VfGH vom 25.11.2013, V17/2013

VfGH vom 25.11.2013, V17/2013

19812

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der vom ASVG abweichenden Regelung der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung über eine zweijährige Verjährungsfrist für die Rückforderung zu Unrecht gewährter Zuschüsse an Dienstgeber/innen aus Mitteln der Unfallversicherung

Spruch

I. Der 2. Satz des § 6 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über Zuschüsse der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau an Dienstgeber/innen für Entgeltfortzahlung (Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung), BGBl Nr II 64/2005, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Der Bundesminister für Gesundheit ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Antrag und Vorverfahren

1. Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 erster Satz B-VG gestützten Antrag begehrt das Arbeits- und Sozialgericht Wien, den 2. Satz des § 6 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über Zuschüsse der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau an Dienstgeber/innen für Entgeltfortzahlung (im Folgenden: Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung), BGBl II 64/2005, als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3. Mit mehreren Bescheiden vom hat die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (beklagte Partei) Anträge der Stadt Wien (klagende Partei) auf Gewährung eines Zuschusses zur Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG für die Arbeitsverhinderung mehrerer Dienstnehmer abgewiesen und zugleich den für die Dienstnehmer zu Unrecht geleisteten Zuschuss gemäß § 6 Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung, zurückgefordert. Gegen diese Bescheide richten sich jeweils Klagen der Stadt Wien mit dem Urteilsbegehren, den jeweiligen Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) wegen "Rechtswidrigkeit aufzuheben"; die AUVA begründete die Rückforderung damit, dass "im Unternehmen der Stadt Wien" entgegen der in § 53b ASVG genannten Voraussetzung für die Zuschüsse, nämlich einer regelmäßigen Beschäftigung von weniger als einundfünfzig Arbeitnehmern, rund 29.000 Mitarbeiter und nicht wie im Antrag der Stadt Wien angeführt worden sei, 36 bzw. 37 Mitarbeiter beschäftigt seien. Dies sei der AUVA erstmals am bekannt geworden. Die Stadt Wien habe dies nicht konkret bestritten; sie habe vielmehr argumentiert, dass die Rückforderung deswegen zu Unrecht erfolgt sei, weil das Recht auf Rückforderung gemäß § 6 Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung verjährt sei bzw. kein Rückforderungstatbestand gemäß § 107 Abs 1 ASVG gegeben sei. Gemäß § 6 der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung habe der Unfallversicherungsträger das Recht, binnen zwei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem ihm bekannt geworden ist, dass der Zuschuss zu Unrecht geleistet wurde, die geleisteten Zuschüsse vom Dienstgeber zurückzufordern. Die Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung sei die speziellere Norm zu § 107 ASVG und das Rückforderungsrecht ausschließlich in § 6 Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung geregelt.

4. Aus Anlass der Behandlung dieser Klage hegt das Arbeits- und Sozialgericht Wien Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung. Diese Bedenken werden vom antragstellenden Gericht wie folgt dargelegt:

"Die Verordnungsermächtigung des § 53b Abs. 4 ASVG ist nach Ansicht des anrufenden Gerichts keine taugliche Grundlage für die Rückforderungsbestimmungen des § 6 der zitierten Verordnung, zumal der Verordnungsgeber in Absatz 4 nur ermächtigt wird, die Gewährung der Zuschüsse und deren Abwicklung zu regeln. Von der Regelung der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Zuschüsse ist in dieser Verordnungsermächtigung nicht die Rede. Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit dieser Verordnung zu erlassen hinsichtlich der Rückforderung kann daher nur die allgemeine Regelung des Artikel 18 Abs. 1 B VG sein, nach der die Verwaltungsbehörden in ihrem Wirkungskreis ermächtigt sind, Verordnungen zur näheren Ausführung von Gesetzen zu erlassen. Artikel 18 Abs. 1 [B-VG] regelt nicht nur eine allgemeine Kompetenz von Verwaltungsbehörden, Gesetze durch Verordnungen näher zu konkretisieren, sondern vor allem die als Legalitätsprinzip bekannte Einschränkung des Verordnungsgebers, dass sich die Verordnung im Rahmen der Gesetze bewegen muss.

Nachdem es sich beim Zuschuss zur Entgeltfortzahlung nach § 53b ASVG zweifelsfrei um eine Leistung eines Sozialversicherungsträgers handelt, gibt es für die Rückforderung einer zu Unrecht erbrachten Geldleistung eines Sozialversicherungsträgers eine eigene gesetzliche Norm in § 107 ASVG. Gemäß Abs. 1 dieser gesetzlichen Bestimmungen hat der Versicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen [...] zurückzufordern, wenn der Zahlungsempfänger bzw. der Leistungsempfänger den Bezug durch bewusst unwahre Angaben, bewusste Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften (§40) herbeigeführt hat oder wenn der Zahlungsempfänger bzw. der Leistungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Gemäß Abs. 2 besteht das Recht auf Rückforderung nach Abs. 1 nicht, wenn der Versicherungsträger zum Zeitpunkt, in dem er erkennen musste, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb der angemessenen Frist unterlassen hat (lit a)) und verjährt binnen drei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist. Nach Abs. 3 kann der Versicherungsträger bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers auf die Rückforderung nach Abs. 1 verzichten oder die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrages in Teilbeträgen zulassen.

§6 der Entgeltzuschussverordnung weicht von § 107 ASVG insofern ab, als einerseits die Rückforderung nach § 6 der Verordnung nicht auf bestimmte Rückforderungstatbestände gestützt werden muss, wie etwa in § 7 auf die bewusste unwahre Angabe oder bewusste Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung von Meldevorschriften oder das Erkennen müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Nach dem Wortlaut des § 6 der Verordnung ist der zu Unrecht geleistete Zuschuss ohne das Hinzutreten der in § 107 ASVG ausgeführten subjektiven Momente des Leistungsempfängers zurückzufordern.

Weiters weicht § 6 der Zuschussverordnung von § 107 ASVG insofern [ab], als die Verjährung des Rechts auf Rückforderung bereits nach zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass der Zuschuss zu Unrecht geleistet wurde, eintritt, während nach § 107 das Recht auf Rückforderung erst binnen drei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, verjährt. Weiters fehlt in § 6 eine der lit a) des Abs. 2 des § 107 ASVG vergleichbare Regelung.

Da sich der § 107 ASVG uneingeschränkt auf alle von einem Versicherungsträger zu Unrecht erbrachten Geldleistungen bezieht, ist die gesetzliche Regelung für die Rückforderung des zu Unrecht erbrachten Zuschusses zur Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG auch in § 107 ASVG zu erblicken. Soweit die Rückforderungsbestimmungen des § 6 Entgeltzuschussverordnung von Rückforderungsbestimmungen des § 107 ASVG abweichen, sind die Regelungen des § 6 der Verordnung gesetzwidrig. Dies gilt jedenfalls für die Verjährungszeit (zwei Jahre nach § 6 der Verordnung im Gegensatz zu drei Jahren nach § 107 Abs. 2 lit b) ASVG) sowie für das Fehlen einer zu § 107 Abs. 2 lit a) ASVG vergleichbaren Regelung. Auch das Fehlen von subjektiven Momenten für das Rückforderungsrecht, wie sie in § 107 Abs. 1 ASVG als erforderlich normiert sind in § 6 der Verordnung erscheint dem anrufenden Gericht gesetzwidrig. Bei einer Wortlautinterpretation erlaubt § 6 der Verordnung eine Rückforderung in jedem Fall, in welchem der Zuschuss objektiv zu Unrecht geleistet wurde, während eine Rückforderung nach § 107 Abs. 1 ASVG nicht möglich ist, wenn die Sozialversicherungsleistung zwar objektiv zu Unrecht gewährt wurde, der Zahlungs- oder Leistungsempfänger jedoch nicht die zu Unrecht erfolgte Auszahlung durch bewusste Verschweigung von Tatsachen oder bewusste unwahre Angaben verursacht hat oder erkennen hätte können, dass die Leistung zu Unrecht bezogen wurde.

Nach Ansicht des anrufenden Gerichts hätte der Verordnungsgeber, um die Gesetzeskonformheit deutlich zu machen, nach dem ersten Satz in § 6 die subjektiven Merkmale für die Rückforderung ergänzend aufnehmen müssen. Da aber beim Verfassungsgerichtshof nur Verordnungsbestimmungen, welche gesetzwidrig sind, aufgehoben werden können, nicht jedoch gesetzeskonforme zusätzliche Regelungen verfügt werden können, kann vom anrufenden Gericht das Fehlen der subjektiven Elemente im Anschluss an den ersten Satz des § 6 Entgeltszuschussverordnung nicht angefochten werden.

Das anrufende Gericht stellt somit nur den Antrag, den vollständigen zweiten Satz von § 6 der Entgeltzuschussverordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Aufgrund des eindeutig von der Verjährungszeitregelung des § 107 Abs. 2 lit b) ASVG abweichenden Regelung ist eine gesetzeskonforme Auslegung dieser Verjährungsbestimmung nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht möglich.

Das erkennende Gericht hat die […] als gesetzwidrig aufzuhebend beantragte Norm im vorliegenden Fall anzuwenden, sie ist präjudiziell für die Entscheidung. Ob eine erfolgreiche Anwendung der Normen beim Verfassungsgerichtshof für eine der Prozessparteien ein günstigeres Prozessergebnis bewirken kann, ist für die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens ohne Belang ([VfSlg] 15.436). Das Arbeits- und Sozialgericht Wien sieht sich daher veranlasst, aufgrund der dargelegten Bedenken einen entsprechenden Prüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen."

5. Der Bundesminister für Gesundheit erstattete eine Äußerung, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

"§53b ASVG regelt den Zuschuss an die DienstgeberInnen aus den Mitteln der gesetzlichen Unfallversicherung zur teilweisen Vergütung des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung von DienstnehmerInnen nach Krankheit oder Unfall. Diese Bestimmung findet sich im ersten (allgemeinen) Teil des ASVG im Abschnitt V, 1. Unterabschnitt, in dem vorwiegend beitragsrechtliche Bestimmungen enthalten sind. Bereits diese Einordnung im Beitrags- und nicht im Leistungsrecht zeigt, dass es sich bei der Gewährung des Zuschusses lediglich um eine Erstattungsaufgabe handelt, die nicht zu den Kernaufgaben der Unfallversicherung zählt (diese finden sich im Dritten Teil des ASVG) und auch keine fachlichen Abhängigkeiten damit aufweist.

Die Bestimmung des § 53b ASVG regelt die Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses, die zeitliche Ausdehnung und die anteilige Höhe des gebührenden Zuschusses (Abs1 bis 3) und enthält in Abs 4 die Verordnungsermächtigung der zuständigen Bundesministerin in Bezug auf 'die Gewährung der Zuschüsse und deren Abwicklung'.

In Kenntnis des Sozialversicherungsrechts wird deutlich, welche Aspekte im sozialversicherungsrechtlichen Zusammenhang mit diesen Begriffen gemeint sind. So enthält der Abschnitt VI im ersten Teil des ASVG unter dem Titel 'Leistungsansprüche' eine Fülle von Regelungen zum Entstehen, zum Anfall, zum Verwirken, zum Ruhen, zur Übertragung, zum Verfall, zur Aufrechnung, zur Auszahlung und zur Rückforderung von Leistungsansprüchen (§§85 bis 107a ASVG).

Es entspricht daher dem Ergebnis einer dem Wortsinn naheliegenden und systematischen Auslegung, unter dem Begriff der Gewährung und dem Begriff der Abwicklung der Zuschüsse auch eine Regelung zur Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zuschüsse zu subsumieren, wie sie in § 6 der gegenständlichen Verordnung enthalten ist. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit findet die beanstandete Bestimmung des § 6 der Entgeltsfortzahlungs-Zuschussverordnung in der gesetzlichen Grundlage des § 53b Abs 4 ASVG Deckung und liegt somit innerhalb der gesetzlich eingeräumten Gestaltungsbefugnis des Verordnungsgebers.

Eine Verletzung des Legalitätsprinzips nach Art 18 B VG liegt somit nicht vor.

b.) Anwendbarkeit der Rückforderungsbestimmung des § 107 ASVG:

Die gesetzliche Bestimmung über die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen des § 107 ASVG findet sich – wie erwähnt – im Abschnitt VI des ersten Teils des ASVG über Leistungsansprüche. Die erste Norm dieses Abschnittes – § 85 ASVG– macht deutlich, um welche Ansprüche es hier geht: 'Die Ansprüche auf Leistungen aus der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung entstehen in dem Zeitpunkt, in dem die im Zweiten, Dritten und Vierten Teil dieses Bundessgesetztes hiefür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind' (§85 Abs 1 ASVG).

Der Zuschuss nach § 53b ASVG ist aber keine Leistung, deren Voraussetzungen im Dritten Teil (dem Unfallversicherungsteil) des ASVG geregelt sind. Der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung findet dort keine inhaltliche Normierung im Sinne einer Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Es gibt dafür nicht einmal einen Versicherungsfall nach § 174 ASVG (Arbeitsunfall und Berufskrankheit), zumal die Krankheit iS des § 53b Abs 2 ASVG keine Berufskrankheit und der Unfall des § 53b Abs 3 ASVG kein Arbeitsunfall zu sein braucht.

Der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung unterscheidet sich auch erheblich von den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung (nach dem Dritten Teil des ASVG):

Anspruchsberechtigt ist nicht der Versicherte oder sein Angehöriger, sondern das jeweilige Unternehmen, das entsprechende DienstnehmerInnen beschäftigt (ein Umstand, der im Regelfall ansonsten im Kern der Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorkommt).

Der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung hat mit einer Leistungserbringung nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit auch sonst außer der Person des 'Financier' nichts gemein.

Es ist daher sach- und systemgerecht, dass sich auch die Voraussetzungen für eine Rückforderung bei zu Unrecht erbrachter Auszahlung nicht nach § 107 ASVG richten, sondern eine spezielle Rückforderungsbestimmung (in Form des § 6 der gegenständlichen Verordnung) besteht.

c.) Inhaltliche Unterschiede in den Rückforderungsbestimmungen:

Die Rückforderungsbestimmung des § 107 ASVG hat mehrere Anwendungstatbestände. Nicht zutreffend ist die Meinung des antragstellenden Gerichtes, § 107 ASVG würde – im Unterschied zu § 6 Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung – durchgehend einen Bezug auf 'subjektive Momente' des Zahlungsempfängers (bewusst unwahre Angaben, bewusste Verschweigung Erkennen-müssen der Ungebührlichkeit) als Voraussetzung für den Rückforderungsanspruch des Versicherungsträgers beinhalten.

So sind Geldleistungen nach § 107 Abs 1 letzter Satz ASVG dann zurückzufordern, 'wenn und soweit sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausstellt, dass sie zu Unrecht erbracht wurden'. Dieser Tatbestand des § 107 ASVG entbehrt wie jener des § 6 der gegenständlichen Verordnung gänzlich jedes 'subjektive Moment' des Zahlungsempfängers.

Zwar wird nach § 107 Abs 2 lit a ASVG das Rückforderungsrecht ausgeschlossen, wenn der Versicherungsträger ab dem Erkennenmüssen, dass die Leistung zu Unrecht erbracht wurde, die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist unterlassen hat, doch verliert dieser Unterschied durch die Verkürzung der Rückforderungsfrist von 3 auf 2 Jahren seine Relevanz. Zudem ist das Bestehen einer solchen 'Aufgriffsobliegenheit' (Fellinger in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, § 107 ASVG RZ26) nicht jeglicher sozialversicherungsrechtlichen Rückforderungsbestimmung immanent und ist etwa auch in § 31 Kinderbetreuungsgeldgesetz nicht enthalten, obwohl sich auch dort das Verfahren nach dem ASVG richtet (§25a KBGG).

Ein eine Gesetzwidrigkeit begründender Widerspruch des § 6 der gegenständlichen Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung zu § 107 ASVG ist bei inhaltlicher und systematischer Betrachtung der Anwendungsgebiete der beiden Normen nicht zu erkennen. Die Unterschiedlichkeit, insbesondere durch den Umstand, dass die Verjährungsfrist für den Rückforderungsanspruch im einen Fall zwei, im anderen Fall hingegen drei Jahre beträgt, ist durch die unterschiedlichen Anwendungsgebiete sachlich begründet und gerechtfertigt.

Zusammenfassend wird daher noch einmal ausgeführt, dass die beanstandete Bestimmung des § 6 der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung innerhalb der gesetzlich eingeräumten Gestaltungsbefugnis des Bundesministers für Gesundheit liegt. Es wird festgehalten, dass § 6 zweiter Satz Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung, BGBl II Nr 2005/64, nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit nicht gesetzwidrig ist."

6. Die beim Arbeits- und Sozialgericht beklagte Partei AUVA erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken, im Wesentlichen mit denselben Argumenten wie der Bundesminister für Gesundheit, entgegentritt.

II. Rechtslage

1. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage nach dem ASVG, BGBl 189/1955 idF BGBl I 139/2013, stellt sich wie folgt dar:

"Zuschüsse an die Dienstgeber/innen

§53b. (1) Den Dienstgeber/inne/n können Zuschüsse aus Mitteln der Unfallversicherung zur teilweisen Vergütung des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung einschließlich allfälliger Sonderzahlungen im Sinne des § 3 EFZG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften an bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt oder der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau unfallversicherte Dienstnehmer/innen geleistet werden.

(2) Abs 1 ist bei Arbeitsverhinderung durch Krankheit so anzuwenden, dass die Zuschüsse gebühren

1. nur jenen Dienstgeber/inne/n, die in ihrem Unternehmen regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer/innen beschäftigen, wobei die Anzahl der Dienstnehmer/innen sinngemäß nach § 77a ASchG zu ermitteln ist,

2. ab dem elften Tag der Entgeltfortzahlung bis höchstens sechs Wochen je Arbeitsjahr (Kalenderjahr), sofern die der Entgeltfortzahlung zugrunde liegende Arbeitsunfähigkeit länger als zehn aufeinanderfolgende Tage gedauert hat, und

3. in der Höhe von 50% des entsprechenden fortgezahlten Entgelts einschließlich allfälliger Sonderzahlungen unter Beachtung der eineinhalbfachen Höchstbeitragsgrundlage (§108 Abs 3).

(3) Abs 1 ist bei Arbeitsverhinderung nach Unfällen so anzuwenden, dass die Zuschüsse gebühren

1. nur jenen Dienstgeber/inne/n, die in ihrem Unternehmen regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer/innen beschäftigen, wobei die Anzahl der Dienstnehmer/innen nach § 77a ASchG zu ermitteln ist,

2. ab dem ersten Tag der Entgeltfortzahlung bis höchstens sechs Wochen je Arbeitsjahr (Kalenderjahr), sofern die der Entgeltfortzahlung zugrunde liegende Arbeitsunfähigkeit länger als drei aufeinanderfolgende Tage gedauert hat, und

3. in der Höhe von 50% des entsprechenden fortgezahlten Entgelts einschließlich allfälliger Sonderzahlungen unter Beachtung der eineinhalbfachen Höchstbeitragsgrundlage (§108 Abs 3).

(4) Die Gewährung der Zuschüsse und deren Abwicklung ist durch Verordnung, welche von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu erlassen ist, zu regeln.

(5) – (7) […].

[…]

Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen

§107. (1) Der Versicherungsträger hat zu Unrecht erbrachte Geldleistungen sowie Aufwendungen für Heilbehelfe und Anstaltspflege und an Stelle von Sachleistungen erbrachte Kostenersätze beziehungsweise bare Leistungen (§§131, 131a, 132 und 150) zurückzufordern, wenn der Zahlungsempfänger (§106) beziehungsweise der Leistungsempfänger den Bezug durch bewußt unwahre Angaben, bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften (§40) herbeigeführt hat oder wenn der Zahlungsempfänger (§106) beziehungsweise der Leistungsempfänger erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Geldleistungen sind ferner zurückzufordern, wenn und soweit sich wegen eines nachträglich festgestellten Anspruches auf Weiterleistung der Geld- und Sachbezüge herausstellt, daß sie zu Unrecht erbracht wurden.

(2) Das Recht auf Rückforderung nach Abs 1

a) besteht nicht, wenn der Versicherungsträger zum Zeitpunkt, in dem er erkennen mußte, daß die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist, die für eine bescheidmäßige Feststellung erforderlichen Maßnahmen innerhalb einer angemessenen Frist unterlassen hat;

b) verjährt binnen drei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, daß die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist.

(3) Der Versicherungsträger kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers,

1. auf die Rückforderung nach Abs 1 verzichten;

2. die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrages in Teilbeträgen zulassen.

(4) Zur Eintreibung der Forderungen der Versicherungsträger auf Grund der Rückforderungsbescheide ist den Versicherungsträgern die Einbringung im Verwaltungswege gewährt (§3 Abs 3 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991).

(5) Das Recht auf Rückforderung nach Abs 1 besteht im Falle des Todes des Anspruchsberechtigten gegenüber allen Personen, die zum Bezug der noch nicht erbrachten Leistungen berechtigt sind, soweit sie eine der im § 107a Abs 1 bezeichneten Leistungen bezogen haben.

[…]

DRITTER TEIL

Unfallversicherung

ABSCHNITT I

Gemeinsame Bestimmungen

Aufgaben

§172. (1) Die Unfallversicherung trifft Vorsorge für die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, für die erste Hilfeleistung bei Arbeitsunfällen sowie für die Unfallheilbehandlung, die Rehabilitation von Versehrten und die Entschädigung nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Die Vorsorge umfaßt auch die Forschung nach den wirksamsten Methoden und Mitteln zur Erfüllung dieser Aufgaben sowie der sonstigen Aufgaben im Bereich der arbeitsmedizinischen Betreuung der Versicherten, soweit deren Durchführung der Unfallversicherung übertragen ist. Darüber hinaus hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen Kosten der arbeitsmedizinischen Betreuung im Sinne des 7. Abschnittes des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG und Zuschüsse zur teilweisen Vergütung des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung nach § 53b zu übernehmen.

(2) Die Rehabilitation umfaßt die im Rahmen der Unfallheilbehandlung vorgesehenen medizinischen Maßnahmen, berufliche Maßnahmen und, soweit dies zu ihrer Ergänzung erforderlich ist, soziale Maßnahmen mit dem Ziel, Versehrte bis zu einem solchen Grad ihrer Leistungsfähigkeit wiederherzustellen, der sie in die Lage versetzt, im beruflichen und wirtschaftlichen Leben und in der Gemeinschaft einen ihnen angemessenen Platz möglichst dauernd einnehmen zu können.

Leistungen

§173. Als Leistungen der Unfallversicherung werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt:

1. im Falle einer durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachten körperlichen Schädigung des Versicherten:

a) Unfallheilbehandlung (§§189 bis 194 und 197);

b) Familien- und Taggeld sowie besondere Unterstützung (§§195, 196);

c) berufliche und soziale Maßnahmen der Rehabilitation (§§198 bis 201);

d) Beistellung von Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§202);

e) Versehrtenrente (§§203 bis 205a, 207 bis 210);

f) Übergangsrente und Übergangsbetrag (§211);

g) Versehrtengeld (§212);

h) Witwen(Witwer)beihilfe (§213);

i) Integritätsabgeltung (§213a);

2. im Falle des durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachten Todes des Versicherten:

a) Teilersatz der Bestattungskosten (§214);

b) Hinterbliebenenrenten (§§215 bis 220);

3. im Falle einer durch eine Krankheit oder einen Unfall verursachten Arbeitsverhinderung des/der Versicherten:

Zuschüsse zur teilweisen Vergütung des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung nach § 53b."

2. Die Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über Zuschüsse der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau an Dienstgeber/innen für Entgeltfortzahlung (Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung), BGBl II 64/2005, lautet auszugsweise wie folgt (der angefochtene Teil der Norm ist hervorgehoben):

"Auf Grund des § 53b Abs 4 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 179/2004, wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit verordnet:

Gegenstand

§1. Diese Verordnung regelt die Gewährung der Zuschüsse nach § 53b ASVG und deren Abwicklung.

Zuschussberechtiger Dienstgeber/innen/kreis

§2. (1) Zuschussberechtigt sind alle Dienstgeber/innen, einschließlich der Dienstgeber/innen von Lehrlingen, die ihren bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt oder der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau unfallversicherten Dienstnehmer/inne/n Entgeltfortzahlung nach § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl Nr 399/1974, oder nach vergleichbaren österreichischen Rechtsvorschriften geleistet haben, soweit diese Dienstnehmer/innen in Unternehmen nach Abs 2 beschäftigt werden.

(2) Als Unternehmen im Sinne des § 53b Abs 2 Z 1 und Abs 3 Z 1 ASVG gelten solche, in denen regelmäßig insgesamt weniger als 51 Dienstnehmer/innen beschäftigt werden, wobei die Zählung nach Abs 4 erfolgt.

(3) – (4) […]

Antragstellung

§3. Die Zuschüsse werden nur auf Antrag nach Ende der Entgeltfortzahlung gewährt. Der Antrag, der nach Möglichkeit mittels elektronischer Datenfernübertragung zu stellen ist, hat alle für die Gewährung und Abwicklung der Zuschüsse maßgeblichen Daten zu enthalten, und zwar insbesondere:

1. – 4. […]

[…]

Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zuschüsse

§6. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau haben zu Unrecht geleistete Zuschüsse vom Dienstgeber/von der Dienstgeberin zurückzufordern. Das Recht auf Rückforderung verjährt binnen zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass der Zuschuss zu Unrecht geleistet wurde. Der Versicherungsträger kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insbesondere in Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Dienstgebers/der Dienstgeberin, auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichten oder die Rückzahlung des zu Unrecht gezahlten Zuschusses in Teilbeträgen zulassen."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B VG bzw. Art 139 B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Es ist nicht denkunmöglich, dass das antragstellende Gericht die angefochtene Verordnungsbestimmung im Ausgangsverfahren anzuwenden hat. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet. Das vom antragstellenden Gericht relevierte Bedenken des Verstoßes gegen Art 18 B-VG trifft zu:

2.2.1. Nach der Bundesverfassung (Art18 Abs 2 B VG) sind Verordnungen "auf Grund der Gesetze" zu erlassen. Das bedeutet, dass eine Verordnung bloß präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (vgl. etwa VfSlg 11.639/1988 mwN, VfSlg 14.895/1997).

2.2.2. § 53b ASVG wurde mit BGBl I 155/2002 in das ASVG eingefügt und sah zunächst vor, dass den Dienstgebern Zuschüsse aus Mitteln der Unfallversicherung zur teilweisen Vergütung des Aufwands für die Entgeltfortzahlung an Dienstnehmer nach Unfällen geleistet werden. Mit dem 3. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz (SVÄG) 2004, BGBl I 171/2004, erfolgte eine Erweiterung der Zuschussregelung bei Entgeltfortzahlung auch auf krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen. Zugleich wurden die Zuschüsse gemäß § 53b ASVG in den Leistungskatalog der Unfallversicherung (§173 Z 3 ASVG) aufgenommen. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien (RV703 BlgNR 22. GP, 14) ergibt, sollte durch die Zuschüsse gemäß § 53b ASVG nach Abschaffung des Entgeltfortzahlungsfonds auftretenden Problemen in Kleinbetrieben entgegengewirkt werden.

2.2.3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zur Rechtslage vor den Änderungen durch das 3. SVÄG, insbesondere vor der ausdrücklichen Aufnahme der Zuschüsse gemäß § 53b ASVG in den Leistungskatalog des § 173 ASVG, mehrfach ausgesprochen, dass Streitigkeiten über Ansprüche auf Zuschüsse an die Dienstgeber nach Entgeltfortzahlung iSd § 53b ASVG Leistungssachen nach § 354 ASVG sind und daher im Wege der sukzessiven Kompetenz den Arbeits- und Sozialgerichten zur Beurteilung zugewiesen sind (; , 2 Ob 170/08a). Dabei hat der Oberste Gerichtshof (in Ablehnung der vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, VwSlg. 16.534 A/2005, der aus Anlass der Behandlung einer derartigen Rechtsache offenbar implizit den Verwaltungsweg für zulässig erachtete) betont, dass es sich bei diesen Ansprüchen um Leistungsansprüche aus der Unfallversicherung nach dem ASVG handelt und dass dies mit der Ergänzung des § 173 ASVG durch das 3. SVÄG bloß klargestellt worden sei. Die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof in seiner Äußerung vertretene Auffassung des Bundesministers für Gesundheit, dass die Gewährung von Zuschüssen gemäß § 53b ASVG "nicht zu den Kernaufgaben der Unfallversicherung" zähle und dass es sich nicht um eine Leistung an den in der Unfallversicherung versicherten Personenkreis der Dienstnehmer handle, geht an dieser nunmehr klaren Rechtslage vorbei.

2.2.4. Da auch die Rückforderung von Versicherungsleistungen gemäß § 107 ASVG gemäß § 354 Z 2 ASVG iVm § 65 Abs 1 Z 2 ASGG eine Leistungssache ist, kann § 107 ASVG nur dahin ausgelegt werden, dass der im Einleitungssatz dieser Bestimmung verwendete Begriff der (zu Unrecht erbrachten) Geldleistungen eine Teilmenge des in § 354 Z 1 und Z 2 ASVG verwendeten Begriffs der Versicherungsleistungen ist, wobei letzterer Begriff auch die Sachleistungen mitumfasst. Daher richtet sich die Rückforderung einer Geldleistung der Unfallversicherung iSd § 53b ASVG, hinsichtlich derer weder in der letztgenannten Bestimmung noch sonst im ASVG eine Sonderregelung enthalten ist, nach § 107 ASVG.

2.3. Das weitere, ohne einen gesonderten Aufhebungsantrag vorgebrachte Bedenken, die verordnungsgebende Bundesministerin hätte in die Verordnung auch "die subjektiven Merkmale der Rückforderung (ersichtlich gemeint: des § 107 Abs 1 ASVG) ergänzend aufnehmen müssen" lässt im Übrigen nicht erkennen, durch welche Bestimmung der Verordnung sich das antragstellende Gericht an der unmittelbaren Anwendung der subjektiven Voraussetzungen des § 107 Abs 1 ASVG gehindert sieht, soweit es diese für geboten erachtet.

2.4. Nach § 107 Abs 2 litb leg.cit. verjährt das Recht auf Rückforderung binnen drei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Versicherungsträger bekannt geworden ist, dass die Leistung zu Unrecht erbracht worden ist. Da weder § 53b ASVG noch sonst eine Bestimmung den Verordnungsgeber dazu ermächtigt, von § 107 ASVG abweichende Regelungen zu treffen, erweist sich § 6 der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung, der die Verjährungsfrist auf zwei Jahre beschränkt, wegen Verstoßes gegen § 107 Abs 2 litb ASVG als gesetzwidrig.

IV. Ergebnis

1. Der 2. Satz des § 6 der Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über Zuschüsse der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau an Dienstgeber/innen für Entgeltfortzahlung (Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung), BGBl II 64/2005, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Gesundheit zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art 139 Abs 5 erster Satz B VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 4 Z 4 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2013:V17.2013