VfGH vom 29.11.1993, V111/92
Sammlungsnummer
13600
Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes hinsichtlich der Widmung "Freiland" für die zuvor als Bauland ausgewiesenen Grundstücke der Antragsteller im Hinblick auf die Lage der - unverbauten - Grundstücke im Freiland und die im Tir RaumOG aufgestellten Raumordnungsziele
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Antragsteller sind Eigentümer bzw. Miteigentümer der Grundstücke Nr. 1336/4 und 1335/8, KG Reith im Alpbachtal. Sie beantragen gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Reith im Alpbachtal (Tirol) vom , genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , kundgemacht vom 8. bis , soweit der Plan die beiden genannten Grundstücke betrifft.
Nach Darlegungen zur Antragslegitimation wird im Antrag im wesentlichen ausgeführt, die Grundstücke der Antragsteller seien mit Gemeinderatsbeschluß vom in Bauland umgewidmet worden. In der näheren Umgebung der Grundstücke stünden bereits drei Wohnobjekte. Im Flächenwidmungsplan vom seien die beiden Grundstücke der Antragsteller wieder als Freiland gewidmet worden. Aufgrund eines Begehrens des Erstantragstellers habe der Gemeinderat am eine Umwidmung in Bauland vorgenommen, was der Gemeinderat damit begründet habe, daß die Umwidmung in Freiland im Jahre 1982 "irrtümlich bzw. nicht im Sinne der Auffassung des Gemeinderates erfolgt" sei. Die Landesregierung habe dieser Umwidmung jedoch keine Zustimmung erteilt.
Die "Rückwidmung" der Grundstücke der Antragsteller in Freiland durch den Flächenwidmungsplan 1982 widerspreche den Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes, insbesondere dessen § 9 (Bestandsaufnahme, Erarbeitung ausreichender Entscheidungsgrundlagen). Die Mitglieder des Gemeinderates seien infolge der fehlenden bzw. ungenügenden Bestandsaufnahme bei der Beschlußfassung des Flächenwidmungsplanes 1982 einem Irrtum unterlegen. Sie hätten nämlich angenommen, daß die verschiedenen bereits erteilten Einzelgenehmigungen, insbesondere auch betreffend die Antragsteller, weiterhin wirksam bleiben würden, diese aber aus optischen Gründen im neuen Plan zeichnerisch nicht dargestellt seien. Der Flächenwidmungsplan widerspreche daher auch dem § 10 Abs 4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, wonach die Widmung der einzelnen Flächen zeichnerisch darzustellen sei. Schließlich fügen die Antragsteller hinzu, daß ihre Grundstücke in technischer, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Hinsicht zur Bebauung geeignet seien.
2. Die Tiroler Landesregierung hat in einer Äußerung die Abweisung des Antrages begehrt und im wesentlichen ausgeführt, es hätten vor Erlassung des bekämpften Flächenwidmungsplanes gegen die Baulandwidmungen im betreffenden Bereich im allgemeinen und gegen die Widmung der Grundstücke der Antragsteller im besonderen bereits erhebliche raumordnungsfachliche Bedenken bestanden. Bei dieser Sachlage sei es einzig richtig gewesen, anläßlich der Erlassung des Flächenwidmungplanes im Jahre 1982 eine weitere Bautätigkeit im betreffenden Bereich zu unterbinden, indem "die ungenutzt gebliebenen seinerzeitigen Baulandwidmungen in Freiland zurückgeführt" worden seien. Daß es sich hiebei um eine bewußte Entscheidung des Gemeinderates gehandelt habe, ergebe sich schon daraus, daß die Baulandwidmungen in einem der Auflageentwürfe noch enthalten gewesen und in weiterer Folge aufgrund einer negativen raumordnungsfachlichen Stellungnahme "wiederum rückgängig gemacht" worden seien.
Die Grundstücke der Antragsteller lägen weit außerhalb des eigentlichen Siedlungsgebietes der Gemeinde. In ihrer Nähe befänden sich neben einer Sendeanlage nur einige Wochenendhäuser, welche schon vor der Erlassung des Flächenwidmungsplanes 1982 errichtet worden seien. Schon bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes sei festgestanden, daß es sich raumordnerisch um eine Fehlentwicklung handle, die nicht nur allgemein im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung (bestmögliche Anordnung und Gliederung des Baulandes sowie Erhaltung zusammenhängender, unverbaut bleibender Flächen) stehe, sondern auch zu den daraus abgeleiteten speziellen Planungszielen der Gemeinde. Um den in der Gemeinde bestandenen Baulandüberhang zu beseitigen, hätten vornehmlich jene Grundflächen als Freiland gewidmet werden müssen, deren Bebauung diesen Entwicklungszielen widersprochen hätte. Es liege auf der Hand, daß die Grundstücke der Antragsteller, bei denen es sich um Einzelwidmungen weit außerhalb der eigentlichen Siedlungsgebiete gehandelt habe, davon nicht hätten ausgenommen werden können.
Zwar habe der Gemeinderat in weiterer Folge die Grundstücke zweimal einer Baulandwidmung zuführen wollen, die Landesregierung habe aber den entsprechenden Änderungen des Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt.
Zum Vorbringen der Antragsteller hinsichtlich § 10 Abs 4 TROG verweist die Landesregierung darauf, daß die Widmung auf dem Flächenwidmungsplan eingetragen sei. Lediglich die einzelnen Parzellenbezeichnungen seien aufgrund des kleinen Maßstabes zum Teil nicht einwandfrei erkennbar.
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Reith im Alpbachtal stellt in seiner Äußerung zwar keinen Antrag, verweist aber darauf, daß es sich bei den umstrittenen Grundstücken um landwirtschaftlich genutzte Grundflächen (Alm- und Weidewiesen) am Reitherkogel, einem Naherholungsgebiet, gehandelt habe. Die Antragsteller hätten die beiden Grundstücke in den Jahren 1960 und 1961 von einem Landwirt außerbücherlich erworben. In einem am beschlossenen Verbauungsplan seien diese Grundstücke als Freiland ausgewiesen und in der Folge nach mehreren Ansuchen der Antragsteller am in Wohngebiet umgewidmet worden. Der Gemeinderat habe sich bei dieser Entscheidung von Erwägungen im Interesse des ehemaligen Grundeigentümers leiten lassen, welcher den Kaufpreis bereits im Jahre 1960 bekommen und für Investitionen auf seinem Hof verwendet habe.
Zielsetzung des Flächenwidmungsplanes vom sei eine Verminderung des großen Baulandüberhanges, die möglichste Schonung landwirtschaftlich wertvoller Flächen sowie das Bestreben gewesen, keine größeren Siedlungsanlagen auszuweisen und das gewachsene Gefüge zwischen Landwirtschaft und übrigen Wirtschaftsformen nicht zu stören. In diesem Flächenwidmungsplan seien die beiden hier maßgeblichen Grundstücke nicht mehr als Wohngebiet oder Bauland ausgewiesen, weil die Grundstücke sich nicht dafür eigneten. Eine Baulandwidmung dieser Grundstücke für die Errichtung von Wochenendhäusern widerspreche geradezu den Zielen der Raumordnung und einer geordneten Verbauung.
In der Äußerung wird schließlich eingeräumt, daß der Gemeinderat in der Folge "mehrere Umwidungsanträge der Beschwerdeführer positiv behandelt" habe, weil der Gemeinderat der Meinung gewesen sei, daß die beiden Parzellen aufgrund von Mißverständnissen zwischen Planer und Gemeinderat nicht mehr im Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesen worden seien und weil der Gemeinderat die wirtschaftlichen Folgen für den Verkäufer und ehemaligen Eigentümer der Grundstücke nicht abschätzen könne.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Antrag ist zulässig (s. die mit dem Erkenntnis VfSlg. 9260/1981 beginnende ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur unmittelbaren Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen in Tirol durch den Grundeigentümer).
2. Dem bekämpften Flächenwidmungsplan vom ist - in Übereinstimmung mit dem Vorbringen von Landesregierung und Gemeinderat - zu entnehmen, daß die beiden umstrittenen Grundstücke - die Parzellennummern 1335 und 1336 sind auf dem Plan lesbar - weit außerhalb jedes Wohngebietes liegen, umgeben von Freiland, insbesondere von größeren Waldflächen. In der näheren und weiteren Umgebung der Grundstücke sind auf dem Plan nur einige verstreut liegende Gebäude eingezeichnet, welche aber ausnahmslos im Freiland liegen.
Schon allein diese Umstände berechtigten den Gemeinderat im Hinblick auf die in § 8 Abs 2 lita und litb des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. 4/1984 (TROG), aufgestellten Raumordnungsziele, von einer Baulandwidmung Abstand zu nehmen. Die bisherige Widmung bzw. Nutzung der Grundstücke war zwar bei der Bestandsaufnahme im Sinne des § 9 Abs 1 TROG zu berücksichtigen, sie bedeutete aber nicht, daß eine in der Folge vorzunehmende Widmung ihr gleichsam automatisch und in jedem Fall entsprechen mußte (vgl. hiezu VfSlg. 9975/1984 S 232f., 10277/1984 S 628, 10278/1984 S 632, insb. 11850/1988 S 272 sowie jüngst ). Da die beiden Grundstücke noch dazu unverbaut waren, hätte der Gemeinderat bei der hier gegebenen Situation das ihm zustehende Planungsermessen (vgl. zB VfSlg. 11850/1988 und 12285/1990) überschritten, wenn er für diese beiden Grundstücke - isoliert - eine Baulandwidmung ausgesprochen hätte; dies selbst dann, wenn nicht überdies auch noch ein Baulandüberhang in der Gemeinde bestanden hätte.
Zum Vorbringen der Antragsteller, wonach sie ihre Grundstücke "unter erheblichem finanziellen Aufwand zufahrts- und wassermäßig erschlossen" hätten, sind die Antragsteller darauf hinzuweisen, daß sie die Frist zur Stellung eines Entschädigungsantrages gemäß § 30 TROG offenbar ungenützt haben verstreichen lassen (wobei der Verfassungsgerichtshof hier nicht zu beurteilen hat, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Entschädigung gegeben waren).
Zu bemerken bleibt, daß - entgegen dem Antragsvorbringen - die Widmung des gesamten hier in Betracht kommenden Gebietes als Freiland im Sinne des § 10 Abs 4 TROG auf dem Flächenwidmungsplan hinreichend zeichnerisch dargestellt ist.
3. Der Antrag ist daher als unbegründet abzuweisen.
Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.