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VfGH vom 19.06.1996, V108/95

VfGH vom 19.06.1996, V108/95

Sammlungsnummer

14523

Leitsatz

Kein Verstoß einer AusgleichsabgabeV betreffend Erhebung einer Ausgleichsabgabe für fehlende Garagen und Abstellplätze hinsichtlich des normierten Zeitpunktes der Entstehung der Abgabenschuld gegen das F-VG 1948; finanzverfassungsrechtlich unbedenkliche Ausfüllung der durch das Vlbg BauG 1972 eingeräumten Ermächtigung zur Erhebung der Abgabe; Abweisung der Beschwerde im Anlaßfall; kein Verstoß der AusgleichsabgabeV gegen das Gleichheitsrecht; hinreichende Bestimmtheit der Kriterien zur Bemessung der Abgabe

Spruch

§ 4 Abs 1 der Verordnung der Stadtvertretung Feldkirch vom über die Erhebung einer Ausgleichsabgabe für fehlende Garagen und Abstellplätze, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom bis , wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B200/95 ein Verfahren über eine gemäß Art 144 Abs 1 B-VG eingebrachte Beschwerde anhängig, welcher folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Feldkirch vom wurde dem Beschwerdeführer aufgrund des Umbaues eines Wohn- und Geschäftshauses eine Ausgleichsabgabe für zwei fehlende Einstellplätze und einen fehlenden Abstellplatz in der Höhe von S 162.552,-- vorgeschrieben. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der Abgabenkommission der Stadt Feldkirch mit Bescheid vom abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde von der Vorarlberger Landesregierung mit Bescheid vom ebenfalls abgewiesen.

In der gegen diesen Vorstellungsbescheid erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

2. Aus Anlaß dieser Beschwerde beschloß der Verfassungsgerichtshof am gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des § 4 Abs 1 der Verordnung der Stadtvertretung von Feldkirch vom über die Erhebung einer Ausgleichsabgabe für fehlende Garagen und Abstellplätze (in der Folge bezeichnet als: AusgleichsabgabeVO) von Amts wegen zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof ging bei Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens davon aus, daß er bei seiner Entscheidung, ebenso wie die belangte Behörde, die in Prüfung gezogene Bestimmung der AusgleichsabgabeVO anzuwenden hätte.

4. Seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung legt der Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß wie folgt dar:

"2. Gemäß § 12 Abs 1 und 6 des Vorarlberger Gesetzes über die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken (Baugesetz - BauG), LGBl. 39/1972, bestehen Verpflichtungen zur Errichtung von Garagen oder Abstellplätzen bzw. können solche durch Verordnung der Gemeindevertretung geschaffen werden. Gemäß § 12 Abs 7 Vbg. BauG kann die Baubehörde Erleichterungen oder Ausnahmen von der Verpflichtung zur Schaffung von Garagen oder Abstellplätzen gewähren, wenn dies auf dem Baugrundstück unmöglich, unzulässig oder unwirtschaftlich wäre. Gemäß § 13 Abs 1 Vbg. BauG ist die Gemeinde ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung in den Fällen des § 12 Abs 7 für jede fehlende Garage und jeden fehlenden Abstellplatz einmalig eine Ausgleichsabgabe bis zu dem sich nach Abs 3 ergebenden Höchstausmaß zu erheben. Die Abgabepflicht trifft den Eigentümer eines Bauwerkes, der auf dem Grundstück oder in dessen Nähe (§12 Abs 3 (gemeint offenbar:

Abs4; vgl. hiezu Feurstein, Das Vorarlberger Baugesetz2 (1991), 44 Anm. 4 zu § 13)) die vorgeschriebenen Garagen oder Abstellplätze nicht schaffen kann.

Gegenstand dieser Abgabe ist sohin das Fehlen von Garagen oder Abstellplätzen, obwohl eine generelle Rechtspflicht zu ihrer Errichtung bestand, diese aber durch eine Ausnahmebewilligung nach § 12 Abs 7 Vbg. BauG beseitigt wurde ( Zl. 90/17/0331 mit Hinweis auf Sausgruber, Das Vorarlberger Finanzrecht (1977), 194; Feurstein, aaO, 43 Anm. 2 zu § 13).

§ 4 der AusgleichsabgabeVO lautet (die in Prüfung gezogene Stelle ist hervorgehoben):

'(1) Der Anspruch auf die Ausgleichsabgabe entsteht mit Eintritt der Rechtskraft des Baubescheides.

(2) Erlischt die Baubewilligung durch ausdrücklichen Verzicht oder durch Zeitablauf, so ist dem Abgabepflichtigen auf Antrag die entrichtete Abgabe unverzinst zurückzuerstatten.

(3) Wird zunächst eine Ausgleichsabgabe entrichtet, werden die fehlenden Stellplätze jedoch innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides über die Vorschreibung der Ausgleichsabgabe errichtet, so ist die Ausgleichsabgabe unverzinst zurückzuerstatten.

(4) Dem Abgabepflichtigen erwächst durch die Entrichtung der Ausgleichsabgabe kein Anspruch gegenüber der Stadt Feldkirch auf Bereitstellung von Garagen und Abstellplätzen.'

3. Gemäß § 3 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes (Vbg. AbgVG), LGBl. 23/1984, entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabenpflicht knüpft. Obwohl der Entstehungszeitpunkt des Anspruchs auf die Ausgleichsabgabe in § 13 Vbg. BauG nicht ausdrücklich festgelegt wird, geht der Verfassungsgerichtshof doch vorläufig davon aus, daß sich bei systematischer, historischer und teleologischer Auslegung dieser Bestimmung ergibt, daß der Abgabenanspruch nicht, wie in § 4 Abs 1 AusgleichsabgabeVO normiert, mit Eintritt der Rechtskraft des Baubescheides (= der Baubewilligung), sondern vielmehr erst mit deren Inanspruchnahme 'aus Anlaß der Bauführung' (s. die Abschnittsüberschrift des hier maßgebenden 3. Abschnittes des Vbg. BauG) entsteht.

...

4. All dem scheinen auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 88/17/0107, und vom , Zl. 90/17/0331, nicht entgegenzustehen, auf welche sich die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zur Verteidigung der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung beruft.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 90/17/0331, ausgesprochen hat, daß die Rechtslage nach dem Vbg. BauG 'keine wesentlich andere als nach den Bestimmungen des § 40 Abs 1 und des § 41 Abs 1 des Wiener Garagengesetzes' sei, so dürfte sich dies ausschließlich darauf beziehen, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof weiter ausführt, 'als rechtlicher Anknüpfungspunkt für die Vorschreibung und Einhebung der Ausgleichsabgabe der Ausspruch in der Baubewilligung gilt, um wieviel die Zahl der vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlichen Ausmaß zurückbleibt' (s. Seite 6 dieses Erkenntnisses).

Eine Aussage über den Entstehungszeitpunkt des Abgabenanspruches scheint der Verwaltungsgerichtshof damit nicht getroffen zu haben; auch er anerkennt, daß die Regelungen in den Bundesländern Vorarlberg und Wien nicht identisch sind. Aus dem Umstand, daß in § 40 Abs 1 und in § 41 Abs 1 Wr. GaragenG als Entstehungszeitpunkt der Ausgleichsabgabe erkennbar der Eintritt der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides normiert wird (so Zl. 88/17/0107), dürfte daher im Hinblick auf die deutlich anderslautende Formulierung des § 12 Abs 7 und des § 13 Abs 1 Vbg. BauG, die unterschiedlichen Gesetzessystematiken und das Fehlen einer § 44 Abs 2 Wr. GaragenG vergleichbaren, gesetzlichen Regelung über die Erstattung des Abgabenbetrages bei Erlöschen der Baubewilligung für die Auslegung der Rechtslage in Vorarlberg nichts zu gewinnen sein.

5. Zusammenfassend hegt der Verfassungsgerichtshof sohin das Bedenken, daß § 4 Abs 1 AusgleichsabgabeVO einen vom Gesetz abweichenden Entstehungszeitpunkt des Abgabenanspruches festlegt und damit gegen § 8 Abs 5 F-VG, welche Bestimmung gegenüber Art 18 Abs 2 B-VG die lex specialis darstellt (VfSlg. 7967/1976, 8188/1977), verstößt."

5. Die Stadtvertretung Feldkirch wies im Verordnungsprüfungsverfahren anläßlich der Aktenvorlage auf die Gegenschrift der Vorarlberger Landesregierung im Anlaßverfahren hin und führt weiters aus:

"Dem Argument, daß in Vorarlberg eine dem § 44 Abs 2 Wr. GaragenG. vergleichbare gesetzliche Regelung über die Erstattung des Abgabenbetrages bei Erlöschen der Baubewilligung fehle, ist entgegenzuhalten: Bei der Ausgleichsabgabe handelt es sich um eine Gemeindeabgabe, die nach dem Abgabenverfahrensgesetz, LGBl Nr 23/1984 idgF, zu verwalten ist. Gem § 106 Abs 1 leg cit ist ein zu Unrecht entrichteter Betrag auf Antrag zurückzuzahlen. Wenn die der Ausgleichsabgabe zugrundeliegende Baubewilligung erlöscht, ist daher die zu Unrecht entrichtete Ausgleichsabgabe zurückzuzahlen. Nachdem dieser Tatbestand im Abgabenverfahrensgesetz geregelt ist, erübrigt sich eine weitere Normierung im BauG. oder in der Ausgleichsabgabenverordnung. Da die Erstattung des Abgabenbetrages bei Erlöschen der Baubewilligung somit in Vorarlberg geregelt ist und die Rechtslage keine andere ist als in Wien, spricht dieser Punkt gegen die Auslegung des VfGH und für die rechtliche Beurteilung des Amtes der Vbg. Landesregierung."

Die Vorarlberger Landesregierung hat im Verordnungsprüfungsverfahren auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichtet.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der im Anlaßverfahren bekämpfte Bescheid stützt sich auf die AusgleichsabgabeVO. Der Verfassungsgerichtshof hat, ebenso wie die belangte Behörde, die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden; diese ist sohin im Sinne des Art 139 Abs 1 B-VG präjudiziell.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das von Amts wegen eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind jedoch nicht begründet. Die Vorschrift verstößt - entgegen den Annahmen im Einleitungsbeschluß - nicht gegen § 8 Abs 5 F-VG.

§ 13 Abs 1 Vbg. BauG ermächtigt die Gemeinden, durch Beschluß der Gemeindevertretung in den Fällen des § 12 Abs 7 leg.cit. für jede fehlende Garage und jeden fehlenden Abstellplatz einmalig eine Ausgleichsabgabe bis zu dem sich nach Abs 3 (richtig müßte es heißen: Abs 4) ergebenden Höchstausmaß zu erheben. Die verfassungsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist offenbar

§8 Abs 5 F-VG, wonach die Landesgesetzgebung die Gemeinden ermächtigen kann, "bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben". Derartige Beschlüsse (Verordnungen) der Gemeindevertretung sind - wie sich (auch) aus § 5 F-VG ableiten läßt - von der strengen Gesetzesbindung des Art 18 B-VG ausgenommen. Die einschlägigen Landesgesetze müssen (nur) "die wesentlichen Merkmale dieser Abgaben, insbesondere auch ihr zulässiges Höchstausmaß bestimmen" (§8 Abs 5 zweiter Satz F-VG).

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß der Landesgesetzgeber mit § 13 Abs 1 Vbg. BauG die Ausgleichsabgabe in das freie Beschlußrecht der Gemeinden überstellen wollte. Er ist den Anforderungen des § 8 Abs 5 zweiter Satz F-VG in verfassungsrechtlich einwandfreier Weise dadurch nachgekommen, daß er den Abgabengegenstand und den Abgabenschuldner bestimmt und eine Aussage über das Höchstausmaß der Abgabe getroffen hat (§13 Abs 1 bzw. 4 Vbg. BauG). Eine eindeutige Aussage über den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld, die als Vorgabe für den Verordnungsgeber maßgebend wäre, ist dem Vbg. BauG hingegen nicht zu entnehmen. Der Verfassungsgerichtshof ist im Einleitungsbeschluß zwar vorläufig davon ausgegangen, daß aus dem Vbg. BauG als Entstehungszeitpunkt für den Anspruch auf Ausgleichsabgabe der Zeitpunkt der Bauführung abgeleitet werden kann. Diese Annahme wird jedoch durch § 13 Abs 2 Vbg. BauG entkräftet, der nur dann einen Sinn ergibt, wenn der Bescheid über die Vorschreibung der Ausgleichsabgabe bereits geraume Zeit vor dem Beginn der Bauführung ergehen kann. Die Gemeinde konnte bei dieser Rechtslage unbedenklich davon ausgehen, daß der Landesgesetzgeber eine Aussage zum Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld nicht getroffen und die Festlegung dieses Zeitpunktes ihrem freien Beschlußrecht überantwortet hat.

Wenn die Gemeinde Feldkirch somit in § 4 Abs 1 AusgleichsabgabeVO den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruches auf Ausgleichsabgabe mit dem Eintritt der Rechtskraft des Baubescheides festgesetzt hat, ist dies eine finanzverfassungsrechtlich unbedenkliche Ausfüllung der durch § 13 Abs 1 Vbg. BauG eingeräumten Ermächtigung. Gegen eine solche Festlegung bestehen auch keine sonstigen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal § 4 Abs 2 AusgleichsabgabeVO eine Erstattung der Abgabe auch für den Fall des Erlöschens der Baubewilligung durch Zeitablauf vorsieht.

3. Die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsstelle treffen sohin nicht zu; diese war daher nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.