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VfGH vom 12.12.2016, V164/2015

VfGH vom 12.12.2016, V164/2015

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Widmung eines Grundstücks als Verkehrsfläche in einem Wiener Plandokument; Interessenabwägung zwischen privaten Interessen der Grundeigentümer und öffentlichen Interessen vorgenommen

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art 139 Abs 1 Z 1 B VG gestützten Antrag begehrt der Verwaltungsgerichtshof, "die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom , Pr. Zl. 383/00-GPZ, Plandokument Nr 7195 (Beschlussfassung bekanntgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr 52/2000), insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als sie sich auf das innerhalb des durch die Schafflerhofstraße im Osten, die Cortigasse im Norden, die Gartenheimstraße im Nordwesten und die Esslinger Hauptstraße im Süden begrenzten Bereiches als '§53' bezeichnete Gebiet bezieht".

II. Rechtslage

1. In Ansehung des Verfahrens, in welchem der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Gemeinde Wien, Plandokument 7195, (im Folgenden: PD 7195) erlassen wurde, ist als Prüfungsmaßstab die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltende Fassung der Bauordnung für Wien, LGBl 11/1930, (im Folgenden: BO) maßgeblich (vgl. VfSlg 14.135/1995).

1.1. § 1 Abs 4 BO idF LGBl 10/1996 lautete:

"(4) Abänderungen dürfen nur aus wichtigen Rücksichten vorgenommen werden. Diese liegen insbesondere vor, wenn bedeutende Gründe, vor allem auf Grund der Bevölkerungsentwicklung oder von Änderungen der natürlichen, ökologischen, wirtschaftlichen, infrastrukturellen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten, für eine Abänderung sprechen, gegebenenfalls auch im Hinblick auf eine nunmehr andere Bewertung einzelner Ziele, auf die bei der Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne Bedacht zu nehmen ist."

1.2. § 4 Abs 2 Punkt D BO idF LGBl 44/1996 lautete:

"D. Sondergebiete:

a) Ausstellungsgelände;

b) Grundflächen für Klär- und Rückstauanlagen;

c) Grundflächen für Wasserbehälter;

d) Freistreifen;

e) Zeltplätze;

f) Lagerplätze und Ländeflächen, in denen örtlich begrenzte Teile zusätzlich bestimmten Lagerungen vorbehalten oder von solchen ausgenommen werden können;

g) sonstige Grundflächen für die Errichtung bestimmter, nicht unter eine andere Widmung fallender Gebäude beziehungsweise für nicht unter eine andere Widmung fallende Nutzungen."

1.3. § 53 BO idF LGBl 46/1998 lautete:

"Verpflichtung der Anlieger zur Herstellung und Erhaltung von Straßen

§53. (1) Dienen neue Verkehrsflächen ausschließlich oder vorwiegend der besseren Aufschließung der anliegenden Grundflächen, kann anläßlich der Festsetzung des Bebauungsplanes angeordnet werden, dass diese Verkehrsflächen von den Eigentümern (Miteigentümern) der anliegenden Bauplätze, Baulose oder Kleingärten nach den Anordnungen der Gemeinde hergestellt, erhalten, gereinigt, beleuchtet und ebenso die notwendigen Einbauten hergestellt und erhalten werden.

(2) Kommen die Eigentümer diesen Verpflichtungen nicht nach und wird die Leistung nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt, so werden die Kosten der Ersatzvornahme unbeschadet des Rückgriffsrechtes der Eigentümer untereinander auf die einzelnen Eigentümer nach den Frontlängen der Baulinien aufgeteilt.

(3) Übernimmt die Gemeinde diese Verpflichtungen, haben die Eigentümer (Miteigentümer) die zur Verkehrsfläche entfallenden Grundflächen ohne Anspruch auf Entschädigung vorher an die Gemeinde abzutreten."

2. Der Enteignungsbescheid vom (s. Pkt. III.1.4.) stützt sich auf § 39 Abs 5 BO. Der Parapraph, dessen Überschrift "Verkehrsflächen und öffentliche Aufschließungsleitungen" lautet, findet sich im 3. Teil der BO, der mit "Enteignungen" überschrieben ist. Mit LGBl 61/2006 wurde der bis heute in Geltung stehende Abs 5 dem § 39 BO neu hinzugefügt:

"(5) Grundflächen, die zu Verkehrsflächen gemäß § 53 oder zu Aufschließungswegen in Gartensiedlungsgebieten entfallen, können auf Antrag eines Abteilungswerbers zu seinen Gunsten zum Zweck der Schaffung von Trennstücken enteignet werden, wenn er nach den Bestimmungen des § 16 Abs 2 bzw. des § 53 Abs 3 verpflichtet ist, diese Trennstücke der Einlage des angrenzenden Bauplatzes, Bauloses oder Kleingartens zuzuschreiben."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof sind Miteigentümer des Grundstückes 133/1, KG Eßling, das nur von als Bauland gewidmeten Grundstücken umgeben und über ein Weggrundstück 133/17 (öffentliches Gut) mit der Schafflerhofstraße verbunden ist. Das Grundstück 133/1 ist im PD 7195 als Verkehrsfläche gemäß § 53 BO ausgewiesen.

1.2. Nordwestlich (teils unmittelbar angrenzend) liegt das Grundstück 119/6, KG Eßling, der im Anlassverfahren mitbeteiligten Partei. Diese beantragte mit Schreiben vom beim Magistrat der Stadt Wien gemäß § 39 Abs 5 BO die Enteignung eines Teiles des Grundstückes 133/1 für die Schaffung eines Trennstückes.

1.3. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens sprachen sich gegen die Enteignung aus und machten geltend, dass die Zufahrt von ihnen nicht gestattet werde, da die Straße samt Kanal, Gas, Wasser und Strom von ihnen errichtet und bezahlt worden sei. Sie wendeten sich im Enteignungsverfahren insbesondere auch gegen die Widmung ihres Grundstückes 133/1 als Verkehrsfläche nach § 53 BO, da sie nicht in das Widmungsverfahren einbezogen worden wären. Sie hätten das Nutzungsrecht für die gesamte Verkehrsfläche nie abgegeben. Ebenso wären sie gegen ein Servitutsrecht.

1.4. Mit Bescheid vom wurde eine Teilfläche des Grundstückes 133/1 im Ausmaß von 46 m², die zuvor im Miteigentum der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens gestanden war, zugunsten der im Anlassverfahren beteiligten Partei für die Schaffung eines Trennstückes gemäß § 39 Abs 5 BO enteignet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Argumente gegen die Enteignung ins Leere gingen, da für den Enteignungswerber gemäß § 53 Abs 3 BO die Verpflichtung bestehe, auf dem Grundstück 133/1 ein Trennstück zu schaffen, unabhängig davon, ob eine andere Zufahrt zu seiner Liegenschaft [als Fahnengrundstück] möglich sei oder die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens den Ausbau des Weggrundstücks 133/17 finanziert hätten. Solange das PD 7195 in Kraft sei, sei es als Grundlage für Grundabteilungsverfahren heranzuziehen. Eine Bekämpfung der Bebauungsbestimmungen sei nur beim Verfassungsgerichtshof möglich.

1.5. In ihrer gegen diesen Bescheid zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde machten die Beschwerdeführer eine Verfassungswidrigkeit der angewendeten Enteignungsregelungen (§39 Abs 5 in Verbindung mit § 53 Abs 3 BO) geltend und beantragten, den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom , B1675/10-11, gemäß Art 144 Abs 2 B VG ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Zur geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen führte er Folgendes aus:

"Das Gebot der 'Subsidiarität der Enteignung' ist nicht so zu verstehen, dass Enteignungen selbst dann zu vermeiden sind, wenn das öffentliche Interesse anders nur in geringerem Maße erreicht werden kann; von mehreren Alternativen muss nur dann jene gewählt werden, die eine Enteignung vermeidet, wenn die Alternativen gleichwertig sind (vgl. ; , 93/06/0198), Daraus kann ein Abwägungsgebot bei Planungsmaßnahmen abgeleitet werden (Aicher, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Enteignung, 9. ÖJT, Bd. I/1, 1985). Der Gesetzgeber hat diesem Gebot auch insofern Rechnung getragen, als er einen Abwägungsprozess zwar nicht im Rahmen der Enteignungsregelung gemäß § 39 Abs 5 iVm § 53 Abs 3 WBO angeordnet hat, aber eine Widmung nach § 53 WBO Voraussetzung ist. Im Verfahren zur Festlegung dieser Widmung ist – neben der Berücksichtigung des Sachlichkeitsgebotes – eine Abwägung öffentlicher und privater Interessen zwingend vorgesehen (VfSlg 13.282/1992, 13.570/1993)."

2. Bei der Behandlung der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde sind diesem Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der Festlegung einer Verkehrsfläche gemäß § 53 BO für das verfahrensgegenständliche Grundstück in der in Pkt. I.1. bezeichneten Verordnung entstanden. Der Verwaltungsgerichtshof legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"Gemäß § 1 Abs 1 dritter Satz BO, LGBl Nr 11/1930 in der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des im Beschwerdefall maßgeblichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplans, Plandokument Nr 7195, geltenden Fassung LGBl Nr 10/1996, obliegt die Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne dem Gemeinderat. Nach Abs 4 dieser Bestimmung dürfen Abänderungen nur aus wichtigen Rücksichten vorgenommen werden. Diese liegen insbesondere vor, wenn bedeutende Gründe, vor allem auf Grund der Bevölkerungsentwicklung oder von Änderungen der natürlichen, ökologischen, wirtschaftlichen, infrastrukturellen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten, für eine Abänderung sprechen, gegebenenfalls auch im Hinblick auf eine nunmehr andere Bewertung einzelner Ziele, auf die bei der Festsetzung und Abänderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne Bedacht zu nehmen ist.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) zu § 1 Abs 1 (nunmehr: Abs 4) BO können die Rücksichten, die für eine Abänderung sprechen, nur dann als so wichtig angesehen werden, dass sie die Abänderung erfordern, wenn sie die Summe aller dagegenstehenden Rücksichten überwiegen, wenn sie also gewichtiger sind als die dagegenstehenden Rücksichten (vgl. das Erkenntnis vom , VfSlg 3297). Unter den 'wichtigen Rücksichten' sind keineswegs nur die öffentlichen Interessen zu verstehen; so können die Interessen der Grundeigentümer an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes so gewichtig sein, dass sie ein öffentliches Interesse an der Erlassung eines neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes überwiegen (vgl. das Erkenntnis vom , VfSlg 3809). Der Verordnungsgeber hat das Vorliegen der 'wichtigen Rücksichten' zu überprüfen und die hiezu erforderliche Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. das Erkenntnis vom , VfSlg 13.570).

Diese zur Rechtslage vor der Novelle LGBl Nr 10/1996 ergangene Rechtsprechung ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch auf § 1 Abs 4 BO in der Fassung dieser Novelle, mit welcher der Landesgesetzgeber den Begriff 'wichtige Rücksichten' näher konkretisiert hat, zu übertragen. Auch diese Bestimmung ermöglicht es dem Verordnungsgeber nicht, einen einmal beschlossenen Flächenwidmungsplan nach Belieben wieder abzuändern, vielmehr gebietet es nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes der Gleichheitssatz, dass ein einmal erlassener Flächenwidmungsplan nur aus einem sachlich gerechtfertigten Grund und nur nach Abwägung der für die Planänderung sprechenden öffentlichen Interessen mit den für den Bestand des Plans sprechenden privaten Interessen abgeändert werden darf (vgl. das zum Salzburger Raumordnungsgesetz ergangene Erkenntnis des VISIg. 15.300, mwH).

Im Lichte dieser Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof auch in seinem oben zitierten Ablehnungsbeschluss vom ausgeführt, dass im Verfahren zur Festlegung der Widmung nach § 53 BO – neben der Berücksichtigung des Sachlichkeitsgebotes – eine Abwägung öffentlicher und privater Interessen zwingend vorgesehen ist.

Wie sich aus dem Bezug habenden Verordnungsakt ergibt, hat der Wiener Gemeinderat mit dem Plandokument Nr 7195 mehrere bis dahin gültige Flächenwidmungs- und Bebauungspläne aufgehoben und einen neuen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgesetzt. Der mit diesem Plandokument unter anderem aufgehobene, auf einem Beschluss des Gemeinderates vom beruhende Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, Plandokument Nr 6495, von dessen Geltung der Gemeinderat bei seiner Beschlussfassung ausging, sah für das verfahrensgegenständliche Grundstück Nr 133/1 die Widmung 'Sondergebiet' vor. Das Grundstück war zudem mit 'BB9' bezeichnet, weshalb es gemäß Punkt 4.9. des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument Nr 6495, von ober- und unterirdischer Bebauung freizuhalten war. Weiters war seine Oberfläche so herzustellen, dass ein Befahren durch Kraftfahrzeuge mit einem Achsdruck von 11 t möglich ist, und es waren die Anordnung von Stellplätzen und die Errichtung von Einfriedungen an der Straßenfluchtlinie untersagt.

In seinem an den Gemeinderat gerichteten Antrag vom betreffend die Festsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plandokument Nr 7195, führte der Magistrat der Stadt Wien im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Grundstück Nr 133/1 aus, dass im Bereich S.-Straße 3-7 durch die Ausweisung einer der verbesserten Aufschließung dienenden Verkehrsfläche gemäß § 53 BO die Schaffung einer Wendemöglichkeit auf privatem Grund ermöglicht werden solle, wobei die bestehenden Eigentumsverhältnisse im Wesentlichen aufrechterhalten werden könnten.

Damit wurde zwar das öffentliche Interesse an der Festlegung einer Verkehrsfläche gemäß § 53 BO dargelegt. Auf die Interessen der Beschwerdeführer als Miteigentümer des betroffenen Grundstückes an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes wurde hingegen überhaupt nicht eingegangen, obwohl erst durch die Festlegung einer Verkehrsfläche gemäß § 53 BO eine Enteignung nach den Bestimmungen der §§39 Abs 5 und 53 Abs 3 BO ermöglicht wird. Insofern trifft auch die Annahme, die bestehenden Eigentumsverhältnisse könnten im Wesentlichen aufrechterhalten werden, nicht zu.

Der Verordnungsgeber hat somit die zur Prüfung der Frage des Vorliegens 'wichtiger Rücksichten' im Sinn des § 1 Abs 4 BO zwingend vorzunehmende Interessenabwägung unterlassen und insbesondere auch den Umstand, dass die Umwidmung zu einer Enteignung der betroffenen Grundstückseigentümer führen kann, nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund erweist sich der Flächenwidmungs-und Bebauungsplan, Plandokument Nr 7195, im beantragten Umfang als gesetzwidrig."

3. Die Beschwerdeführer des Anlassverfahrens stimmten in ihrer Äußerung dem Verwaltungsgerichtshof vollinhaltlich zu. Der Gemeinderat der Stadt Wien legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er dem Antrag entgegentritt und beantragt, den Antrag auf teilweise Aufhebung des PD 7195 abzuweisen. Die Wiener Landesregierung schloss sich dieser Äußerung vollinhaltlich an.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 139 Abs 1 Z 1 B VG bzw. des Art 140 Abs 1 Z 1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen des PD 7195 zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag daher als zulässig.

2. In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art 139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

Der Antrag ist nicht begründet:

2.1. In den Verordnungsakten der Plandokumente 7195 und 6495 – das PD 7195 folgte dem PD 6495 nach – ist Folgendes dokumentiert:

2.1.1. In der "Darstellung der Rechtslage zum PD 6495" ist noch eine Erschließung der Grundstücke der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens durch eine Straßenschleife ausgewiesen. Im Zuge des Verordnungserlassungsverfahrens zum PD 6495 wurde die Straßenschleife durch eine Stichstraße (133/17, öffentliches Gut) mit einer Wendefläche (heute 133/1, Miteigentum) ersetzt. Für die Wendefläche war im Erstentwurf des neuen PD 6495 zunächst vorgesehen, dass sie "mit Ausnahme erforderlicher Rangier- und Gehflächen bzw. der Anordnung von Pflichtstellplätzen gärtnerisch auszugestalten" sei. Die (damaligen) Eigentümer der Liegenschaft 133/1, die im Verordnungserlassungsverfahren durch einen Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen vertreten waren, regten eine Ausweisung "P" ("Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen") an. Letztlich wurde vom Magistrat der Stadt Wien (MA 21C) im Bericht gemäß § 2 Abs 7 BO vorgeschlagen, die Wendefläche als Sondergebiet auszuweisen, um "baurechtlich eindeutige Verhältnisse zu schaffen". Am beschloss der Gemeinderat für die Wendefläche die Widmung "Sondergebiet" mit der besonderen Bebauungsbestimmung BB9: Die Wendefläche war von ober- und unterirdischer Bebauung freizuhalten und die Oberfläche war so herzustellen, dass ein Befahren durch Kraftfahrzeuge mit einem Achsdruck von 11 t möglich war; es waren die Anordnung von Stellplätzen und die Errichtung von Einfriedungen an der Straßenfluchtlinie untersagt.

2.1.2. Im Jahr 2000 sprachen – völlig unabhängig von dem verfahrensgegenständlichen Grundstück – maßgebliche Entwicklungen und Planungen für eine Überarbeitung des Flächenwidmungs- und Bebaungsplanes PD 6495, dessen Gültigkeit an sich bis befristet war. Die Magistratsabteilung 64 – zuständig für rechtliche Bau-, Energie-, Eisenbahn- und Luftfahrtangelegenheiten – gab im Verordnungserlassungsverfahren zur geplanten Nachfolgeregelung, dem PD 7195, folgende Stellungnahme betreffend das verfahrensgegenständliche Grundstück ab:

"Im Bereich der Schafflerhofstraße 3-7 soll durch die Ausweisung der Widmung 'Sondergebiet - Umkehrplatz' die Schaffung einer Wendemöglichkeit auf privatem Grund ermöglicht werden.

Diese Festsetzung müsste unter § 4 Abs 2 Punkt D litg BO subsumiert werden, wonach für sonstige Grundflächen für die Errichtung bestimmter, nicht unter eine andere Widmung fallender Gebäude beziehungsweise für nicht unter eine andere Widmung fallende Nutzungen die Widmung Sondergebiet ausgewiesen werden kann.

Bei einem Umkehrplatz für KFZ handelt es sich jedoch um eine Verkehrsfläche; es sind daher andere Widmungen möglich. Für den Fall, dass die Stadt Wien nicht die Herstellungs- und Erhaltungspflicht übernimmt und der Umkehrplatz nicht als öffentliches Gut ausgewiesen wird, ist zumindest eine § 53-Straße festzusetzen. Dem Motivenbericht ist zu entnehmen, dass der Umkehrplatz vorwiegend der besseren Aufschließung der angrenzenden Grundflächen dient. Die Voraussetzungen des § 53 BO für die Festsetzung einer § 53-Straße sind somit erfüllt. In diesem Fall sind die Anrainer die Träger der Straßenbaulast, sodass das angestrebte Ziel ohne die für die vorliegenden Gegebenheiten unzulässige Festsetzung 'Sondergebiet - Umkehrplatz' erreicht wird."

In ihrem Bericht gemäß § 2 Abs 7 BO vom fasst die Magistratsabteilung 21C diese Stellungnahme mit den Worten "Die Widmung 'Sondergebiet/Umkehrplatz' ist nicht zulässig" zusammen und schlägt vor:

"Die Widmung Sondergebiet soll nicht mehr weiterverfolgt werden. Da die Fläche der verbesserten Aufschließung dient, wird der Vorschlag einer § 53-Straße aufgenommen. Damit ist auch für eine Wendemöglichkeit für die Entsorgungsfahrzeuge der Magistratsabteilung 48 Vorsorge getroffen."

Am beschloss der Gemeinderat die Ausweisung einer Fläche gemäß § 53 BO für das verfahrensgegenständliche Grundstück. Im Vorlagebericht wird dazu ausgeführt:

"Im Bereich Schafflerhofstraße 3-7 soll durch die Ausweisung einer der verbesserten Aufschließung dienenden Verkehrsfläche gemäß § 53 BO für Wien die Schaffung einer Wendemöglichkeit auf privatem Grund ermöglicht werden, wobei die bestehenden Eigentumsverhältnisse im Wesentlichen aufrecht erhalten werden können."

2.2. Bei der Erlassung des PD 7195 wurden gesetzliche Bestimmungen nicht verletzt:

Mit der BO-Novelle 1956, LGBl 28, wurden die gemäß § 4 BO möglichen Widmungen durch eine vierte Gruppe "D. Sondergebiete" erweitert, "die alle in die übrigen Gruppen nicht einzuordnenden, jedoch erforderlichen Widmungen erfaßt" (RV 302/56 BlgLT, 2). Auch zum Zeitpunkt der Erlassung des PD 7195 war gemäß § 4 Abs 2 Punkt D litg BO idF LGBl 44/1996 eine Widmung als Sondergebiet nur für "sonstige Grundflächen [...] für nicht unter eine andere Widmung fallende Nutzungen" zulässig. Im Verordnungserlassungsverfahren zum PD 7195 wurde auf Grund einer Stellungnahme der MA 64 festgestellt, dass eine andere raumordnungsrechtliche Einordnung der verfahrensgegenständlichen Grundfläche, nämlich die Festlegung einer § 53-Verkehrsfläche im Bauland, exakt der geplanten Nutzung entsprechen würde. Die Widmung der Verkehrsfläche als "Sondergebiet" hätte daher § 4 Abs 2 Punkt D litg BO widersprochen. Mit der BO-Novelle LGBl 46/1998 war zudem die Antragspflicht der Eigentümer für die Festlegung von § 53-Verkehrsflächen weggefallen, sodass dem Gemeinderat eine Festlegung der verfahrensgegenständlichen Grundfläche als § 53-Verkehrsfläche im Bauland auch "von Amts wegen" möglich war. Unter diesen Umständen war der Gemeinderat als Verordnungsgeber – unabhängig von den in der BO demonstrativ aufgezählten Kriterien für die Änderung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes – nicht nur berechtigt, sondern nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf Grund des Art 18 B VG sogar verpflichtet, die rechtswidrige Widmung zu korrigieren (vgl. VfSlg 12.555/1990, 16.323/2001; zur BO für Wien: VfSlg 16.541/2002).

Entgegen den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes hat die verordnungserlassende Behörde auch die privaten Interessen der Beschwerdeführer gegenüber den öffentlichen Interessen abgewogen:

Die Bewahrung ihres Grundeigentums ist das primäre Interesse der beschwerdeführenden Parteien des Anlassverfahrens. Dieses wurde schon im Jahr 1993 in den Stellungnahmen im Verordnungserlassungsverfahren zum PD 6495 deutlich artikuliert und wird von ihnen im Rechtsweg gegen den Enteignungsbescheid aus dem Jahr 2010 weiter verfolgt. Der Gemeinderat hatte als Verordnungsgeber des PD 7195 – wie aus obigem Absatz hervorgeht – von Gesetzes wegen aber nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Anordnung einer Übernahme der Herstellungs- und Erhaltungskosten durch die Gemeinde Wien verbunden mit einer Abtretung der Grundfläche zur Gänze in das öffentliche Gut (§53 Abs 3 BO) oder die Festlegung einer im Privateigentum verbleibenden § 53-Verkehrsfläche. Indem der Gemeinderat sich für diese zweite Variante einer § 53-Verkehrsfläche entschied, hat er die Interessen der beschwerdeführenden Parteien insofern möglichst berücksichtigt, weil bei dieser Variante lediglich eine Enteignung einer Teilfläche von 46 m² erforderlich war, wohingegen sonst eine Fläche von 264 m 2 ins öffentliche Gut abzutreten gewesen wäre. Dass der Verordnungsgeber diese Interessenabwägung vorgenommen hat, erschließt sich auch aus dem Vorlagebericht vom , in dem festgehalten ist, dass durch diese Lösung "die bestehenden Eigentumsverhältnisse im Wesentlichen aufrecht erhalten werden können" (worunter auch zu verstehen war, dass die Grundflächen nicht ins öffentliche Gut übertragen werden müssen, es sich also weiter um privates Eigentum handelt).

V. Ergebnis

1. Die vom Verwaltungsgerichtshof ob der Gesetzmäßigkeit des PD 7195 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:V164.2015