliegenden Bausperrenverordnung enthaltenen Aussagen 'Die Gemeinde Wienerwald beabsichtigt für diesen Bereich, die langjährig auf diesem Gelände bestehende Nutzung im Landschaftsschutzgebiet Wienerwald neu zu überdenken' und es 'muss zunächst überprüft werden, inwiefern eine andere Nutzung, als die derzeit Festgelegte, dem NÖ Raumordnungsgesetz und dem rechtskräftigen örtlichen Raumordnungsprogramm der Gemeinde Wienerwald, insbesondere den darin festgelegten Zielen entspricht', scheinen die 'Darstellung der anzustrebenden Ziele' der Bausperre nach § 23 Abs 1 NÖ ROG 1976 nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen und damit die Entscheidung nicht zu ermöglichen, ob eine Baubewilligung nach §§14, 23 NÖ BauO 1996 mit dem zukünftigen, möglicherweise zu ändernden örtlichen Raumordnungsprogramm in Einklang zu bringen und - wenn sie auch nach dem geltenden Flächenwidmungsplan zulässig ist - zu erteilen, oder ob die Baubewilligung mit Rücksicht auf die verhängte Bausperre zu verweigern ist."

2. Die Gemeinde Wienerwald erstattete eine Äußerung, in der sie mitteilte, dass die Bausperrenverordnung gemäß § 23 NÖ ROG 1976 um ein Jahr verlängert worden und am außer Kraft getreten sei.

3. Die Niederösterreichische Landesregierung legte den Verordnungsakt vor und beschloss in ihrer Sitzung vom , im gegenständlichen Verfahren keine Äußerung zu erstatten.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die in Prüfung gezogene Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Wienerwald vom über die Verhängung einer Bausperre ist in dem zu B2355/98 protokollierten, gemäß Art 144 B-VG zulässigen Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof präjudiziell, da mit dem angefochtenen Bescheid das Ansuchen auf Erteilung einer Baubewilligung für die Liegenschaft EZ 31 (Grundstück Nr. 92 und 93/1), KG Dornbach, unter Berufung auf diese Verordnung abgewiesen wurde.

Da auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat - da weder die Gemeinde Wienerwald noch die Niederösterreichische Landesregierung im Verfahren eine Äußerung in der Sache selbst erstatteten - nichts ergeben, was die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung zerstreut hätte.

Der Verfassungsgerichtshof kommt somit zu dem Ergebnis, dass die in Prüfung gezogene Verordnung mit der angenommenen Gesetzwidrigkeit belastet war.

3. Da die Bausperrenverordnung am außer Kraft getreten ist, war auszusprechen, dass die Verordnung gesetzwidrig war.

4. Die Verpflichtung der Niederösterreichischen Landes-regierung zur Kundmachung der Feststellung des Verfassungs-gerichtshofes stützt sich auf Art 139 Abs 5 B-VG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.